Khan "Space Shanty" (Eclectic Discs 2004)

Noch in seiner Schulzeit gründete Gitarrist Steve Hillage mit Keyboarder Dave Stewart und Bassist Hugo Campbell Uriel, als Schlagzeuger kam nach einer Anzeige im Melody Maker Clive Brooks dazu. Nach ein paar lokalen Gigs stieg Hillage wieder aus, um an der Universität zu Canterbury Geschichte und Philosophie zu studieren, während seine Bandkollegen Uriel in Egg umbenannten und zwei ausgezeichnete Alben einspielten.
Noch im gleichen Jahr unterbrach er sein Studium, um mit den Jungs ein wildes Psychedelic Rock Album unter dem Bandnamen Arzachel einzuspielen, das heute schwer zu finden und wenn überhaupt, teuer ist. Schon April 1971 ließ Hillage die Universität hinter sich, um Khan zu gründen. Nick Greenwood (b), Dick Henningham (key), beide frisch von The Crazy World Of Arthur Brown und Pip Pyle (dr) waren die erste Besetzung, die Caravan, Gnidrolog und Steamhammer supportete. Decca's Deram Label wurde auf Khan aufmerksam, es kam zum Deal, so schnell konnte das damals gehen.
Im Dezember 1971 begannen die ersten Sessions Für "Space Shanty", Dick Henningham stieg vorher aus, die vakante Position am Keyboard besetzte Dave Stewart, der später, nach Egg, festes Mitglied in der kurzen Geschichte Khan's wurde. Die Band spielte zwei kurze Songs ein, die als Single veröffentlicht wurden (und nun der CD als Bonus anhängen. Da die originalen Tapes nicht mehr vorhanden waren, wurde eine originale Single genutzt, die Aufnahmen wurden soundtechnisch auf den besten Stand gebracht). Bis Ende März 1972 waren Khan im Studio, die lange Zeit zahlte sich aus, die Songs sind ausgezeichnet. In Europa kam die LP als Brain heraus. Auch später verkaufte "Space Shanty" sich gut, weil Steve Hillage für seine Solo-Alben und spätere Mitarbeit in Gong große Bekanntheit erlangte. "Space Shanty" beginnt mit dem fulminanten Titelsong, der in 9 Minuten ein großes Spektrum komplexer Rockmusik abfeuert. Immer einen Hauch Psychedelic transportierend und auch schon an spätere Gong-Alben wie "Flying Teapot" und "You" erinnernd, rockte die Band heftig. Heute würde der Prog-Nachwuchs wahrscheinlich aus den Themen allein dieses Songs drei CDs einspielen. Nichts wirkt überladen, das Material ist komprimiert und ausgezeichnet arrangiert. Kein Instrument macht hier nur seinen Job. Die Rhythmusmaschine ist sehr komplex und differenziert. Gerade das Schlagzeug mischt als Melodieinstrument mit vielen Breaks und betonten Rhythmuswechseln schwer mit, vom Bass perfekt begleitet. Das Keyboardspiel erinnert in Klang, Melodik und Anschlag an Canterbury Rockbands wie National Health, Dave Stewart hatte damals schon mit Egg seinen eigenen, unverwechselbaren und extrem virtuosen Stil gefunden. Vor allem aber die solistischen und melodischen Extravaganzen von Steve Hillage brachten Feuer in die Songs. Sein Gitarrenspiel, das zwischen melodischen Akzenten, harten solistischen Ausbrüchen und scharfen rhythmischen Betonungen ungemein vielseitig war, arbeitete die zahlreichen eindrucksvollen Ecken und Kanten des Songs hervor. Allein der dissonante Akkord, mit der Song und die LP/CD beginnt, ist grandios und macht neugierig.
"Stranded" ist eine Ballade, die vor allem von Dave Stewarts Keyboardspiel und dem Satzgesang von Hillage und Greenwood lebt. "Mixed Up Man of the Mountains" hat wieder eine dynamische Dissonanz am Anfang, auf welcher der Song seine Spannung und Dynamik aufbaut. Das ruhigere Stück bricht akzentuiert hart aus, und pendelt in harmonische Stille zurück, bis es in einem jazzigen Part aufgeht.
Die 2. LP-Seite beginnt mit dem jazzigen Rocker "Driving To Amsterdam". Wieder spielt die Band ein grandioses Thema und lange bevor der Gesang einsetzt, setzt die Band sich damit auseinander und variiert es sehr kunstvoll. "Stargazers" ist ein weiterer komplexer Song, virtuos und raffiniert. Der Song besticht durch die ideale Balance zwischen dem abgefahren harten Part und den lyrischen Einwürfen. Das abschließende "Hollow Stone" hat ein stärker psychedelisches Gewand, lebt von verspielten Tönen und lyrischen Momenten. Entspannt und locker lässt die Band den Song klingen und setzt nur wenige Eckpunkte, vor allem im fantastischen Refrain.
Danach kommen die beiden Singletracks "Breaks The Chains" und die erste, kurze Version von "Mixed Up Man of the Mountains", die zwar liedhafter sind, als das Material der LP, aber dennoch gut dazu passen und längst nicht zu popselig sind.
Nach dem Release kam Valentine Stevens für Dave Stewart zu Khan. Nick Greenwood stieg aus, um sein fabelhaftes Solodebüt "Cold Cuts" aufzunehmen (dessen offizielles CD-Release noch aussteht). Nigel Smith kam für Greenwood und auch Dave Stewart kehrte, nun als festes Mitglied, zu Khan zurück. Steve Hillage war mit der CD nicht ganz zufrieden und schrieb an neuem Material, das noch viel komplexer und unkommerzieller war und leider niemals aufgenommen wurde, weil Labelmanager Terry King nicht dahinter stand. Leider ist so mindestens ein Album (unter vielen anderen) den Weg alles Irdischen gegangen, bevor es das Licht der Welt erblickte. Das Material klang zu sehr wie Soft Machine, was Terry King dazu brachte, den Geldhahn abzudrehen. Und so war das schnelle Ende der Band gekommen. Steve Hillage wurde von Kevin Ayers gefragt, ob er in seine Band komme und Khan war Geschichte. Später ging Hillage zu Gong und nahm bis 1983 mehrere Soloalben auf, von denen die beiden ersten, "Fish Rising" und "L" interessant sind, der Rest ist leichtere Popkost. Ab 1989 arbeitete Hillage mit einem DJ und verschiedenen Musikern unter dem Banner "System 7" im Ambient und Techno Dance Bereich zusammen, 8 Alben wurden hier veröffentlicht.
Dave Stewart gründete mit dem ehemaligen Caravan-Member Dave Sinclair Hatfield and the North, trommelte aber zwischen den Aufnahmen der beiden Alben "Hatfield and the North" und "The Rotters Club" Mont Campbell und Clive Brooks zusammen, um unter dem Namen Egg das Album "Civil Surface" einzuspielen, wo Hillage als Gastgitarrist für einen Song dazu kam. Später gründete Dave Stewart die grandiose Band National Health (wer bringt die komplexesten Kompositionen mit?) und wurde Produzent. "Space Shanty" war bereits 1992 als CD-Release veröffentlicht worden. Damals ohne Bonustracks, weder remastert noch mit Story im Booklet, zudem längst ausverkauft. Das neue Release ist rundherum empfehlenswert. Ein Klassiker für Prog Freaks der alten Schule, von dem man nicht mehr loskommt.

eclecticdiscs.com
VM



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