Kaukasus "I" (Autumnsongs Records/Just For Kicks, 30.05.2014)


Der Kaukasus liegt nicht in Skandinavien. Die Heimat der drei Musiker hinter dem Bandnamen schon: Ketil Vestrum Einarsen (Jaga Jazzist, Motorpsycho), Rhys Marsh (The Autumn Ghost, Opium Cartel) und Mattias Olsson (Änglagård, White Willow) haben, nach eigener Aussage, ein Old School Album auf die moderne Weise eingespielt. Das passt, wenn Old School auch nicht auf einen Stil allein zu beziehen ist. Und die moderne Weise ebenso in allerhand Schubladen wühlt. Assolutamente nix retro. Old School anew.
"I" ist ein großartiges, mystisches Album, das so nur aus Skandinavien kommen kann. Die Düsternis der Themen, die Epik der Kompositionen, der Bombastfaktor, der ganz klar sagt: das ist mein musikalisches Zuhause, diese Musik bin ich.
Die Songs strahlen ebenso Sensibilität für skandinavischen Folk aus wie handwerklich reifes Wissen und lässige Umsetzungsfähigkeit um und für harten Rock, Progressive Rock, Symphonic Doom, so etwas wie Krautrock, Artrock, Pop und Metal. Hier arbeitet das Trio im Alternative Geist, dort werden Symphonien geprägt, schwerer Progressive Bombast wie federleichter Artpop fließen aus den Boxen - von allem 'Guten' ist eine Menge in Kaukasus' 7 Debütsongs zu finden.
Und jedes Hören erschließt die Geheimnisse mehr und mehr. Hier schweben weite symphonische Ideen über epische Walddüsternis, da ackern sich crimsoneske Disharmonien aus. Einmal darf die extra simpel programmierte Elektroperkussion Minimalpop entwerfen, um darüber ein wuchtiges Stück Brachialrock zu schieben, von sanftem Gesang begleitet, als gelte es, den breitesten Spagat zwischen kraftvoll dunklem Ton und lichter Stimme auszudrücken. Und dann sinkt der Song in zarteste Lyrik.
Als wäre genetisches Material von Genesis, King Crimson und Steven Wilson (als junger Faktor) im skandinavischen Eposstil zusammengekommen. Mal abgesehen davon, dass alle drei Mitarbeiter genau wissen, wie ihre vielfachen Instrumente (ich habe 26 Stück gezählt) virtuos zu bedienen sind, beweisen die Songs ein hinreißend gutes Gespür für Komposition und Arrangement. Die Songs sind eingängig und sperrig zugleich. Eingängig ist der hohe melodische Anteil, die partielle Betonung des Bombastes, die 'skandinavische' Düsternis, sperrig die schrägen, deftigen, psychedelischen, komplexen Themen - und die trotz der epischen Orientierung zahllosen Motive, Motivwechsel und so unterschiedlichen Stilmittel.
Vor allem aber: diese Musik transportiert zeitlose, melancholische Mystik, die diesen wilden Film im Kopf aufmacht, der Musikmoleküle aus dem Boden kriechen sieht, die als freier, unbändiger Geist gegen jede stilistische, unterdrückende Verkrampftheit angeht und in seiner wikingerbreitbrüstigen Anmut schweren Eindruck macht, ohne posermäßig wie Hollywood-Tralala zu wirken.
Trotz einiger kinderliedartiger Popanteile und dem bewussten, intensiven Bedienen des 'Skandinavien'-Faktors gehen die mystischen Magier Kaukasus mit ihrem siebenköpfigen "I" nicht mehr aus dem Kopf.

kaukasus.no
justforkicks.de
VM




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