Karl Seglem "NORSKjazz.no" (Ozella Music, VÖ: 03.07.2009)

Für sein 25. Album hat sich der norwegische Saxophonist Karl Seglem mit dem jungen Eple Trio zusammengetan, ein akustisches Album zwischen ambienter zeitloser Folk/Rock-Harmonie und nordischem Jazz einzuspielen. Seglem (ts) hat bis auf den dritten Track, "Året Hallar" ist ein norwegisches Traditional, und das eröffnende "Portugalsong" alle Songs selbst geschrieben und die Arrangements in der Band ausgearbeitet.
Andreas Ulvo (p), Sigurd Hole (b) und Jonas Howden Sjøvaag (dr, perc) - alle drei geübte und engagierte Musiker mit Erfahrung zwischen Jazz und Rock - beweisen ein äußerst intimes und intensives Gespür für Seglems Kompositionen. Die pure Leichtigkeit der Songs, ihre entspannte Note, die genüssliche Klangfarbe der Harmonien baut die Band mit rhythmischen Akzenten, kraftvollen bis melancholisch sanften Tastenanschlägen und dynamisch schwerem Bassklang aus. Karl Seglem ist nicht der Solist auf der Basis des Eple Trios, erst die gemeinsame Ausarbeitung der Themen, in denen alle vier Musiker Struktur bauende Melodiearbeiter sind, macht die Besonderheit der Songs aus.
Das Quartett schreckt vor lauten Tönen im leisen Umfeld ebenso wenig zurück, wie vor der abgründigen Düsternis in "Året Hallar", dem Gänsehautsong der Platte. Die siebeneinhalb Minuten sind keine Sekunde zu lang, eher könnte das Motiv ewig weitergehen. Der eröffnende Bass wird gestrichen, das Motiv hat intensive Tiefe, offenbart Lebenslust in aller abgründigen schieren Hoffnungslosigkeit und Verlorenheit. Zwei Minuten führt der Bass das Motiv, nur von vereinzelten Beckenanschlägen begleitet, die zwar hell klingen, aber wie Totenglocken wirken. Seglem übernimmt schließlich das Motiv und die Band steigt ein, dem klassischen Lied ein modernes Gewand zu geben, ohne den Charakter zu verändern oder zerstören.
Es sind die Innigkeit und große Sensibilität, mit der die Band diesem Song und Seglems Kompositionen diesen erstklassigen Klang, die Erhabenheit und zerbrechliche Schönheit geben. Die aufgebrachten Höhepunkte in der Losgelöstheit von der strengen Form beweisen improvisatives Geschick und technische Finesse, die Musiker sind exzellente Handwerker und zudem inspirierte Klangtüftler, die die Geheimnisse aufzuspüren in der Lage sind, die in den Songs entdeckt werden wollen.
Wenn die sparsame Energie der Band auch für fast stete und gleichmäßige Lyrik sorgt, wird die Platte ihre knappen 42 Minuten lang niemals langweilig. Der ausgezeichnete Ensembleklang, die feinen Kompositionen, das illustre improvisative Spiel und die exzellente Leichtigkeit des geübten Handwerks machen aus "NORSKjazz.no", ein, mit Verlaub, blöder Titel, ein spannendes zeitloses Werk. Zugleich wirft sich die Frage auf: was ist nordischer Jazz, was norwegischer Jazz? Was Jazz? Was Rock? Was Folklore?
Die Wirtschaftskrise wird sich damit nicht lösen lassen, aber besser ertragen allemal, wie ein jedes Ungemach.

karlseglem.no
norskjazz.no
myspace.com/epletrio
ozellamusic.com
VM





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