Karcius "Episodes" (Unicorn Digital 2008)

Beginnt relativ unauffällig, das nach "Sphere" (2004) und "Kaleidoscope" (2006) bereits dritte Album der instrumentalen Kanadier Karcius. Die ersten drei Tracks ergeben zusammen das über 30 Minuten lange "Éléments", das manchmal etwas leicht und lieblich klingt, rhythmische Komponenten wie im Melodic Rock auffährt, locker und luftig wirkt - und dann immer besser wird. Die zahllosen Motive des eröffnenden Dreiteilers sind verspielt und lässig, haben solistische und improvisative Höhenflüge, Passagen, in denen ein klassisches Streicherensemble die Führung übernimmt (was in einem späteren Track wiederkehrt).
Die Stücke sind interessant und einfallsreich komponiert, haben etliche Überraschungen, sind abwechslungsreich und können laut und leise, akustisch und elektrisch, sind spannend und geradezu mitreißend, haben stürmische Parts und einlullend lyrische.
"Incident", das sich "Éléments" anschließt, hat den Charme von Chick Coreas lateinamerikanischen Latinojazz-Kompositionen. Forsch am Piano, rhythmisch knackig, mit romantischem Streicherensemble treibt die wuchtige Komposition lebhaft durch ihre achteinhalb kurzweiligen Minuten.
"Levant" ist eine Pianoballade, licht und virtuos, nachdenklich und nicht ohne klassische Übung hat das kurze Stück den Schalk im Nacken. "Purple King" könnte als Paradebeispiel für Jazz-Prog-Fusion stehen. Die Flower Kings haben ihr Erbgut ausgeschüttet. Simon L'Espérance spielt außergewöhnlich gut Gitarre. Die epische Komposition schwingt sich fast zu metallischer Härte auf, im Fokus die elektrische Gitarre, das Piano als bombastische Begleitung, die rhythmischen Eckpunkt kraftvoll zu machen. Der deftige Rhythmus bricht die feste Struktur auf und lässt den Songs grooven. Plötzlich kann man und frau Langhaar im Takt schütteln, aus der jazzigen Note ist ein taktvoller Rocker geworden, der sich schließlich wieder verändert, nichts ist stetig, nichts unabänderlich. Viele Motive sind in diesem siebeneinhalb Minuten langen Stück aufgegangen. Fabelhaft, was die Band daraus macht. Fast wird es schließlich des Bombastes und des Pomp zuviel, die Töne schwellen an, eine Schweineorgel übernimmt die Führung und ein bluesiges Motiv drückt sich durch. Was mag jetzt noch kommen? Das passt ins Konzert wie in die freitagabendliche Kneipe. Na ja, fast. Ganz zackig geht es zu Ende. Und schneller als gedacht ist der purpurne König (als Einflussmix aus Deep Purple und Flower Kings?!) ausgetönt.
"Racines" am frühen Ende, die CD ist etwa 58 kurzweilige Minuten lang, zieht beschwingt seine Bahn. Der Songs könnte Reggae sein, ist entreggaesiert, wenn das zu behaupten erlaubt ist, locker und flockig geht es voran. Hier scheint jemand dazu einen Nagel in eine Wand zu schlagen, dort fällt Geschirr zu Boden. Dann forciert sich die Energie des Stückes und aus der Lässigkeit wird energischer Jazz, der vital rockt. Nach zwei Minuten schwillt die Ekstase wieder ab, die Beschwingtheit kehrt zurück und das launige Motiv zieht seine Bahn. Keys und Gitarre geben Soli ab und der deftige Groove will und will nicht enden. So klingt es zum Schluss wie spätere Pink Floyd, im Gitarrensound, in der Leichtigkeit. Als wäre es ein Leichtes, solches zu spielen. Und nichts Besonderes. Eine kleine Übung am Rande. In der letzten Minute bleiben Bass und Schlagzeug, ohne Unterlass den stets gleichen Rhythmus zu spielen, bis zuletzt die Schlagzeugstöcke zu hören sind, die zu Boden fallen, und bevor die Tür zugeschlagen wird und die CD endet, wippt der Shaker den Takt weiter und weiter. Und Aus.

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VM



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