Kaipa "Keyholder" (InsideOut Music 2003)

Das zweite Album der neuen Kaipa ist so lang wie ein Doppelalbum zu Vinylzeiten. Fast 80 Minuten in 8 Songs verpackt. Größtenteils sind die Stücke instrumental - und sie machen unglaublich viel her! Es ist Hans Lundin und Roine Stolt gelungen, keinen Song klingen zu lassen, als hätten die Flower Kings ihn eingespielt. Beim ersten Mal hatte Roine Stolt kompositorisch wohl mehr die Finger im Spiel, "Keyholder" scheint eher das Werk von Hans Lundin zu sein, auch wenn Roine Stolt sich, logisch, warum sollte er, sich nicht zurückhält. So ist seine Handschrift in etlichen Arrangements deutlich zu erkennen. Kapia ist eine berechtige und gleichberechtigte Band neben den Flower Kings, die zwar das gleiche musikalische Feld beackert, aber das auf eigene Art und Weise (leider aber keine "richtige" Band ist, sondern nur als Studioprojekt wiederbelebt wurde). Dazu tragen auch die involvierten Musiker ihre persönliche Note bei. Roine Stolt hat Jonas Reingold (b) mitgebracht, der sich selbstbewusst und anspruchsvoll ins Geschehen setzt, ohne die Flower Kings erkennen zu geben. Morgan Agren von Mats/Morgan sitzt am Schlagzeug und besser könnte der Hocker an den Trommeln nicht besetzt sein, ist Morgan doch ein Derwisch, der komplizierteste Figuren in dramatischer Geschwindigkeit zu spielen weiß und keinerlei technische Fehler erwarten läßt (was genauso für alle weiteren Involvierten gilt). Patrik Lindström von Ritual hat eine unvergleichliche und unverwechselbare Stimme, die er äußerst kraftvoll und vital einsetzt. Aleena besetzt die weibliche Stimme sehr gut, macht aber dennoch den, zumindest für mich, schwächsten Eindruck. Das liegt nicht unbedingt an ihr, es liegt an den Arrangements für ihre Stimme. Die sind sehr weich, süß und überbetont, ihr Gesang an sich ist perfekt. Der melodische Rausch stieg Hans Lundin wohl zu Kopf, wer weiß, vielleicht hat die Dame es ihm schwer angetan. Das ist auf dem Album die einzige Einbuße. Alles weitere (wie profan das klingt!) ist von höchster Qualität. Der symphonische Progressive Rock mit Jazzrock-Attacken und einem unglaublich phantasievollen instrumentalen Körper ist die ideale Traum-wird-Wirklichkeit Musik für Prog Freaks. Suchet und ihr werdet die schlichten Motive nicht finden, sogleich keine plakativen Stimmungen oder bereits dagewesenes, hier ist eine authentische Band am Werk, die lieber doppelt komplex arbeitet, als sich nachsagen zu lassen, dass keine Luft auf dem Reifen wäre. Ein hervorragendes Werk. Wenn Hans jetzt für Aleena noch etwas abstraktere Gesangslinien schreibt, sind die letzten Macken ausgelöscht. Stellt Euch vor, Roine Stolt wäre 1993 nicht auf die Idee gekommen, wieder Progressive Rock zu kreieren. Welche Lücke sich da auftun würde!

kaipa.info
VM



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