IZZ
"The Darkened Room" (2009)
"IZZ Live" [DVD] (2011 Doon Records)

IZZ sind nicht zuerst für ihren Humor bekannt, sondern für begnadeten, erstklassig komponierten und mitreißenden Progressive Rock, der Old School, Retro Prog, Jazz und Pop vereint, und stets aufs Neue wie verrückt kernige Gesangslinien präsentiert, perfetto ausgetüftelten Komplexsound mit symphonischer und melodischer Orientierung, in der es ordentlich hart krachen kann, ohne dass der coole Sound angestrengt oder nervig wirkt. Im Gegenteil, die Ostküstenboys aus der Stadt der großen französischen Blechlady, vereinen schier unvergleichlich Komplexität und Eingängigkeit, Anspruch und Schöngeist, Rockhärte und liedhafte Seligkeit, und - es macht ohne Ende Spaß, zuzuhören.
"The Darkened Room" wurde in einem Raum ohne Licht geschrieben, arrangiert und eingespielt. Mal abgesehen von den Kleinigkeiten, für die wir was sehen mussten, was so etwa 98% waren. Na ja, also wir haben eigentlich alles in Räumen mit Licht aufgenommen. Sorry für die Sache mit dem dunklen Raum. Wir hassen es, wenn Bands alles dem Konzept unterordnen. War nur Spaß…" - so steht es im Booklet.
Zwei Jahre ist es bereits alt und jung wie am ersten Tag. "The Darkened Room" hat ein romantisches Konzept, das die allgegenwärtigen Qualitäten der Band locker präsentiert. Gern werden IZZ mit Spock's Beard oder den Flower Kings abgeleuchtet. Doch beide genannte Bands passen kaum. Spock's Beard haben längst nicht mehr den Charme, nicht mehr die hinreißende und selbstbewusste Qualität, die den Namen groß gemacht haben. Und die schwedischen Flower Kings beackern eine ganz andere Baustelle. Indes haben alle drei Bands dieses musikalische Gen ausgemacht und ihre liedhafte Komplexität, progressive Melodieseligkeit und schöngeistige Power ganz darauf orientiert. Und in allen drei Bands sind begnadete Komponisten, denen immer wieder etwas einfällt, egal, wie viele Songs es auf dem Planeten schon gibt, wie viele sie davon kennen und wie viele selbst geschrieben. IZZ' Inspiration ist großartig, schert sich hörbar kaum darum, in der Masse anzukommen, was sie ohne Zweifel könnten, wenn sie ihre Songs schlichter, eingängiger, radiotauglicher machen würden. Das wäre dann zwar Fahrstuhlmusik für den allgemein wenig interessierten Weghörer, dafür würden plötzlich sehr viele Ohren nach Schmeicheleinheiten im dann billigen Sound dieser Band suchen - und die Kontostände der Bandmitglieder würden schicke Pegelsteigerungen erfahren. Und schon wäre das Leben viel einfacher. Zum großen Glück haben IZZ keine Lust darauf und machen genau nur das, wozu ihre Sinne gewachsen sind, ihr musikalischer Stil sich entwickelt hat.
Und in VM ist durch seltsame Pfade abgespeichert, dass IZZ - irgendwie - die aktuelle Antwort auf die frühen Ambrosia sind, deren zumindest erste beide Alben in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre einen schwer reichen und enorm schöngeistigen Sound zwischen druckvollem Progressive Rock und verspieltem Melodic Rock entwickelten. Nur der Aspekt der ersten beiden Alben, nicht die Entwicklung der Band. IZZ sind nicht Ambrosia, indes haben beide Bands so einige qualitative Parallelen. Die erlesenen Satzgesänge, die vitalen, nicht ausufernden, konzentrierten Arrangements, in denen sich allerlei verrückte und verspielte Ideen tummeln, die begnadete Songdienlichkeit ihrer straff konzipierten und doch energisch und lebhaft sich entwickelnden Kompositionen. IZZ' Bandbreite reicht von Progressive Rock bis Melodic Rock, von Klassik bis Pop, von Hardrock bis Jazz, ist toll komponiert, mitreißend gespielt, kraftvoll, dynamisch, lebhaft, elegant, zeitlos modern. Zeitlos.
Eigentlich sehr schön, dass ich "The Darkened Room" jetzt erst, 2011, kennen lerne. So erfahre ich endlich die hinreißende Coolness und vitale Energie der "neuen" Songs und Platte der Band. Zum anderen ist schon wieder so viel Zeit ins Weltgeschehen geflossen, dass die Ladies und Mister gewiss vielleicht schon wieder an neuen Ideen herumwerkeln, um in nicht allzu ferner Zukunft für erneute Überraschungen zu sorgen. Bleibt zu hoffen.

Überbrücken kann man die Wartezeit mit der aktuellen DVD "IZZ Live". Das rund 182 Minuten umfassende Programm hat vier große Tracks. Zuerst ist da die Hauptsache: IZZ live at Nearfest 2007, gut fotografiert, gutes Licht, die Band ist gut aufgelegt, es geht herzhaft und energisch zur Sache, ohne dass so etwa wie Show eine Rolle spielt. Schauspieler sind sie nicht. Macht nix. Die Chose funktioniert und macht Laune. Teil zwei heißt "Live at Progfest". Die Qualität ist deutlich schlechter, Sound wie Bild. Indes zeigen IZZ die gleiche Spielfreude, und die gleiche Abwesenheit jeder Show, Bewegung findet gewiss statt, auf dem Nearfest auch, sonst würden ihnen die Füße einschlafen. Egal, alles gut. 3. ist "Webcast" untertitelt, 4. "In Studio". Die mehr als nur Bonusqualität aufmachenden Parts sind zeitlich nicht ohne, präsentieren die Band live und im Studio, beim Proben und Einspielen ihrer Songs, in ihrer natürlichen Umgebung, auf Socken, usw. Manches Bandmitglied spricht interviewhaft Band-Details aus, die Szene ist entspannt und locker. Lustig zu sehen, wie IZZ mit Platzproblemen kämpfen, so spielt Tom Galgano sein Keyboard mal auf einem Fensterbrett direkt vor dem Fenster, ringsum alles voller Kabel, Instrumente, Musiker und Techniker. Schon ganz spannend alles. Indes ist nur der Nearfest-Beitrag von großer Qualität und selbst hier sind Abstriche zu machen, geht es technisch weitaus besser. Aber, und noch einmal egal, macht alles nix, schon ganz fein, die DVD. Weil: es ist einfach unterhaltsam, der entspannten und völlig unverkrampften, lockeren Band bei allem zuzusehen, was sie so (musikalisch) tun.

izznet.com
VM



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