Interview mit Yogi Lang, rpwl im Mai 2008


Aus Manhattan, New York, antwortete Yogi Lang mir per Email. Meine Fragen an RPWL hatten sich über längere Zeit gestapelt, wie meine Eindrücke über ihre Musik und meine Neugierde darauf, wie jeder neue Song wohl klingen möge. Gerade haben RPWL auf dem RosFest gespielt, heute, am 12. Mai sind sie wieder zurück. Prog oder nicht Prog, ganz egal, RPWL sind eine fabelhafte Band, die fabelhafte Songs komponiert. Wie werden sie von den Fans wahrgenommen, wie nehmen sie die Fans wahr? Ohne dass ich Yogi getroffen, wir miteinander gesprochen haben, gingen meine Fragen online raus,
seine Antworten online ein. Und dennoch,
meine ich überzeugt, ist dieses "Interview"
nicht hölzern oder starr, sondern
ein guter Rundumeinblick in die Band RPWL.


ragazzi: Kannst du zuerst einmal die Bandgeschichte und euren Werdegang kurz zusammenfassen? Wie habt ihr euch getroffen? Wie und wann habt ihr als Band gestartet? Was waren eure Ideen und Ziele?

Yogi: Im Prinzip kennen wir uns schon ewig. Ich hatte mit unserem Bassisten Chris Postl schon eine Band als wir etwa 14 Jahre alt waren. Nach der Schule verloren wir uns mehr oder weniger aus den Augen. Ich entschloss mich Musik zu machen und tingelte fortan in Studios, produzierte Alben und traf in diesem Rahmen Anfang der 90er unseren Gitarristen Kalle Wallner mit seinem damaligen Projekt "Violet District". Es vergingen wieder einige Jahre bis wir uns Ende der 90er nach weiteren Jahren im Studio wieder trafen, um gemeinsam wieder live auf der Bühne zu stehen. Ich hatte damals das Gefühl den eigentlichen Grund zu verlieren, weswegen ich als Kind unbedingt Musik machen wollte. So trafen Kalle, Chris und Ich einen befreundeten Schlagzeuger, Phil Paul Rissettio. Mit ihm gemeinsam starteten wir ein Live-Projekt mit dem Ziel, einfach nur das zu machen, was uns Spass macht. Wir hatten zu dieser Zeit nicht das Ziel ein Album zu machen. Wir nahmen unseren kleinsten gemeinsamen Nenner, Pink Floyd, und improvisierten über alte Floyd-Themen aus der Anfangszeit der Band. Da kam es schon mal, dass aus 4 "Songs" ein 2 Stunden-Konzert wurde. Aber was aus dem Projekt einmal werden würde, darüber machte sich in dieser Zeit keiner wirklich Gedanken. Es ging eben um die Gegenwart, um den Moment, nicht um die Zukunft.

ragazzi: Wie seht ihr heute den Beginn? Wie hat sich das Projekt „Band“ von anfänglichen Ideen bis heute entwickelt, wie hat es sich von euren ersten Vorstellungen gelöst und wie seht ihr heute eure damaligen Ideen der „Band“?

Yogi: Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich würde sagen, es war etwa wie wenn Du lang im Dunkeln lebst. Du gewöhnst Dich daran kein Licht zu haben, aber irgendwann öffnest Du den Vorhang und stellst fest, dass es die Sonne war, die Dir gefehlt hat. Dazu kommt auch eine Anhäufung von Ereignissen, die keiner voraussehen konnte. Wir machten nach und nach eigene Songs, eine Plattenfirma hörte ein Demo und schon waren wir mitten in der Produktion. Wir alle waren nur froh endlich wieder das zu machen, was uns am Herzen lag, als mit der Post ein Päckchen von unserer Plattenfirma kam: Ein deutschlandweites Musikmagazin hatte auf der Titelseite unser Bild, unser Album und unseren Bandnamen. Das war übrigens auch der Augenblick in dem ich zum ersten Mal den Namen Prog-Rock hörte.

ragazzi: Ihr habt eine neue CD draußen. Ein gutes Gefühl? Wie sind die Reaktionen?

Yogi: Das Gefühl ist besser als je zuvor. Teil 1 der Tour führte uns gerade schon mal durch Europa und gerade sind wir in den Philadelphia/USA und haben mit dem Rosfest wieder eines der grösseren Prog Festivals hier in den Staaten gespielt. Teil 2 der Tour im September wird noch einmal durch Europa führen. Wir versuchen seit Jahren Musik und Inhalte enger und enger zu verknüpfen und das Feedback dass wir diesbezüglich erhalten ist fantastisch. Wir haben immer wieder Diskussionen nach den Konzerten, bekommen viele Emails bezüglich der Texte. Zu oft wird Musik zu einem oberflächlichen 3 Minuten-Hintergrund-Entertainment degradiert.

ragazzi: Wirkt die Erwartungshaltung der Fans auf euch mit den Jahren anstrengender – wie ist eure Erfahrung?

Yogi: Das hat mit anstrengend nichts zu tun. Mehrere Alben gemacht zu haben heisst vielmehr dass Fans eben auch ihre Favoriten haben. Es gibt nach wie vor Leute denen unser erstes Album "God has Failed" am besten gefällt. Es ist ja nicht so, dass sie das andere Material nicht mögen. Jeder hat eben seine Lieblingssongs. Es ist am Anfang etwas befremdlich wenn jemand kommt und sagt: "Na das Album ist ja jetzt nicht so gut...". Da hast du dann schon deine Zweifel. Und plötzlich bekommst du von der selben Person bei der nächsten Scheibe wieder die positivsten Signale. Aber als Songwriter kannst Du sowieso nur das machen, was aus Dir selbst kommt. Es zu beeinflussen ist in der Musik, wie wir sie verstehen, eigentlich nicht möglich. So ist es am Ende einer Produktion dann immer wieder spannend das Ergebnis seiner eigenen Arbeit zu hören. Es ist wie ein Spiegel deines Innersten.

ragazzi: Wie sehen die Reaktionen eurer Familien aus – sind sie kritischer oder bewundernder als die der Fans?

Yogi: Meine 2 Töchter würden es denk ich lieber sehen, wenn sich das Ganze mehr nach Timberland anhört. Die eine liebt R&B, Justin Timberlake, die andere steht eher auf Party Musik oder auch 2Raumwohnung.
Für meine Mutter hingegen ist es bis heute eher mystisch, wie ihr Sohn sein Geld verdient. Aber sie hat mich bei meinem Weg immer unterstützt. Das empfinde ich als sehr wichtig, sowohl für die Persönlichkeit und das Selbstverständnis, als auch für so manche schwierige Zeit am Anfang meiner Entscheidung Musik zu meinem Beruf zu machen. Obwohl es keine musikalische Wertung ist, ist es doch schön zu sehen, wenn meine Mutter unsere CDs hört. Es erfüllt einen mit einer ganz besonderen Art von Stolz.

ragazzi: Wenn ihr Songs komponiert und in der Gruppe ausarbeitet, spielt dabei eure allgemein bekannte Vorliebe für Pink Floyd eine Rolle? Oder habt ihr diese Vorliebe so verinnerlicht, dass eure Ideen in diese Richtung sprudeln?

Yogi: Musik ist eine Mischung aus deinem Fundament und den äusseren Einflüssen. Dein Fundament entsteht in der Jugend und ein grosser Teil ist dabei die Musik mit der man aufwächst. Beim Songwriting denkst du daran nicht, es ist einfach da. Pink Floyd war meine erste grosse Liebe zur Musik. Ich denke nicht einmal wegen Qualität oder ähnlichem, das ist ja subjektiver Geschmack. Nein, es hat eine wichtige Tür geöffnet zu einer Emotion, die ich bis dahin nicht kannte. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, als ich mit 10 Jahren zum ersten mal das Animals-Album hörte. Das hat geprägt.
Die äusseren Einflüsse sind die Dinge, die Dich beschäftigen; Dinge, die eben in der Welt passieren und wie eine Erosion ständig an Dir arbeiten. Diese Dinge erzeugen Spannung und müssen nach aussen. Da ist die Musik wie ein notwendiges Ventil. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn es die Musik nicht gäbe.

ragazzi: Mögt ihr überhaupt noch festgelegt werden? Wollt ihr mit der Band überhaupt in einem Satz genannt werden?

Yogi: Das ist uns egal. Nicht die Musikhörer sondern die Industrie braucht diese Schubladen. Das hat nichts mit unserer Musik zu tun.

ragazzi: Ist das Ausarbeiten von neuen Songs eine vitale oder anstrengende Angelegenheit? Sprudeln die Ideen?

Yogi: Der Anfang ist oft schwierig, denn es gibt immer viele Themen die einen beschäftigen. Und hast du eines ausgewählt, gibt es verschiedenste Möglichkeiten an das Thema ranzugehen. Ist der Weg skizziert kommt der angenehme Teil. Da sprudelt es und das Album entsteht. Am Ende dieses Prozesses wird es noch einmal anstrengend. Die Produktion soll unterstützen, nicht begradigen oder verwässern. Insgesamt ist es natürlich schon anstrengend. "World through my Eyes" dauerte ein Jahr. Aufnahmen in Indien, England, Österreich, die Produktion als Super Audio CD, Surround Mischung, all das ging an die Substanz. Dagegen waren die 4 Monate "The RPWL Experience" eher entspannend. Wir wollten aber auch ganz bewusst wieder ein Album machen, dass die Band in den Vordergrund stellt.

ragazzi: Hadert ihr mit dem großen Katalog Rockmusik, der als Konkurrenzmasse bereits vorhanden ist? Ist es jedes Mal erneut schwer, den eigenen Stil in neuen Songs zu kreieren und zu behaupten?

Yogi: Nein, wir machen was wir machen. Das hat nach all den Veröffentlichungen natürlich eine gewisse Stilistik. Wer unsere Musik kauft weiss zwar dass er auf Überraschungen vorbereitet sein muss, aber es wird immer RPWL sein.

ragazzi: Im Zeitalter von Internet, Myspace, YouTube, Email und allgemeiner Erreichbarkeit bekommt ihr sicher von allen Seiten alle möglichen Arten von Feedback. Wie beeinflusst euch der Druck/die Erwartungshaltung der Fans, wie geht ihr damit um?

Yogi: Sie sind absolut willkommen. Das ist einer der Gründe, warum speziell RPWL so viel Spass macht. Das spiegelt sich auch in den Texten wieder! "Silenced" oder "Stranger" zum Beispiel gäbe es ohne all die Diskussionen mit Fans und Freunden aus Israel, Libanon oder anderen Teilen der Welt gar nicht. Es ist der positive Effekt der Globalisation mit dem wir es hier zu tun haben. Andere Kulturen und andere Länder werden durch aus der Anonymität gerissen und Teil der persönlichen Erfahrung. Das sollte die Basis einer modernen Welt sein.

ragazzi: „Prog“, um es kurz zu machen, ist zu einer Art Wucherung geworden. Könnt ihr das Wort noch ertragen, die Festlegung und stilistische Unbarmherzigkeit der Szene?

Yogi: Wir haben auf dem neuen Album einen Song mit dem Namen: "This is not a Prog Song". Auf der Tour war das ein Riesenspass. Es war schön zu sehen, dass der ursprüngliche "Progger" so viel Humor hat.

ragazzi: Ganz subjektiv: wie unterscheidest du/unterscheidet ihr für euch selbst gute und schlechte Musik? Gibt es gute und schlechte Musik überhaupt?

Yogi: Das ist für mich völlig subjektiv. Es gibt aber einen Unterschied ob die Musik einen tieferen Sinn hat oder einfach nur dem Entertainment wegen da ist.

ragazzi: Einerseits habt ihr einen konkreten musikalischen Stil, auf der anderen Seite kreative Ideen, die unbeeinflusst entwickelt werden wollen, um wirklich lebendig zu sein. Sehe ich das verkrampft? Ist das kein Problem? Oder ist der kreative Prozess neuer Musikfindung immer auch ein gewisser Kompromiss, um nicht aus dem Blickfeld derjenigen zu fallen, die euch und euren Stil kennen und für eure Musik lieben?

Yogi: Das war am Anfang tatsächlich ein Problem. Ich glaube speziell das zweite Album jeder Band leidet unter so einem Druck. Aber mittlerweile ist das kein Thema mehr.

ragazzi: Wo seht ihr die Zukunft der Band? Welche Ziele habt ihr? Habt ihr eine Vorstellung von der Zukunft der Rockmusik allgemein? Wie sieht die aus?

Yogi: Sowohl das Business als auch die Musik macht gerade einen Wandel durch. Ich hoffe dass den Menschen klar ist, wieviel mehr Musik sein kann, als nur pures Entertainment.

ragazzi: Arbeitet ihr als Berufsmusiker in der Band, verdient ihr eure Brötchen damit? Oder ist das eher eine persönliche kreative Sache, die euch quasi neben Job und Familie ausfüllt?

Yogi: Wir verdienen zwar mit Musik unsere Brötchen, aber mit RPWL alleine würde das selbstvertändlich nicht funktionieren.

ragazzi: Habt ihr Nebenprojekte oder Ideen dafür?

Yogi: Ja, Kalle, unser Gitarrist, hat bereits mit "Blind Ego" ein Projekt das richtig gut funktioniert. Wir werden aber alle im Laufe des Jahres unsere Soloprojekte vorantreiben. Da wird noch einiges von uns zu hören sein.

ragazzi: Um es angesprochen zu haben: das Publikum ist immer ganz neugierig zu wissen, was ihre Helden selbst so für Musik hören. Hast du/habt ihr Lust, hier ganz frei Auskunft zu geben?

Yogi: Ich für meinen Teil bin ein grosser Fan der "Residents". Themen und Musik sind so wundervoll anders! Es öffnet für neue Dinge. Kalle dagegen ist schon eine Spur härter, wie man bei "Blind Ego" deutlich hören kann. Chris als dritter Drahtzieher der Band ist dagegen eher bei den grossen Bands wie Yes oder Genesis heimisch.

ragazzi: Gewiss entspricht euer Bandleben keiner romantischen Vorstellung von einer Love-and-Peace-Kommune. Wie geht ihr miteinander um? Wie pflegt ihr den Bandkontakt?

Yogi: RPWL nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch, also ist das mit dem Kontakt immer gegenwärtig. Aber man sollte sich verstehen, wenn man Wochen auf engstem Raum verbringt! Ohne das geht es sicher nicht lange gut.

ragazzi: Wie geht das: von der Songidee des einen von euch in die Köpfe der anderen?

Yogi: Das ist schwierig. Im Kopf ist es noch ein Solo Projekt. Mit dem Transport zur Band wird es zu RPWL. Das ist nicht immer leicht. Deswegen fanden wir es so wichtig, dass wir uns auch die möglichkeit geben das Ganze ungefiltert als Soloprojekt zu realisieren. Aber diese Schwierigkeit defiert ja gerade den Sound der Band.

ragazzi: Welche Altersgruppen sprecht ihr an? Gibt es Kommunikation zwischen Fans und Band? Seid ihr da gefordert und eingebunden?

Yogi: Bei uns ist die Musik generationenübergreifend! Es ist schön zu sehen, dass Jung und Alt auf den Konzerten ihren Spass finden.

ragazzi: Fühlt ihr euch auf der Bühne als Band am wohlsten? Was passiert da so, gibt es Interaktionen zwischen euch und euch und dem Publikum? Spielt ihr Improvisationen, baut ihr die Songs live aus?

Yogi: Ja, die Versionen sind live natürlich oft anders als auf dem Album. Der Raum für Improvisationen ist genauso wichtig wie die Videos, die Inhalte verstärken und verdeutlichen. Auf jeden Fall ist ein RPWL Konzert immer etwas besonderes! Seit jeher bieten wir bei unseren Konzerten wenn möglich Quadrophonie und eine Video Show.

ragazzi: Was passiert dann nach so einem Konzert?

Yogi: Das kommt darauf an, wo du bist. Hier auf dem Rosfest dauert das schon mal 2 Stunden: Autogramme, Diskussionen... Aber dafür macht man Musik. Ein fantastisches Gefühl!

ragazzi: Was wollt ihr euren Fans schon immer sagen, worüber ihr euch wundert, dass noch niemand jemals danach gefragt hat?

Yogi: Puh, ich glaube ich wurde schon wirklich alles gefragt! :-) Aber uns macht der Kontakt zu den Fans viel Freude. Immerhin geben sie der Musik erst den eigentlichen Sinn.

ragazzi: Wenn ihr heute, ganz neu und völlig unbekannt, als Band beginnen würdet, was würdet ihr anders machen? Wie würde sich die erste Platte anhören, immer ein Aufbruchszeichen einer Band?

Yogi: Nein, ich für meinen Teil würde im Bezug auf die Band nichts anders machen.

ragazzi: Ihr habt eine neue Platte draußen, seid ihr danach in ein Loch gefallen, aus dem euch erst Konzerte wieder holen können – oder ist es eine Befreiung, endlich den Abschluss anstrengender Arbeiten erreicht zu haben?

Yogi: Das Loch kommt jetzt nach dem ersten Teil der Tour wenn wir nach Hause kommen. Es ist immer schwer sich wieder einzufinden, selbst nach nur 3 Wochen... Aber jetzt machen wir erst einmal Urlaub in Manhatten.

ragazzi: Nur mal gesponnen: im Jahr 2020 will eine Plattenfirma ein Album (im dann allgemein üblichen Format) von rpwl veröffentlichen. Was soll da rauf? Was auf keinen Fall? Und gibt es, Zauberwort, Bonusmaterial, das alte und neue Fans locken kann?

Yogi: Also die Surround Mischungen von "Stock" und "World through my Eyes" sind schon immer wieder fantastisch anzuhören. Aber ich bin natürlich auch gespannt was ich im Jahre 2020 über unsere Musik denke. Vor allem denke ich dass einige Perlen zwischen Heute und 2020 erst noch kommen werden!!

VM




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