"Um 19.30 Uhr betrat Graf Günni die Bühne"

Im ragazzi-Interview: UNHEILIG (17.12.04)

Unheilig veröffentlichen im Januar eine neue Platte. Bei "Gastspiel" handelt es sich um ein Live-Doppelalbum. Anlass für ragazzi, sich mit dem Grafen zu unterhalten: über die Stunden vor einem Auftritt, über das Rezept gegen schlechte Konzertstimmung und über Kritik von den Fans. Außerdem haben wir den Versuch unternommen, das Geheimnis um seinen Namen zu lösen...


ragazzi: "Es ist kurz vor Weihnachten, der perfekte Zeitpunkt für einen "unheiligen" Jahresrückblick. Was ist Aufregendes passiert in den vergangenen zwölf Monaten?"
Der Graf: "Ziemlich viel. Musikalisch brachte 2004 den größten Schritt nach vorn. Die Tour mit Terminal Choice lief super erfolgreich. Die Band von Chris Pohl war richtig angenehm.
Besonders gern aber erinnere ich mich an einen Auftritt vor zwei Wochen in Glauchau. Da haben wir das erste Mal als einzige Band gespielt. Es kamen 380 Leute, was richtig gut war. So, wie man es sich wünscht: Du gehst raus, der Saal ist voll und alle applaudieren, obwohl du noch gar nichts getan hast. Es war das geilste Konzert in all den Jahren!"
ragazzi: "Am 31. Januar kommt die nächste Veröffentlichung von Unheilig in die Läden. Titel: "Gastspiel". Warum macht der Graf eine Liveplatte?"
Der Graf: "Wir hatten vor der Tour gesagt, wir schneiden ab und zu die Konzerte mit. Ich bin super froh, dass wir das gemacht haben. Die CD ist für mich der optimale Abschluss des Jahres 2004."
ragazzi: "Wenn du die Setlist für einen Auftritt festlegst, nach welchen Kriterien passiert das?"
Der Graf: "Zuerst gucken wir, wie lange wir spielen können. Übrigens: Wenn ein Gig zu lang ist, dann ist das gar nicht so gut. Ein kurzes, knackiges Konzert ist immer besser als eines, das sich ewig zieht. Eine Stunde ist da richtig gut.
Die Setlist ist aber auch stimmungsabhängig. Das heißt, die Setlist kann auch mal im Verlauf einer Tour umgestellt werden. Zugaben beispielsweise stehen vorher nie fest. Die suchen wir je nach Stimmung und Zustand meiner Stimme aus."
ragazzi: "Apropos Stimme: Auf der Live-Scheibe gibt es Ansagen, bei denen du ganz schön außer Atem bist…"
Der Graf: "Ich mache manchmal den Fehler, dass ich mich während der Stücke so sehr verausgabe, dass ich eigentlich froh bin über jede Sekunde zwischen den Liedern. Aber da mache ich dann die Ansagen. Ich finde es völlig okay, wenn die Leute mitbekommen, dass ich alles gebe. Nur so kriegst du deine Energie auf das Publikum übertragen. Die Leute bezahlen viel Geld für ein Konzert und wollen auch etwas geboten bekommen dafür. Es ist mir auch ganz wichtig, dass man dieses "sich verausgaben" auf der Platte hört. Das ist ja das Besondere einer Live-CD."
ragazzi: "Was ist dein Rezept, wenn die Stimmung auf einem Konzert wider Erwarten mal nicht so toll ist?"
Der Graf: "So etwas ist mir zum Glück bisher selten passiert. Aber wenn doch, dann musst du dir einfach vorstellen, dass die Leute tierisch abgehen. Du machst einfach weiter. Oder besser: Du setzt noch einen drauf."
ragazzi: "Wie sieht deine konkrete Vorbereitung auf einen Auftritt aus?"
Der Graf: "Ab Mittag esse ich nichts mehr, sondern trinke nur noch stilles Wasser. Alkohol trinke ich überhaupt nicht.
Ansonsten gar nicht ans Konzert denken. Eine halbe Stunde vorher werde ich richtig nervös, da will und kann ich mich dann auch gar nicht mehr unterhalten. Wenn du dann aber raus gehst und Applaus bekommst, ist alles vergessen."
ragazzi: "Unheilig ist ein Ein-Mann-Projekt. Auf der Bühne stehst du aber nicht allein. Was ist dir wichtig bei der Auswahl deiner Live-Musiker?"
Der Graf: "Erst einmal die menschliche Seite, die steht bei mir sogar über der Musik. Wir müssen untereinander harmonieren. Nur so können die Auftritte entspannt ablaufen. Dann ist es natürlich auch wichtig, ob derjenige sein Instrument spielen kann. Und ob er verlässlich ist. Die Musiker bei Unheilig sind zum Teil Bekannte, zum Teil Leute, die man aus anderen Bands kennt. Unser Keyboarder zum Beispiel ist auch der Keyboarder von Neuroticfish."
ragazzi: "Der Graf ist dafür bekannt, dass er nach den Konzerten den Kontakt zu seinen Fans sucht. Hörst du da neben dem vielen Lob manchmal auch Kritisches?"
Der Graf: "Klar. So etwas wie: "Das Konzert war zu kurz" oder "Wieso habt ihr diesen oder jenen Song nicht gespielt?". Oder "Ich finde das neue Lied nicht gut." Ich habe aber überhaupt kein Problem mit Kritik.
Ich brauche die direkte Reaktion vom Publikum nach dem Konzert. Ich mache ja die Musik für die Leute und nicht für mich. Nur im Backstage rumsitzen und die Zeit mit den Nasen zu verbringen, die du schon den ganzen Tag gesehen hast, darauf hätte ich überhaupt keine Lust. Es ist die größte Bestätigung, die du als Künstler kriegen kannst, wenn sich die Leute mit dir unterhalten oder ein Autogramm wollen."
ragazzi: "Was ist deine Platte 2004?"
Der Graf: ""Augen auf" von Oomph! Die Band hat lange dafür gearbeitet und es nach 15 Jahren doch noch geschafft. Das finde ich super! Außerdem sind es richtig nette Zeitgenossen geblieben, trotz ihres großen Erfolges."
ragazzi: "Womit beschäftigst du dich neben der Musik?"
Der Graf: "Ich gucke sehr gern Fernsehen, dabei kann ich mich entspannen. Und ich sammle DVDs. Besonders alles, was ich aus meiner Kindheit kenne.
Mein Leben sieht eigentlich so aus: Ich steh morgens auf, gehe ins Studio, komme zurück, gehe mit dem Hund spazieren und lege mich dann vor den Fernseher. Oder gehe wieder ins Studio."
ragazzi: "Wo findest du die Themen für deine Texte?"
Der Graf: "Die fliegen mir eigentlich einfach so zu. Ideen können in jeder Situation kommen. Du liegst im Bett und willst grad einschlafen. Plötzlich hast du 'ne Idee, stehst auf und schreibst einen kompletten Text. Ich glaube, die Ideen finden mich."
ragazzi: "Machen wir es mal an einem Beispiel fest. Als der Text zu "Herz aus Eis" entstanden ist, bist du da einem Schneemann begegnet?"
Der Graf: "Da hat es draußen tatsächlich geschneit. Ich habe mein Studio oben auf dem Dachboden, mit zwei Riesenfenstern. Da habe ich rausgeguckt und es hat tierisch geschneit. Das sah super aus und ich hatte diesen Schneemann vor Augen. Ich dachte: Wär' doch mal cool, was über den Winter zu singen…"
ragazzi: "Es gibt ein großes Geheimnis um Unheilig. Kennt eigentlich irgendjemand außer deiner Mutter deinen wirklichen Namen?"
Der Graf: "Jede Menge Leute. Aber ich finde, jeder Mensch sollte eine gewisse Magie haben. In dem Namen Graf steckt mehr von meiner Persönlichkeit drin als die meisten glauben.
Viele denken neuerdings, dass ich mit Vornamen Günther heiße. Terminal Choice hatten mich auf der Tour natürlich auch nach meinem richtigen Namen gefragt. Den habe ich aber nicht verraten und so haben sie eine Liste mit Namen gemacht, die am besten zu mir passen könnten. Und seitdem haben sie mich Günni genannt. In einem Artikel stand dann auch "Um 19.30 Uhr betrat Graf Günni die Bühne." Das ist aber auf keinen Fall mein richtiger Name!"
ragazzi: "Letzte Frage: Was soll 2005 für dich und Unheilig bringen?"
Der Graf: "Eine persönliche und musikalische Weiterentwicklung wäre schön. Ich möchte da anschließen, wo ich 2004 aufgehört habe. Mir ist aber auch klar, dass man so ein Jahr wie 2004 nicht aus dem Stehgreif wiederholen kann.
Im Januar kommt erst mal das Live-Album raus. Mitte des Jahres wird noch etwas kommen, da kann ich aber noch nicht so viel erzählen. Nur soviel: Es gibt noch andere Medien neben der Musik... Und dann werde ich natürlich neue Songs schreiben. Ende 2005 / Anfang 2006 soll es eine neue Unheilig-Platte geben."

Stefan




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