UNHEILIG

Eigentlich ganz lieb

Hinter UNHEILIG steht ein Mann: Der Graf. Auf Bühne und CD-Cover eher eine diabolisch-düstere Erscheinung, zeigte sich das Multitalent im ragazzi-Interview als äußerst sympathischer Zeitgenosse, der nicht nur lachen, sondern auch Popcorn essend im Kino seinen Spaß haben kann. Und zu Hause wird schon mal Herbert Grönemeyer aufgelegt.






ragazzi: "2002 gab es von UNHEILIG eine Platte mit Weihnachtsliedern. Wie hast du 2003 dein Weihnachtsfest verbracht?"
Der Graf: "2002 waren wir ja auf Tour, so dass ich Weihnachten nicht so richtig genießen konnte. Aber in diesem Jahr war es wunderschön: ich habe mit der Familie ganz altbacken gefeiert, mit Geschenken und allem, was dazu gehört. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, diese Zeit zu Hause und ohne Termine zu verbringen."
ragazzi: "Zu deiner neuen Scheibe: Die heißt "Zelluloid", ein Track darauf nennt sich "Filmrolle". Es gibt einen augenscheinlichen Bezug zur Filmthematik. Warum?"
Der Graf: "Man sagt, wenn man stirbt, kann man sein Leben an sich vorüberziehen sehen. Dieses Album erzählt, was ich in den letzten Jahren erlebt habe. Es ist aufgebaut wie ein Film: Es beginnt mit dem Rattern einer Filmrolle, das am Ende der Scheibe verstummt. Das Thema Film ist sozusagen der Rahmen, in dem ich meine Geschichten erzähle."
ragazzi: "Hast du eine besondere Affinität zum Thema Film und Kino?"
Der Graf: "Ich mag Filme und Kino. Die erste Musik, die ich mir gekauft habe, war Filmmusik. John Carpenters "Fürsten der Dunkelheit". Filmmusik fasziniert mich und beeinflusst mich auch beim Schreiben der eigenen Songs. Ich bin mit der Musik von Ennio Morricone aufgewachsen und finde nichts schöner als ins Kino zu gehen, mir 'ne große Tüte Popcorn zu kaufen und mir einen guten Film anzugucken."
ragazzi: "In welchem Film warst du zuletzt?"
Der Graf: "Wie so viele in "Herr der Ringe"."
ragazzi: "Auf der neuen Scheibe finden sich einerseits wieder balladeske Stücke, andererseits erinnert sie an Bands wie Rammstein und Oomph! War das von dir so beabsichtigt?"
Der Graf: "Ich muss zugeben: Rammstein haben mich schon beeinflusst. Ich finde mittlerweile sogar, dass Rammstein einen Sound geschaffen hat, den man mit einer Stilrichtung gleichsetzen kann. Es ist für mich vollkommen okay, wenn man sich dieser Musikrichtung mal bedient - gerade wenn Schlagzeug und Gitarre im Vordergrund stehen. Bei Oomph! sieht das anders aus. Von Oomph! habe ich keine einzige Scheibe."
ragazzi: "Wer oder was hat dich neben Rammstein bei der Entstehung von "Zelluloid" inspiriert?"
Der Graf: "Von der musikalischen Seite her ist es immer noch Filmmusik. Ich habe irgendwie immer Musik im Kopf: wenn ich einen Film sehe, Menschen treffe, bestimmte Gefühle habe... Im Prinzip ist es dann nichts anderes mehr als diese Musik aus dem Kopf nachzumachen.
Um nicht so zu klingen wie schon zehn andere Bands, höre ich so gut wie nichts aus der (schwarzen) Szene. Rammstein ist da eine echte Ausnahme. Ich kenne auch nur ganz wenige Bands aus der Szene."
ragazzi: "Wenn du nichts aus der Szene hörst, was hörst du dann privat?"
Der Graf: "Jetzt werden mich sicher ganz viele hassen, aber ich finde Herbert Grönemeyer super. Der hat ein paar Lieder gemacht, wie zum Beispiel "Der Weg", die sind einfach der Hammer. Der kann wirklich Songs schreiben."
ragazzi: "Seit der Veröffentlichung deiner letzten Scheibe ist noch nicht einmal ein Jahr vergangen. Denkst du nicht, dass es zu einem "UNHEILIG-Overkill" kommen könnte, wenn bereits jetzt das nächste Album auf den Markt kommt?"
Der Graf: "Ja, das Problem ist mir bewusst. Man sagt ja, dass man auf jeden Fall ein Jahr Zeit hat bis zum nächsten Album. Das neue Album war aber schon Ende letzten Jahres fertig und ob man da jetzt noch drei Monate hätte warten sollen...? Außerdem musst du ein neues Album oder mindestens eine Single draußen haben, wenn du auf einem Festival auftreten willst. Und ich möchte in diesem Jahr auf vielen Festivals spielen."
ragazzi: "Das heißt, du hast alle Songs explizit für das neue Album geschrieben?"
Der Graf: "Definitiv. Ich habe im Mai letzten Jahres mit dem Schreiben begonnen. Und als dann zehn Songs fertig waren, hatte ich noch immer viele Ideen und so sind jetzt 16 Stücke auf der ersten, limitierten Auflage des Albums. Ein Grund, weshalb so viele Songs in relativ kurzer Zeit entstanden sind, ist, dass ich seit Anfang 2003 komplett allein arbeite. Ich muss also nicht mehr warten, bis der Gitarrist oder der Produzent soweit ist und Zeit hat."
ragazzi: "Deine Texte sind nach wie vor in Deutsch. Gibt es da manchmal die Angst, peinlich zu wirken, beispielsweise was Reime betrifft?"
Der Graf: "Ja, logisch. Aber mittlerweile denke ich darüber weniger nach.
Zugegeben, die Grenze zu Kitsch und Schlager ist manchmal fließend. Wenn man bei manchen Songs nicht die E-Gitarre im Hintergrund hätte, könnte das auch als Schlager durchgehen. Für mich ist das aber okay."
ragazzi: "Wie wichtig sind dir Spaß und Ironie in deinen Texten?"
Der Graf: "Auf "Zelluloid" sind weniger Songs mit einem Augenzwinkern drauf als auf dem "2. Gebot". Es ist alles ein bisschen ernsthafter. Trotzdem sollte man nicht alles zu ernst nehmen, wie beispielsweise das Stück "Herz aus Eis". Das ist ein reines Märchen, über das man ruhig mal schmunzeln sollte. Obwohl der Song ja eigentlich so richtig schön todtraurig ist..."
ragazzi: "Wie stehst du zu englischen Texten?"
Der Graf: "Auf "Phosphor" war die Hälfte der Songs ja noch in Englisch. Wenn du Texte nicht in deiner Muttersprache schreibst, kann es sehr peinlich werden. Und Deutsch ist nun mal meine Muttersprache, in der ich Dinge so sagen kann, wie ich es in Englisch nie könnte. UNHEILIG ist für mich ganz klar deutsch."
ragazzi: "Deine Stimme ist sehr charismatisch. Sie wirkt sehr überzeugend bei den dunkleren Parts. Wenn du in höheren Tonlagen singst, wird diese Qualität nicht ganz erreicht. Wäre da nicht eine Gastsängerin / ein Gastsänger eine Option?"
Der Graf: "Da hätte ich überhaupt keine Probleme mit. Es muss aber auch Sinn machen. Eine Frau wäre am optimalsten, zum Beispiel die Mila Mar Sängerin Anke Hachfeld. Ein Mann wäre aber auch kein Problem. Peter Heppner von Wolfsheim wäre geil."
ragazzi: ""Das 2. Gebot" hast du mal bezeichnet als "mein bisheriges Meisterwerk". Musst du das jetzt bei "Zelluloid" korrigieren?"
Der Graf: "Ja. Ich merke mittlerweile, dass man mit solchen Äußerungen vorsichtig sein sollte. In dem Moment, wo du ein Album fertig hast und du total begeistert bist, sagst du viel. Ich glaube inzwischen, dass du nach jedem Album dieses Gefühl hast."
ragazzi: "Ist der Graf eine (Kunst-)Figur oder ist das die "1:1-Übersetzung" der Person, die du auch im "richtigen" Leben bist?"
Der Graf: "Gute Frage... Ganz am Anfang war es eher eine Figur, die wenig mit dem zu tun hatte, wie ich wirklich bin. Mittlerweile hat sich nicht die Privatperson geändert, sondern der Graf, der auf der Bühne steht wird immer mehr zu dem, der ich auch wirklich bin. Am Anfang haben alle gedacht, ich bin super böse und die Leute hatten Angst, mich anzusprechen. Das hat mich genervt. Ich bin eigentlich ein sehr kontaktfreudiger Mensch. Inzwischen lache ich auch auf der Bühne, wenn mir danach ist. Das Leben ist nicht nur düster. Ich merke auch, dass die Leute das wesentlich angenehmer finden, wenn da jemand auf der Bühne eine gute Show macht, mit dem man sich danach ganz normal unterhalten kann. Und das tue ich auch. Ich gehe wirklich nach jedem Konzert zu den Fans."
ragazzi: "UNHEILIG ist im Februar mit Terminal Choice auf Tour, und zwar nicht als Supportband, sondern als Co-Headliner. Worauf können sich die Konzertbesucher freuen?"
Der Graf: "Dadurch, dass wir nicht mehr "nur" die Vorband sind, die die Leute heiß macht, haben wir natürlich eine ganz andere Verantwortung.
Wir werden eine super Show liefern. Dabei sein werden die Live-Musiker, die bereits bei der Tour mit L'ame Immortelle auf der Bühne standen. Der Fan wird mich auf jeden Fall im neuen Outfit erleben."
ragazzi: "Wann gehst du von der Bühne und sagst: "Wow, das war 'ne geniale Show"?"
Der Graf: "So richtig weiß ich das erst zwei Wochen später. Als ich beim M'ERA LUNA von der Bühne ging, konnte ich den Auftritt überhaupt nicht einschätzen. Erst wenn du die Reaktionen der Leute auf den Internetseiten liest, merkst du, ob es ihnen gefallen hat."
ragazzi: "Dir eine tolle Tour und besten Dank für das Gespräch."

Stefan





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