SUBWAY TO SALLY

"Die Scheiterhaufen in allen Facetten betrachtet"

Die sieben Potsdamer haben mit "Engelskrieger" ihr siebentes Album am Start. Und alles scheint neu zu sein. Denn die Band hat den Sprung aus dem Mittelalter in die Gegenwart vollzogen. Radikal. Keine Texte mehr über Hexenverbrennungen, keine Dudelsäcke mehr, die das musikalische Bild bisher prägten. Eine mutige Entwicklung. ragazzi sprach mit Gitarrist und Komponist Ingo Hampf.

ragazzi: "Habt ihr keinen Bock mehr auf das Mittelalter gehabt? Oder warum klingt eure neue Scheibe nur noch nach Rock und Metal?"
Ingo: "Einerseits ist es das Ergebnis einer langen Entwicklung. Andererseits haben wir uns diesmal ein halbes Jahr lang regelmäßig getroffen und nur über das zu produzierende Album geredet. Dabei ging es darum, was wir wollen und was wir nicht mehr wollen. Und das Resultat ist eben die neue Platte."
ragazzi: "Waren da alle einer Meinung?"
Ingo: "Im Großen und Ganzen war die Meinung einhellig. Natürlich gab es in Einzelpunkten verschiedene Auffassungen. Aber wird sind ja auch sieben Leute. Da gibt es immer unterschiedliche Meinungen."
ragazzi: "Worüber habt ihr konkret diskutiert?"
Ingo: "Wir haben ziemlich viel über persönliche Dinge gesprochen. Darüber, was einen bewegt, was man in der Zeitung gelesen hat und was man darüber denkt. So kamen wir zu dem Punkt, an dem wir sagten: "Hey, wenn uns so was bewegt, warum machen wir dann keine Songs darüber? Warum thematisieren wir das nicht in unserer Musik?" Früher war das anders. Da war klar, dass wir Texte übers Mittelalter und zu Fantasy-Themen machen."
ragazzi: "Gebraucht ihr jetzt eine andere Sprache beim Texten?"
Ingo: "Früher haben wir viel in Metaphern getextet. Aber es gibt eben nicht nur das arme Mädchen, das auf dem Scheiterhaufen endet. Es gibt auch konkrete Schicksale, die angesprochen werden müssen. Und das war ein neuer Ansatz."
ragazzi: "Waren eure früheren Texte realitätsfern?"
Ingo: "Könnte man sagen. Wir waren zu sehr in einer Szene, in einer Art von Musik gefangen, wo eine deutlichere Sprache nicht gepasst hätte. Aber das haben wir hinter uns gelassen. Die Hofnarren, Galgen und Scheiterhaufen haben wir auf sechs Alben in all ihren Facetten betrachtet."
ragazzi: "War das Texten und Komponieren für dieses Album dadurch schwieriger?"
Ingo: "Nee, das nicht. Der Produktionsprozess, besonders die Vorproduktion, war nur länger als sonst. Ich habe im Jahr 2002 nichts anderes gemacht. Im Januar hab ich meinen Schreibtisch aufgeräumt, hab mir zehn Schnellhefter gekauft und in jedem eine Song-Idee abgeheftet."
ragazzi: "So also bereiten Subway To Sally ein Album vor..."
Ingo: "Ja, da kommt dann alles rein. Noten, Notizen, Texte. Und am Ende des Jahres ist so'n Hefter voll."
ragazzi: "Fiel es denn schwer, die mittelalterlichen Elemente außen vor zu lassen?"
Ingo: "Nee. Wir hatten uns lange genug mit dem Mittelalter auseinandergesetzt, da brauchten wir das jetzt einfach nicht mehr. Außerdem sind noch eine Menge alter Instrumente dabei. Man hört sie nur nicht so raus, weil sie bewusst verfremdet wurden."
ragazzi: "Muss eure Geigerin, Frau Schmidt, um ihren Job fürchten?"
Ingo: "Die Geige ist ja noch dabei. Nur das nicht mehr ständig gefidelt wird. Aber wenn sie zum Einsatz kommt, dann ist es das typisch musikalische Frau-Schmidt-Bild."
ragazzi: "Eure Single ist der "Falsche Heiland". Ist das eure Abrechnung mit der Politik?"
Ingo: "Kann man so sagen. Der Witz an der Sache ist, dass der Text schon älter ist. Der entstand schon vor dem 11. September. Trotzdem reflektiert er das ganze politische Weltgeschehen seit diesem Datum."
ragazzi: "Wo wir gerade bei der Politik in der Musik sind. Was hältst du von der Kanzlersatire "Gerd-Show"?"
Ingo: "Naja, wer's braucht. Ich find das Scheiße und kann darüber auch nicht lachen."
ragazzi: "Satire als Ausdrucksform ist also nicht euer Ding?"
Ingo: "Nicht solche, das ist was für Büchsenbiertrinker."
ragazzi: "Noch 'ne blöde Frage: Wie findest du "Deutschland sucht den Superstar"?"
Ingo: "Also bei den No Angels hab ich schon "Au Backe" gesagt. Bei Bro'Sis kriegte man vom Zuhören rote Ohren. Und jetzt das. Ich weiß nicht, ob die sich wirklich alle für Superstars halten. Ich glaube eher, die kriegen dadurch einen Knacks für's Leben weg. Sangeskünste hin oder her. Die ganze Show ist Scheiße."
ragazzi: "Dann wechsle ich jetzt auch das Thema. Was erwartet eure Fans auf der Tour?"
Ingo: "Es wird visuelle Veränderungen geben. Und wir werden noch überlegen müssen, wie wir das alte Material mit dem neuen kombinieren. Auf jeden Fall haben wir ein paar Überraschungen parat."
ragazzi: "Es gibt doch bestimmt Hardcore-Fans, die eure neuen Songs Scheiße finden..."
Ingo: "Die gibt es immer. Das sind wir schon gewohnt. Da musst du als Künstler drüber stehen..."
ragazzi: "Und wenn die dann permanent "Julia und die Räuber" fordern?"
Ingo: "Dann werden wir es spielen. Wenn es angebracht ist."
ragazzi: "Vielen Dank für das Interview."

LARS




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