SCHANDMAUL

Der neue Stern am Folk-Rock-Himmel

Ihr letztes Album "Von Spitzbuben und anderen Halunken" sowie viele mitreißende Konzerte haben die Münchner Band Schandmaul über die Folk-Rock-Szene hinaus bekannt gemacht. Mit ihrer ungezügelten Spielweise, eigenständigen Kompositionen und dem neuen Album "Narrenkönig" schicken sich die zwei Damen und vier Herren nun an, den Rest der deutschen Musiklandschaft zu erobern. Am Rande des M'era-Luna-Festivals sprach ragazzi mit Anna
Kränzlein (Geige, Drehleier), Birgit Muggenthaler
(Flöten, Dudelsäcke, Schalmeien) und Thomas
Lindner (Gesang, Akustik-Gitarre, Akkordeon).
ragazzi: "Erzählt doch mal kurz die Entstehungsgeschichte Schandmauls."
Anna: "Angefangen hat alles vor vier Jahren. Damals hatte ich vom klassischen Geigespiel genug und habe zusammen mit Hubsi, unserem Bassisten, Folk-Songs gecovert. Daraus entstand die Idee, ein Projekt zu machen. Hubsi kannte schon alle jetzigen Bandmitglieder und hat sie angesprochen. Zusammen haben wir dann ein Konzert gegeben. Das hat so viel Anklang gefunden und uns so großen Spaß gemacht, dass wir dabei geblieben sind. Wir haben unsere erste CD aufgenommen und von da an ging es nur noch bergauf."
ragazzi: "Hattet ihr vorher schon zusammen musiziert?"
Thomas: "Wir kannten uns so wie die üblichen Verdächtigen. Man hatte sich schon mal gesehen, sich in der Kneipe getroffen. Richtig zusammen gespielt haben wir erst dieser Konstellation."
ragazzi: "Und wie seid ihr gerade auf Folk-Musik gekommen?"
Birgit: "Das kam durch die einzelnen Elemente, die jeder mitgebracht hat. Jeder hatte seine eigene Musikgeschichte. Thomas hatte Deutsch-Rock gemacht, Anna kam von der Klassik und ich hatte mich mit Folk und Mittelalter-Musik beschäftigt. Daraus ist der typische Schandmaul Mischmasch geworden."
ragazzi: "Eure Texte erzählen richtige kleine Geschichten aus der Zeit des Mittelalters. Wie schreibt man das aus heutiger Sicht?"
Thomas: "Wenn man die ganzen mittelalterlichen Instrumente in die Musik einbaut, dann stimmt man auch die Texte auf diese Zeit ab. Das wird von Gefühlen und Büchern, die man gelesen hat, beeinflusst. Wir haben dann so lustige Märchen geschrieben, wollten aber auch etwas Mystisches mit reinbringen. Zum Beispiel eine Geschichte von jemandem, der im Wald verschwindet und nie wieder rauskommt... Aber alles mit dem gewissen Augenzwinkern."
ragazzi: "Was muss ein typischer Schandmaul-Song haben?"
Birgit: "Ein typischer Schandmaul-Song hat einen deutschen Text, der eine Geschichte erzählt. Er hat ein Arrangement, das Raum für eine solide Basis aus Schlagzeug, E-Gitarre und Bass, sowie genügend Raum für das Zierwerk, nämlich die Melodie-Instrumente und die Lead-Stimme, lässt. Aber es ist schwierig, Schandmaul-Lieder zu charakterisieren, weil wir diese verschiedenen Elemente haben. Denn dabei kommen ganz verschiedene Songs heraus. Das ist auf der neuen CD noch deutlicher zu hören. Da sind minimalistische Balladen und fette Rocknummern drauf."
ragazzi: "Und wie entsteht so ein Song?"
Thomas: "Man macht sich Gedanken über das Grundgerüst. Bei mir ist als erstes der Text da. Dann schrammel ich die Akkorde dazu. Wenn man sich zur Probe trifft, trägt man das vor und alle machen sich Gedanken, wie sie ihr Instrument da einbauen können. Und dann wird gejamt, verschiedene Variationen ausprobiert und irgendwann ist der Titel fertig."
ragazzi: "Beschäftigt ihr euch mit dem Mittelalter?"
Birgit: "Ein bisschen schon. Aber nur am Rande."
ragazzi: "In Extremo oder Corvus Corax sehen sich ja in der Tradition der mittelalterlichen Gaukler und Spielleute. Wie seht ihr euch?"
Thomas: "Wir versuchen nicht irgendwas authentisch Mittelalterliches rüberzubringen. Oder etwas nachzuspielen. Wenn man sich das aber genau betrachtet, stehen wir oben auf der Bühne und erzählen Geschichten. Und das ist genau so, als wären wir Gaukler auf einem Markt. Aber wir haben noch nie akustische Musik auf Mittelaltermärkten gemacht."
Anna: "Das Mittelalter fasziniert eben auch uns. Man verkleidet sich, man schlüpft in andere Rollen..."
ragazzi: "... und es ist zur Zeit sehr angesagt. Habt ihr eine Erklärung dafür?"
Birgit: "Den Trend gab es schon immer. Aber über die Gründe können wir nur Mutmaßungen anstellen: Diese Zeit bietet viel Raum für Träume. Wie Anna schon sagte: Man kann in andere Rollen schlüpfen, die man im Alltag sich nicht zu erfüllen traut. Man kann sich in eine andere Welt träumen, die noch dazu einen Gegensatz zu unserer stark technisierten Welt hat. Das hat eine hohe Faszination."
Thomas: "Durch die Rollenspiele und durch den zeitlichen Abstand hat es aber auch etwas sehr Idealisiertes. Es ist nur noch schön. Und von daher auch schön, dorthin zu flüchten."
ragazzi: "Besonders beliebt ist diese Epoche in der Gothic-Szene. Nun habt ihr auf dem Wave-Gotik-Treffen, dem Zillo- und dem M'era-Luna-Festival gespielt, wo ihr umjubelt und gefeiert wurdet. Dabei passt eure positive und fröhliche Musik laut Klischee gar nicht zu dieser Szene. Welche Erfahrung habt ihr da gemacht?"
Thomas: "Dazu muss ich mal sagen, dass die - ich nenne sie mal liebevoll Fledermäuse - ganz liebe Menschen sind. Es ist ein wahnsinnig nettes Publikum, das auch total aufeinander Acht gibt. Und das Klischee, das wir auch anfangs sahen, dass die nur ganz schlimme und düstere Musik hören, stimmt gar nicht. Die wollen auch Party machen. Seit unserer ersten Begegnung bei den Herbstnächten 2001 weiß ich, dass wir dazu passen. Wir sind das Kontrastprogramm zu den bösen Jungs."
Birgit: "Uns wird immer gesagt, dass es unsere Spielfreude ist, die so viel ausmacht. Wir hüpfen auf der Bühne rum und man sieht uns an, dass wir Spaß haben. Und das begeistert sowohl die Hippie-Fraktion als auch die Fledermäuse."
ragazzi: "Gibt es das typische Schandmaul-Publikum?"
Birgit: "Das typische Schandmaul-Publikum geht von vier bis 99 Jahren. Muttis mit Babys im Arm, kleine Kinder mit ihren Opas, ein paar Heavy-Metal-Fans dazwischen, die eine oder andere Fledermaus..."
ragazzi: "Euer drittes Album erscheint Anfang Oktober. Dazu geht ihr auf Tour. Wie bereitet ihr euch darauf vor? Gibt es ein spezielles Programm?"
Thomas: "Wir machen unsere Bühnenshow wie immer. Nämlich aus dem Bauch raus. Die ist völlig improvisiert und wird erst nach ein paar Konzerten zur völligen Blüte reifen, wenn wir uns nicht mehr gegenseitig über den Haufen rennen. Natürlich proben wir vorher. Aber wir haben eben schon immer improvisiert und so soll es auch bleiben."
ragazzi: "Gab es schon mal Pannen?"
Anna: "Tausende..."
Thomas: "Wenn wir über die Bühne toben, rumpeln wir schon mal zusammen. Geigenbögen erstechen Musiker..."
Birgit: "...unser Gitarrist hat mich mal übersehen und ist frontal auf mich draufgeprallt."
ragazzi: "Dann wünsche ich eine unfallfreie Tour und bedanke mich für das Interview."

LARS




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