Interview mit Morgan Agren

ragazzi: Eure neue CD ist ein Livealbum, auf dem fast nur neue Songs zu hören sind. Spielt Ihr Eure früheren Songs nicht live?
Morgan: Nicht im Moment. Wir spielen jetzt nur neues Material, mit der Ausnahme von "Banned Again" von "The Music Or The Money". Aber wir haben unsere alten Sachen schon öfter live gespielt.
ragazzi: Auf dem Backcover sind die Namen von drei Keyboardern angegeben. Ich denke, Mats Öberg ist der führende Keyboarder, was tun die anderen beiden?
Morgan: Eric Karlsson und Robert Elofsson spielen auch eine Menge, es gibt einige Sounds, die extra Hände benötigen.
ragazzi: Die Stücke auf "Live" sind länger als alle vorigen. Machen die Improvisationen die Songs so lang? Oder sind die Stücke von vorn bis zum Ende durchkomponiert?
Morgan: Wenn wir live spielen, ziehen wir das Material in die Länge, das ist die eine Sache. Aber unser neues Material ist generell länger.
ragazzi: Die Gitarre ist kein Lead-Instrument. Warum habt ihr einen Gitarristen in der Band? Und warum nicht Fredrik Thordendal, mit dem ihr früher gearbeitet habt? Ihr beide, Mats und Morgan spielt auch auf dem Album deines Bruders Jimmy Agren mit. Und Jimmy auf Eurem. Der einfache Weg, einen Gitarristen zu haben? Jimmy ist, denke ich, ein Bluesgitarrist...
Morgan: Blues Gitarrist?! Gerade darum! Warum wir Jimmy nehmen? Weil wir mögen, wie er Gitarre spielt. Ich liebe den Kontrast, den Jimmy in unserer Band bringt, als Musiker und als Person. Sein Background sind Angus und Malcolm Young (AC/DC), Ry Cooder und Beefheart, die alle mehr bluesbasiert sind. Zappa´s Gitarrenspiel war auch bluesig, und das war gut so. Genau wie Denny Walley und Johnny Guitar Watson, die ihre raue coole bluesige Attitüde in Franks komplexe Musik brachten. Aber wenn ich über Jimmy rede: er ist ein toller Typ. Ich finde seine Alben als das absolut Beste, was es in seiner Richtung heute so gibt. Seine Musik ist ein bisschen, als würde Ry Cooder mit AC/DC spielen, sehr "Beefheartig", wenn man so will, aber er hat definitiv seine eigene Art. Abgesehen davon ist die Gitarre in Mats/Morgan weniger ein führendes Instrument als Keyboards und Drums, das stimmt.
ragazzi: Auf "Trends And Other Diseases" spielte Fredrik Thordendal eine sehr harte Gitarre. Auf allen folgenden Alben gab es diese harten Gitarren nicht mehr. Warum nicht?
Morgan: "Warum" wir Musik machen, wie wir sie machen - weil wir sie mögen, wie wir sie machen. Wenn uns eine Gitarre an einer Stelle gefällt, spielt sie dort, wenn nicht, dann nicht. Man kann die gleiche Aufnahme nicht immer wieder machen, verstehst Du? Fredrik (der ein wirklich lieber Kerl ist, ein enger Freund und ein absoluter Meister seines Fachs) hat auf "Trends and other diseases" mitgespielt, weil ich die Idee hatte, dass es gut klingen könnte. Und das tat es ja auch.
ragazzi: Die Songs auf "Live" klingen sehr nach jazzverseuchtem Progressiverock der Siebziger, mehr als auf allen früheren Alben. Wollt Ihr diese Musik machen, obwohl sie nicht modern ist? "Ta Ned Transan" klingt wie eine avantgardistische Version alter Wigwam-Stücke oder anderer Progressive Bands aus den 70ern. An einigen Stellen gibt es Funk. Eure früheren Alben waren eher avantgardistischer Natur. Ein Wechsel?
Morgan: Diese Frage ist einfach zu beantworten: Wir spielen die Musik, die wir mögen, unterschiedlicher Natur, wie auch immer das auch heißen mag, klar? Es ist mir egal, wie es heißt, ob es modern ist. Ich bin nur interessiert daran, meine eigene Musik zu machen, sonst nichts. Wir haben keine Meetings, in denen wir diskutieren, welche Musik wir machen nach dem Motto: "was wollen wir dieses Jahr machen, Leute?". Wir spielen nur, was wir wollen und nichts anderes kommt dabei raus. Jedoch was wir mögen, kann sich ändern. Ich meine, ich habe andere Dinge in meinem Kopf, als darüber nachzudenken, dass meine Musik von heute nicht auch die gestern ist. Es ist nicht leicht, Musik einzuordnen, aber mich interessiert so was nicht. Wenn ich Musik für einen Freund spiele und er nur fragt: "wie nennst Du diese Musik?" - das ist so langweilig, als würde die Musik keinen Eindruck auf ihn machen, er ist nur verwundert, wie er es nennen soll... Für mich ist Musik eine Sache, die kein Fragen, Verstehen oder Erklärungen braucht. Entweder es packt Dich, oder nicht. Und diese Bands, die unter "Progressive" fallen, sind mir nicht geheuer, ich mag sie zumeist nicht. Und "Wigwam?" Was ist "Wigwam" - hab ich noch nie gehört.
ragazzi: Abgesehen davon habt ihr einen sehr eigenständigen Sound. Es gibt eine Menge jazzige Harmonien in den Keyboard Sounds. Gesehen als ganzes - nicht gerade leichte Musik. Habt ihr eine Fan-Base? Verkauft ihr genügend Alben?
Morgan: Ja, wir haben eine Fan-Base. Nein, wir verkaufen nicht viele Alben. Das liegt hauptsächlich daran, dass wir kein dezentes Label hinter uns haben, wir müssen alles selber machen. Das ist nicht leicht und wir brauchen Hilfe... Aber ich bin mir sicher, dass es eine Menge Leute gibt, die unsere CDs lieben. Das Problem ist nur, dass man ihnen sagen muss, dass es uns überhaupt gibt!
ragazzi: Du spielt die Drums sehr hart, sehr komplex mit eigenständiger Technik. Auf "Live" klingen die Drums härter als früher. Hat sich dein Schlagzeugspiel geändert? Und welche Drummer haben Dich beeinflusst?
Morgan: Ich spiele nicht wirklich härter als früher, Du meinst wahrscheinlich, dass unser Live-Album intensiver klingt als die früheren, das mag wahr sein. Wenn wir über Drummer sprechen, sind hier meine Favoriten: Christian Vander, Narada Michael Walden, Gary Husband, Tony Williams, Bill Brufurd, Terry Bozzio, Ronald Shannon Jacksson, Elven Jones usw. Es ist allerdings schon eine Weile her, dass ich Musik nur wegen der Drums höre. Drums sind nicht so wichtig für Musik, die ich höre. Ich höre XTC oder Univers Zero, und die Drums sind nicht die Hauptsache, sondern die Kompositionen. Es gibt eine MENGE Musik, wo die Drums vor allem anderen stehen, die Kompositionen aber nicht hinterherkommen, als wären die Kompositionen nicht so wichtig...
ragazzi: In einigen Teilen, vor allem in "Guardian Pitch" klingt das Keyboard Solo zum Ende wie eine Passage der Prog Metal Band Dream Theater. Kennst Du die Band und was denkst Du über sie?
Morgan: Nun, wenn ich es freundlich sagen will: ich mag ihre Musik nicht. Ich habe nicht alles von ihnen gehört, möglicherweise zu wenig, um mir eine Meinung zu bilden, aber was ich gehört habe, hat mich echt abgetörnt. Für mich klingen sie wie eine billige Fusion Kapelle mit Anleihen aus dem 80er Heavy Metal...
ragazzi: Du spielst mit Mats schon seit Jahren. Wie ging das los?
Morgan: Es war 1981, ich war ich 14 Jahre alt, da bekam ich einen wichtigen Anruf. Eine Dame rief an, die ein Konzert organisierte in einem kleinen Dorf in der Nähe von Umea (Schweden). Sie brauchte einen Schlagzeuger. Sie hatte da diesen 10 jährigen Jungen namens Mats, blind seit Geburt, der sang und Piano spielte, aber keinen hatte, mit dem er spielen konnte! Sie sagte, dass sie mich kennen würde und ich der richtige wäre für Mats, ähnlicher musikalischer Geschmack UND gleiches Alter! Mats hatte Probleme, Leute zu finden, die so alt waren wie er und die gleiche Musik spielen wollten (verrückt, nicht?) Man muss wissen, Mats hörte Miles Davis, bevor er laufen konnte. Das gleiche mit dem Mahavishnu Orchestra und Frank Zappa usw. Ich weiß, das Mats seine Eltern zwang, ihm die neueste Earth Wind & Fire LP zu kaufen, oder er würde die Treppe emporgehen und sich hinabstürzen - da war er gerade sieben. Wie auch immer, ich legte nicht so ein Benehmen an den Tag als ich aufwuchs. Meine musikalischen Favoriten waren die meiner Freunde. Ich hörte die Buddy Rich Band, Louie Bellson Big Band, Wasa Express usw. Die Dame hatte Recht, sie sagte, wir hätten eine Menge Gemeinsamkeiten und wir wären DIE musikalischen Partner für Lichtjahre! Ich sagte ihr, dass ich Interesse hätte und ein paar Tage später trafen wir uns. Mats kam mit seinem Vater auf mich zu, er sah aus wie sieben oder jünger. Wir schüttelten die Hände und die Diskussion darüber ging los, was wir spielen wollten. Es war zwei Stunden vor der Show, so mussten wir uns auf Covers einigen. Mats fragte mich: Kennst Du Frank Zappa? Ich sagte: Ich glaube, ich kann Bobby Brown ohne jede Probe - wir hatten einen Song! Mats weiter: Wie ist es mit Stevie Wonder? Ich drauf: Ich kenne seinen Songs Master Blaster, kennst Du ihn? (Blöde Frage) Mats: Ja, ich kenne ihn.Er kannte alles. Mats weiter: Beatles? Ich: Ich kann Help! Wir waren der Annahme, nur 20 Minuten spielen zu sollen, also hatten wir genug Material. Als wir zu spielen anfingen, sah ich Mats mit Unbehagen an, ich meine, er war ZEHN Jahre alt! Aber er spielte unglaublich und sang die Lyrics in perfekter Pronouncierung. Er hörte sich an, wie die "Jackson Five" auf Crack. Am Ende war mein Vater den Tränen nahe. Mats Vater war gleichfalls begeistert und sagte Dinge wie: ihr müsst, ihr solltet, ich meine euch treffen und weiterhin zusammen spielen!? Wir haben ein Drum-Set im Keller... Seitdem verbringen wir viel Zeit und Musik miteinander. Ich könnte Geschichten erzählen, die 500 Seiten füllen würden. Mats ist einer der erstaunlichsten Musiker der Welt. Das ist er wirklich. Mein Treffen mit ihm war eines der größten Geschenke, das Wichtigste in meinem Leben.
ragazzi: Mats spielt ein sehr impulsives, technisches Keyboard. Hat er einen Job neben der Musik oder ist Musik sein ein und alles?
Morgan: Nur Musik.
ragazzi: Die gleiche Frage über Dich: Dein Schlagzeugspiel ist einer der komplexesten, einzigartigsten, das ich gehört habe. Hast Du einen Job neben der Musik?
Morgan: Danke sehr! Musik ist alles. Ich gebe zudem einmal in der Woche Schlagzeugunterricht, sonst nichts.
ragazzi: Mats hat mit GUBB ein sehr gutes Solo-Album gespielt. Hast Du auch die Intention zur Soloarbeit?
Morgan: Ich arbeite an einem Projekt, das ich "Le Batterie" nenne. Es ist ein Solo-Projekt, das aber nicht unter meinem eigenen Namen läuft. Es wird ein Album sein mit einer Menge "Drum Beats", hypnotischen intensiven Drums. Keine so sehr komponierte Arbeit, in Sicht auf Themen und Melodien, mehr Beats und Sounds. Ich arbeitete seit mehr als einem Jahr mit dem Computer, dabei kam eine Menge cooles Zeug heraus.
ragazzi: Wie komponierst Du? Arbeitet ihr in Sessions? Wie kommen Eure Ideen zueinander in einen Sound, eine Musik?
Morgan: Normalerweise benutze ich meinen alten Emax II sampler und einen alten Sequenzer. Ich programmiere ihn und anschließend gebe ich die fertigen Parts den Jungs in der Band und sie machen daraus eine viel, viel bessere Musik, als das was ich programmiert habe.
ragazzi: Eine Frage vom Zappa-Fanzine Arf-Dossier: Wie ist eure Zusammenarbeit mit Frank Zappa 1988 zustande gekommen?
Morgan: Die komplette Story mit einer Menge Details gibt es auf meiner homepage www.morganagren.com
ragazzi: Wie bist Du überhaupt zur Musik gestossen?
Morgan: Mein Vater hatte ein Band! Sie waren meine ersten Idole, sehr inspirierend für mich, während ich aufwuchs! Sie nannten sich "Rolf Lennartz" Mein erster Drum Held, abgesehen vom Drummer in der Band meines Vaters, war Buddy Rich.
ragazzi: Was inspiriert Dich, woher beziehst du deine Einflüsse und wie hat sich das über die Jahre verändert?
Morgan: hmm, große Frage... Eine Menge Dinge haben sich geändert, die Art Musik zu hören, was mich in der Musik antörnt usw. Alles hat sich verändert, aber nicht alles ist anders.
ragazzi: Welche Musik hörst Du?
Morgan: Das hat sich auch geändert. Ich komme immer wieder auf Zappa und Beefheart zurück, auch wenn ich sie eine Weile lang nicht höre. In den letzten Monaten habe ich "Apple Venus" von XTC gehört, tolles Album! "Chaosphere" von Meshuggah, alte Garbarek-Alben. Meines Bruders "Glass Finger Ghost". Tom Waits "Bone Machine". Und ein Album einer Band, die sich Back Door (Hintertür) nennt. "Heat Wave" und 1001 Centigrades" von Magma usw. Aber ich höre längst nicht mehr so viel Musik wie früher, diese Periode ist vorbei. Ich würde gern, aber unser eigenes Zeug braucht ´ne Menge Zeit."
ragazzi: Können wir euch mal in Europa live erleben?
Morgan: Ich wünsche, ihr könntet! Wir brauchen einen bösen Manager und eine Konzertagentur, kennst Du eine?
ragazzi: Eure Zukunftspläne?
Morgan: Wir werden eine 20 Jahre - Mats/Morgan Live DVD veröffentlichen! Wir hatten eine Show zum 20. Geburtstag der Band in Stockholm am 27. und 28. Februar dieses Jahr, die wurde aufgezeichnete mit Multi Cameras und einem 24 Track Digital Audio. Es waren wohl die beiden besten Gigs, die wir je hatten. Ich werde bald beginnen, das Material zu checken!! Nun, wir planen/hoffen, das es weiter gehen kann. Es kommt nicht sehr viel Geld dabei rein. Aber meine Pläne sind, immer die Musik zu spielen, die ich mag.

Und erinnert Euch immer daran, was Charles Ives sagt: wenn eure Musik "ta-ta" zum Geld macht, schlecht für Euch, schlecht für die Musik.

VM




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