MILA MAR

Auf dem Goldfisch zum Mond

Mit "Picnic On The Moon" legen Mila Mar ihr viertes Album vor. Lange ließ es auf sich warten. Wenn man aber erfährt, was der Band in der Zwischenzeit passiert ist, verwundert es schon, welch herrliche Songs unter schwierigen Bedingungen geschaffen wurden. Erst schrumpfte Mila Mar vom Quartett zum Duo. Dann wurden Sängerin Anke Hachfeld und Drummer/Keyboarder Maaf Kirchner auch noch von ihrem Produzenten geext. Anke erzählte ragazzi von den Schattenseiten des Musikgeschäfts. Ganz nebenbei klärte sich auch noch das Geheimnis ihres verschwundenem Tattoo auf dem Cover auf.



ragazzi: "Drei Jahre sind seit eurem letzten Album vergangen. Viel hat sich seitdem verändert. Erzähl doch mal ein bisschen. Wie kam es beispielsweise zum Ausstieg von Katrin und Soan?"
Anke: "Wir sind musikalisch nicht mehr übereingekommen. Es war von jeher so, dass Maaf und ich die Stücke geschrieben und entwickelt haben. Dadurch haben auch wir uns weiterentwickelt und uns mit Katrin und Soan auseinanderdividiert. Es hat dann einfach nicht mehr funktioniert. Der Kick blieb völlig aus. Das war aber eine lange Phase, bis es zum endgültigen Bruch kam. Zumal die Ausstiege der beiden zeitversetzt kamen. Bei Soan war schon Anfang 2002 klar, dass er aufhört. Er hat nur noch die Festivals mitgespielt. Und Katrin ging dann nach der Studioproduktion. Am Album hat sie aber nicht mehr mitgearbeitet."
ragazzi: "Was hat sich dadurch bei Mila Mar verändert?"
Anke: "Für Maaf und mich war klar, wie es weitergehen sollte. Wir wollten Drums, Gitarren und ein Cello. Und diesen Weg sind wir auch gegangen."
ragazzi: "Wonach habt ihr die beteiligten Gastmusiker ausgewählt?"
Anke: "Die Guano Apes sind unsere Proberaumnachbarn. Henning (Gitarrist der Guano Apes, Anm. d. Red.) war an unserer Arbeit sehr interessiert. Irgendwie erkannte er auch unsere Lage und bot seine Hilfe an. Ich habe dann B. Deutung von den Inchtabokatables angerufen und ihm Material geschickt. Der war gleich begeistert, kam zu uns ins Studio und blieb länger, als er es geplant hatte. Naja, und in der Woche danach wurden wir von unserem Produzenten vor die Tür gesetzt."
ragazzi: "Warum?"
Anke: "Der war völlig überfordert mit dem, was auf ihn zukam. Es gab viel Streit zwischen uns, da wir unterschiedlicher Auffassungen waren. Er wollte partout nicht das umsetzen, was wir uns vorstellten. B. Deutung hatte für uns wunderschöne Streicherarrangements eingespielt, die wollte der Produzent einfach nicht haben. Eines Tages hieß es dann nur noch: "Raus hier, ich hab keinen Bock mehr." Da haben Maaf und ich unsere Instrumente genommen und sind gegangen."
ragazzi: "Wie ging es dann weiter?"
Anke: "Ich habe B. Deutung angerufen und ihm alles erzählt. Er sprach darauf den entscheidenden Satz: "Das sind so geile Stücke, das müssen wir jetzt fertig machen." Er sagte "wir". Am selben Abend haben wir noch ein Studio in Berlin gefunden, in dem wir uns eineinhalb Monate eingeschlossen und unsere CD aufgenommen haben. Da haben wir dann 15 Stunden am Tag gearbeitet, um die verlorene Zeit aufzuholen. Und zu allem Übel wollte unser Ex-Produzent dann auch noch mehr Geld und drohte mit Inkassounternehmen. Das war alles richtig ätzend."
ragazzi: "Neben B. Deutung hat ja auch Moeh, der Bassist der Inchies, an einem Song mitgewirkt. Und live wird euch Herr Jeh, seines Zeichens Geiger der Inchies, begleiten. Ist Mila Mar jetzt eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Mitglieder der aufgelösten Inchtabokatables?"
Anke: "Die haben sich ja nicht aufgelöst..." (lacht)
ragazzi: "Okay, sie machen eine elfjährige Pause..."
Anke: "Das mit der ABM ist aber ein schöner Gedanke. Das werde ich denen mal erzählen."
ragazzi: "Bekommst du nicht selbst oft Angebote als Gastsängerin für andere Bands oder Projekte?"
Anke: "Ich werde oft gefragt, das stimmt. Aber viele wollen nur mit meinem Namen arbeiten. Und das muss nicht sein. Wenn mir Sachen gefallen, bin ich aber gerne bereit dazu."
ragazzi: "Der Anteil von Songs, die du in deiner Fantasiesprache singst, ist von Album zu Album zurückgegangen. Kannst du das erklären?"
Anke: "Da haben mich schon einige drauf angesprochen. Aber das Verhältnis auf "Picnic On The Moon" ist Hälfte Hälfte. Für mich ist das jedoch unwesentlich. Wenn wir an einem Song arbeiten, merke ich irgendwann, ob der eine Sprachlichkeit braucht oder nicht. Ich gehe das nach meinem Empfinden an. Das ist stimmungsabhängig. Wenn das Gefühl im Vordergrund steht, kann ich auf Sprache verzichten."
ragazzi: "Improvisiert ihr im Studio oder gibt es schon feste Ideen?"
Anke: "Da gibt es feste Ideen. Sonst würde man sich zu sehr verfransen."
ragazzi: "Beim Song "Bommerloo" fällt dieser besondere Gimmick in der Mitte auf. Welche Idee steckt dahinter?"
Anke: "Wir lieben es, wenn die Songs so eine Art Hörspielcharakter haben. Wenn Geräusche plötzlich auftauchen, mit denen man nicht gerechnet hat. Wie die genaue Idee war, weiß ich gar nicht mehr. Meistens sind das Assoziationsketten, die man hinterher nicht mehr zusammenkriegt."
ragazzi: "Euer CD-Cover ist ein echter Hingucker. Nur war ich skeptisch, ob du es wirklich auf dem Bild bist..."
Anke: "Ich bin's!"
ragazzi: "Aber warum hat man das Tattoo auf deinem Arm wegretuschiert? Das hat mich echt irritiert."
Anke: "Das ist auf dem Arm, den ich so halte, dass man das Tattoo nicht sehen kann."
ragazzi: "Aber das Tattoo ist doch auf deinem rechtem Arm. Von daher müsste man es auf dem Cover sehen..."
Anke: "Jetzt machst du mich aber verrückt. Da muss ich selber noch mal gucken. Du hast recht! Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Da hat der Grafiker das wegretuschiert. Ist ja lustig..."
ragazzi: "Hat das Motiv des Covers eine tiefere Bewandnis?"
Anke: "Die Idee dazu habe ich aus einem Bildband über Kunst im sozialistischen China. Da gibt es Motive, auf denen sitzt ein Kind, bekleidet nur von einem Latz vor dem Geschlecht, auf einem Goldfisch. Und auf so einem Fisch wollte ich auch sitzen und darauf zum Mond fliegen. Da das Motiv in Klamotten aber keinen Sinn gemacht hätte, mussten Maaf und ich uns entkleiden."
ragazzi: "Auf euren Konzerten bist du ja der Mittelpunkt Mila Mars und vor allem der Blickfang auf der Bühne. Kriegt man da auch schon mal eindeutige Sprüche von männlichen Gästen zu hören?"
Anke: "Ausziehen, ausziehen..."
ragazzi: "Das könnte sich durch die erotische Pose auf dem Cover noch verstärken, oder? Wie reagierst du darauf?"
Anke: "So etwas passiert meistens auf Festivals, wo man zusammen mit Bands wie In Extremo oder Subway To Sally spielt. Aber das sind Einzelfälle. Ich sag dann, derjenige soll mal auf die Bühne kommen und sich selber ausziehen, wenn er das braucht. Danach ist meistens Ruhe."
ragazzi: "Greift dich das persönlich an?"
Anke: "Nicht mehr. Da steh ich drüber. Ich hab nichts dagegen, wenn Männer mich erotisch finden. Nur wenn die das auf so banale Weise äußern müssen..."
ragazzi: "Ich bedanke mich für das Interview und wünsche dir für die nächste Tour, dass dir solche doofen Sprüche erspart bleiben."

LARS




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