MELOTRON


Alles hat zwei Seiten

Sie sind die einzige Popband Meck-Pomms, die es geschafft hat, über die Bundeslandgrenzen hinaus bekannt und kommerziell erfolgreich zu sein. Jetzt legt das Neubrandenburger Trio Melotron mit "Weltfrieden" das dritte Album vor. Ragazzi sprach mit Sänger Andy.
ragazzi: "Momentan steht es nicht sonderlich gut um den Weltfrieden. Was bedeutet der Albumtitel für euch selbst?"
Andy: "Der Titel ist schon Programm. Es ist unser erstes Konzeptalbum. In allen Texten spiegelt sich das Wort Welt wider. Aber es ist nicht in erster Linie auf die weltpolitische Lage bezogen, sondern es geht um unseren musikalischen Frieden. Wir wissen jetzt, im Gegensatz zu früher, was wir wollen. So langsam haben wir unseren eigenen Stil gefunden. Was bleibt uns auch weiter übrig, als besser zu werden"
ragazzi: "Der 11. September spielte keine Rolle?"
Andy: "Nee. Als allerdings feststand, dass die Platte im September erscheinen wird, fanden wir den Namen natürlich im doppelten Sinne passend. Immerhin ist der Titel sehr plakativ. Und so etwas mögen wir."
ragazzi: "Bei genauem Hinhören entpuppen sich viele eurer Texte nicht als plakativ, sondern als sehr tiefgründig und nachdenklich..."
Andy: "Die Texte sind zwar Edgars Sache, aber ich kann sagen, dass wir ihnen viel Raum lassen. Da soll nicht ein erhobener Zeigerfinger beim ersten Hören erkannt werden. Man soll schon mehrmals Hinhören, dann kann man einiges hinein interpretieren. Zum Beispiel "Glücklich". Dort haben wir ganz bewusst dieses Spiel zwischen den Meldungen aus Nachrichten und dem Satz "Schön ist die Welt" gewählt. Das Bedürfnis, dass die Leute sich Gedanken machen sollen, haben wir schon."
ragazzi: "Womit wir wieder beim Thema "Wie ist es um die Welt bestellt" wären..."
Andy: "Man kann die Welt so oder so sehen. Momentan sind die Leute viel zu pessimistisch. Wir wollen das aber nicht so sehen. Es gibt die schönen Dinge. Und das ist unser Anliegen. Leben macht Spaß. Was nicht heißt, dass man mit der rosaroten Brille durch die Gegend laufen muss. Natürlich gibt es zwei Seiten. Wie bei allem. Man muss die schönen Seiten nur suchen. Es ist nicht alles Scheiße!"
ragazzi: "Auf eurem Album sind zwei Coverversionen, die man aber nicht sofort als solche erkennt. "Brüder" beispielsweise basiert auf dem Arbeiterkampflied "Brüder zur Sonne zur Freiheit". Wie kommt man auf diese Idee?"
Andy: "Wir haben ein Faible dafür. Nachdem wir schon Karat gecovert hatten, haben wir überlegt, was man noch machen kann. Und diese Arbeiterkampflieder sind richtig geil. Die haben immer so geile Slogans. Und bei deutschen Texten ist es ganz wichtig, einen Slogan zu haben. Dadurch klingt es nicht so schnulzig. Und wir als alte Ossis und ehemalige Jungpioniere... Das war einfach Nostalgie. Nur leider nehmen viele diese Thematik zu ernst. Ein Album namens "Weltfrieden" und dann "Brüder zur Sonne zur Freiheit" drauf."
ragazzi: "Aber als PDS-Wähler wurdet ihr deshalb noch nicht eingestuft, oder?"
Andy: "Das noch nicht. Aber abgesehen davon, wenn wir am Wahlwochenende unterwegs sind und der Kopf am Morgen noch nicht frei ist, kommen wir eh nicht zum Wählen."
ragazzi: "Haltet ihr es nicht für wichtig, wählen zu gehen?"
Andy: "Wir leben in einem System, welches seine eigenen Regeln aufstellt. Es geht nun mal immer nur um Kohle. Und da ist es nach unserer Auffassung egal, wer regiert. Letztendlich kümmert sich jeder nur um seinen eigenen Arsch. Die Politiker passen sich auch nur dem System an. Deshalb weiß ich nicht, was ich am 22. September tue. Wenn die Sonne scheint und man das Bedürfnis hat, baden zu gehen, sollte man lieber das tun."
ragazzi: "Zurück zur Musik. "Lilienthals Traum" ist im Original von Reinhard Mey. Habt ihr den Song aus Lokalpatriotismus gewählt? Lilienthals Heimatstadt Anklam ist ja nicht weit weg von Neubrandenburg."
Andy: "Im Covern liegt ein besonderer Reiz. Diese Idee kam von Edgar und seiner Mutter. Die ist großer Reinhard-Mey-Fan. Wir haben das dann einfach ausprobiert und der Song passte auch gleich zu unserem Stil."
ragazzi: "Einen Song habt ihr mit Unterstützung eines Kinderchores aufgenommen. Dabei soll es nicht so ganz harmonisch zugegangen sein..."
Andy: "Kinder sind so einzigartig aber auch so unberechenbar. Besonders wenn man mit ihnen arbeiten soll. Die Chorkinder waren alle so acht, neun Jahre alt und wollten immer nur Shakira hören. Unsere Musik haben sie als Oma-Musik bezeichnet."
ragazzi: "Und wie habt ihr sie überzeugen können? Habt ihr sie mit Bonbons bestochen?"
Andy: "Nein. Auf Zucker hatten wir weitgehend verzichtet. Es gab Obst und Limo. Und irgendwann, als sie alle in der Gesangskabine waren und Kopfhörer aufhatten, kam der Spaß durch. Von da an wollten sie gar nicht mehr aufhören."
ragazzi: "Werdet ihr, als einzige überregional bekannte Band aus Meck-Pomm, von den Radiosendern des Landes gespielt?"
Andy: "Die Ostseewelle hat die Karat-Coverversion "Der blaue Planet" gespielt. Ich weiß aber nicht, ob die das vielleicht nur deshalb getan haben, weil das ein Karat-Song ist. Antenne M-V negiert uns. Da gab's auch mal einen abfälligen Kommentar über uns. Vielleicht sind wir für die zu speziell."
ragazzi: "Es gibt am Anfang eurer CD einen speziellen Gimmick. Glaubst du, dass die Leute dahinter kommen?"
Andy: "Nee. Wir werden da vielleicht auf unserer Website ein paar Gerüchte verbreiten. Aber ansonsten sollen die Leute das selbst hinkriegen. Nach einem Jahr schaffen sie es vielleicht. Dieser Gimmick ist aber auch ein kleiner Kopierschutz."
ragazzi: "Seid ihr direkt von Raubkopierern betroffen?"
Andy: "Ja. Das Geld sitzt nicht mehr so locker. Und von kleineren sowie Szene-Bands wie uns kopiert man sich dann mal schnell eine CD. Wenn man die dann gut findet, geht man aber vielleicht auch auf ein Konzert der Band oder kauft sich das nächste Album. Es gibt also wieder zwei Seiten. Nur müssen sich kleine Bands rechnen. Studio und Produktion kosten Geld und wenn das durch die CD-Verkäufe nicht wieder reinkommt, fliegen die Bands bei den Plattenfirmen raus. Zur Zeit können wir von unserer Musik leben. Aber unser Vertrag ist auf zwei Jahre befristet. Und was dann kommt, müssen wir sehen."
ragazzi: "Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit "Weltfrieden"."

LARS




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