Megaherz

Von Neidkultur und Leitkultur

"Herzwerk II" heißt die neue Scheibe der "Teutonenrocker" Megaherz, die gern in einem Atemzug mit Rammstein oder Weissglut genannt werden. Neben zwei Neuzugängen in der Band, Drummer Jürgen Schlachter (Ex-Keilerkopf) und Gitarrist Olli Pohl und einer neuen Plattenfirma, hat sich auch musikalisch einiges verändert. Sänger Alexx Wesselski sprach über Namengleichheiten, Neidkultur - und natürlich über das neue Werk der Band.
 
ragazzi: "Was ist an eurer neuen Scheibe so anders als an den Vorgängerwerken?"
Alexx: "Bewusst eigentlich gar nichts. Es gab keinen Masterplan, sondern es gibt ganz einfach zwei Punkte. Erstens: Anfang 2000 stieg ein sehr wichtiges Bandmitglied krankheitsbedingt aus. Noel war bei uns für die Elektronik zuständig, auf der Bühne der zweite Gitarrist und hat auf der "Kopfschuss" die Hälfte der Songs geschrieben. Und das ist eine ganze Menge. Er hatte uns diesen elektronischen Tatsch gegeben, der unüberhörbar war. Jetzt haben wir den Christian "x-ti" Byston, der 90 % der Songs geschrieben hat. Er ist ein Rocker der alten Schule und die Elektronik ist einfach weg beziehungsweise dahin gehend reduziert, das sie zwar als Element benutzt wird, aber nicht als tragendes. Die Platte ist rockiger, klassisch, härter, schwerer, Gitarrenrock eben. Textlich hat sich auch was getan, aber vordergründig hört man das nicht gleich. Wir haben auch einen neuen Produzenten - das ist Punkt zwei. Ralf Weigand - Dr. Ralf Weigand, ehemals Anästhesist - und der hat es geschafft, die Platte so zu machen, dass man nicht einpennt. Der hat einen sehr guten Job gemacht."
ragazzi: "Ihr habt also ganz schön viel Geld in die Platte gesteckt? Glaubt die Plattenfirma jetzt mehr an euch?"
Alexx: "Plattenfirmen glauben immer erst mal an etwas, womit sie glauben, Geld machen zu können. Da ist es erst mal wurscht, ob ich Backstreet Boys, O-Town oder Megaherz heiße. Das Budget war in Ordnung, aber nicht mehr als sonst. Früher haben wir immer noch ein paar Mark für das Überleben der Produktionsphase rausgezogen, diesmal nicht. Dafür sind wir jetzt völlig pleite."
ragazzi: "Das Vorgängerwerk verkaufte sich immerhin über 25000 mal."
Alexx: "Oh ja, wir sind bereits bei über 30 000 und wir hoffen, dass es nicht weniger wird. Wir sind ja von Zyx zur BMG gewechselt. Dort sind wir nur eine Rockband unter vielen. Und wenn wir jetzt nur 10 000 Platten verkaufen, dann haben wir verloren. Wenn die Fans sagen, das hat mir früher besser gefallen, wäre das ein fieser Rückschlag. Ich sage nicht, da hört man auf, aber das würde echt auf die Motivation schlagen. Ich würde mich sehr freuen, wenn noch ein paar Fans dazu kommen würden. Aber wir sind noch weit davon entfernt, von der Musik ein vernünftiges Leben führen zu können. Der Christian arbeitet als Produzent und hat noch eine Band, unser Basser muss nicht arbeiten, der hat Immobilien geerbt und lebt als Sohn reicher Verwandter ein hervorragendes Leben. Unser Gitarrist Olli arbeitet bei Saturn. Und ich mach nur Megaherz - definitiv! Und ich will auch nur Megaherz machen und nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Ich leb davon. Erfolg ist, wenn es stetig in kleinen Schritten vorwärts geht, aber wenn es rückwärts geht, läuft was verkehrt, dann war´s falsche Zeit, falscher Ort..."
ragazzi: "Was versteht ihr denn unter "Teutonenrock" - so steht ihr im Internet beschrieben..."
Alexx: "Der Mann, der uns unsere Website gebaut hat, der beschrieb das ganze als "Teutonenrock vom Feinsten". Damit haben wir keine Probleme gehabt. Andererseits, wenn ich an Teutonen denke, denke ich an diese aufgeblasenen Italienurlauber - insofern finde ich es eigentlich eher ironisch. Ich nehme mich nicht so ernst und kann gut damit leben."
ragazzi: "Und damit, dass es eine Art "Herzblatt"-Sendung gibt, die Megaherz heißt..."
Alexx: "Ja, im Bayrischen Rundfunk. Ich hab mal Medien-Marketing studiert, an der Bayrischen Akademie für Werbung und Marketing, da saßen Leute vom Bayrischen Rundfunk und da habe ich das mitgekriegt und hab gesagt, ich hab ne Band, die so heißt und ihr könnt uns doch mal spielen. Und die haben gesagt: "Nö!".. Klar, denn der Bayrische Rundfunk und Megaherz ist wie Feuer und Wasser. Wir sind nicht mal die einzige Band, die Megaherz heißt. In Österreich gibt's eine volkstümliche Band, die heißt auch so, aber das haben wir erst erfahren, als wir schon zwei Platten gemacht hatten..."
ragazzi: "Wie kam der Name denn zustande?"
Alexx: "Bei einem fröhlichen Umtrunk mit ein paar Freunden - im Fernsehen liefen die Wildecker Herzbuben, das war 1993, und da war Megadeath mit "Symphony of Destruction" gerade angesagt. Und da haben wir ein bisschen rumgeeiert und da kam Megaherz bei raus und da das auch noch ein technischer Begriff ist, war der Name geboren..."
ragazzi: "Und der Titel der CD - Herzwerk II..."
Alexx: "... der stammt aus einem Rilke Zitat, das lautet: "Werk des Gesichts ist getan, tue nun Herzwerk." Und dieser Spruch passt in unsere heutige Zeit. Und wir haben diese CD genauso aufgenommen, wie damals 1994 unsere Demo-CD Herzwerk..."
ragazzi: "Du bist der Texter, da kommen auch politische Themen zum Ausdruck. Wie politisch seid ihr?"
Alexx: "Wir sind politisch, weil wir eine Band sind, die auf die Bühne geht und da ist man von Haus aus politisch. Ob Rednerpult oder Bühne, wo Leute davor stehen, da ist man automatisch politisch. Ich halte aber nichts von unserer Politik, ich halte eher was von Ehrlichkeit, von Respekt, davon, dass man die einen oder anderen moralischen oder ethischen Normen gefälligst einhält und deswegen liegt der Song "Hand aufs Herz" mir auch sehr am Herzen, denn es ist bald wieder Wahl. Ich hoffe, der Stoiber wird's nicht, aber was ist die Alternative? Deshalb sollte man auf das, was aus den politischen Gegebenheiten resultieren kann, hinweisen. Wie bei dem Song "Glas und Tränen". Wir sind politisch, aber wir wollen nicht der Nachfolger von BAP sein. Ich kann aber wenigstens mal sagen, wenn mich was nervt, dass ist der Vorteil ist, wenn man in einer Band spielt, da ist die Meinung der Öffentlichkeit zugängig. Und man redet drüber - Kommunikation ist alles!"
ragazzi: "Bekommt ihr viel Feedback von den Fans?"
Alexx: "Ja absolut! Da wir ein sehr buntes Publikum haben und unser Publikum - das macht mich immer noch so glücklich - rekrutiert sich aus 15jährigen Punks, die einträchtig neben 45jährigen Familienvätern stehen oder Bikern. Der Spannungsbogen ist Kommunikation und das erwarte ich von meinen Fans. Und für diesen bunten Haufen schreibt man letztendlich die Songs. Das ist auch das Schöne am Internet, in den Foren wird diskutiert und man tauscht sich aus."
ragazzi: "Glaubst Du wirklich, dass die Leute auf die neue Platte so differenziert reagieren?"
Alexx: "Ich denke, zu den politischen Themen auf der CD könnten die Leute sagen, "Das will ich in der direkten Form nicht." Meistens bleibt man doch eher bei den allgemeinen Themen, wie "das Leben ist scheiße" oder "ich bin heute aufgestanden und war so schlecht drauf" - und jeder grölt mit und freut sich. Aber grad bei den drei politischen Songs gibt es relativ wenig Interpretationsmöglichkeiten, weil das meine Meinung und die hab ich konkret kund getan und ich will sehen, wie das ankommt."
ragazzi: "Wie sieht es mit den Vergleichen mit zum Beispiel "Rammstein" oder den "Böhsen Onkelz" aus? Mögt ihr die?"
Alexx: "Wenn man jemanden was erklären muss, was er nicht kennt, muss man vergleichen, muss man sagen "Kennst Du das? Dann kennst Du vielleicht auch das". Das hab ich bisher immer so gemacht. Und wenn ich Bands geil finde, wie z.B. "Oomph" oder "Rammstein" oder die letzte "Weissglut", wo soll das Problem mit den Vergleichen sein? Wir machen alle schwere Musik mit deutschen Texten, in den Nuancen, in der Ausführung und in der Umsetzung ist es unterschiedlich. Ich kenne keinen Neid, es gibt Dinge, die mir gefallen und andere nicht. Ich bin kein Fan der Musik der Onkelz. Bevor ich die Onkelz gehört hab, hatte ich soviel gelesen und gehört, dass man gar nicht mehr objektiv sein konnte. Aber die Onkelz sind da, Rammstein sind da und wir sind auch da - kein Problem. Und wenn die Leute dann sagen, ich finde Rammstein besser als Megaherz oder Megaherz besser als Rammstein - das sind individuelle Meinungen. Und ich werde nie einen Hehl draus machen, dass ich Rammstein geil finde. Und das sage ich, denn diese Neidkultur kotzt mich an."
ragazzi: "Echt kein Neid? Die Onkelz Tour im Sommer ist komplett ausverkauft, Rammstein sind in den USA Stars..."
Alexx: "Das ist nicht mein Ding. Es gibt zwei Worte, die mir nicht gefallen, das eine ist "Leitkultur" und das andere ist "Neidkultur". Und es ist bestimmt kein Zufall, dass die sich reimen. Ich finds wunderbar, dass die Onkelz ausverkaufte Hallen haben, und Rammstein weltweiten Erfolg haben. Denn wenn Rammstein nicht weltweiten Erfolg gehabt hätten, denn das heißt, das Stereotypen, dass Sprachbarrieren überwunden werden, dann hätten Megaherz nicht eine große Fanbase in USA, in Mexico und sonst wo. Ganz viele Fans kommen über Napster und über Rammstein zu uns und deswegen machen die aus eigener Kraft eine fette US-Website und wir finden einfach international statt und verkaufen ganz viel Merchandise - mehr als in der Heimat - in den USA. Dank Rammstein!"
ragazzi: "Erzähl was zu dem Billy Idol Song "Flesh for Fantasy". Ist das der Held eurer Jugend?"
Alexx: "Klar! Das war zu den Zeiten, wo du das erste Mal Sex hattest, wo zum ersten Mal die Angst vor Frauen dahin war, wo du dich getraut hast, sie zu küssen. Und man wär natürlich auch gern mal gewesen wie Billy Idol, der sich in die Hände spuckt und sich das ins Gesicht schmiert und alle sagen "wow" - so provokativ. Das war ne richtige Schnapsidee, den Song auf die Platte zu bringen, eine ganz klassische Schnapsidee. Die "Best of Billy Idol" kam raus und unser Produzent, der Ralf Weigand, und ich haben gesagt, "Flesh for Fantasy" ist so genial und da haben wir das gemacht. Echte Billy Idol Puristen werden uns schlagen wollen, weil wir die Nummer mit so einem Augenzwinkern aufgenommen haben. Mir hat´s einfach Spass gemacht!"



ragazzi:

"Allerletzte Frage: Was ist Dein persönlicher Lieblingssong auf eurer neuen Scheibe?"
Alexx: ""An Deinem Grab" - das ist ein unglaublich emotionaler Song, hier passen Musik und Text perfekt aufeinander, das passiert so unglaublich selten, da krieg ich selber noch ne Gänsehaut. Der gefällt mir so richtig, richtig gut! Und ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wie das live ankommt."
ragazzi: "Alexx, danke für das Gespräch!"

Silke




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