MALORY

"Und das Ende all unseres Kundschaftens wird sein, am Ausgangspunkt anzukommen und den Ort zum erstenmal zu erkennen." (T.S. Eliot).
Passender könnte man auf der offiziellen Homepage von Malory kaum empfangen werden. Die existentielle Reise-Metaphorik ist keineswegs vermessen. Nur wenige Bands gibt es, deren Musik von solch kosmischer Schwerelosigkeit ist und die derart dazu verhilft, innere Sphären (altertümlich: "Seele") zu durchreisen und zugleich auszufüllen.
Wer von den englischen Slowdive noch nichts gehört hat und mit der schwammigen Stilbezeichnung "Dreampop" (zurecht) nichts anfangen kann, dem sei der Stil auf "Not here, not now" und "Outerbeats" als spannende Mischung aus Sigur Ros, Pink Floyd und Sonic Youth vorgestellt. Wie es dazu kommt, dass junge Menschen aus Grunau - Landkreis Zittau - Songs von derart internationalem, geradezu kosmischem Format schreiben, unter anderem zu dieser scheinbaren Erstaunlichkeit habe ich Jörg (Gesang, Bass, Programming) von Malory im Folgenden befragt.

ragazzi: "Hallo Jörg. Wie geht es Dir - und der Band zurzeit?"
Jörg: "Zur Zeit stecken wir mitten in den Aufnahmen zu unserem dritten Album. Das heißt, wir haben im Moment richtig viel zu tun."
ragazzi: "Was führt(e) Euch als junge Erwachsene in einem Ort wie Grunau - wahrscheinlich ohne Subkultur - zu der Musik, die Ihr mit Malory schreibt? Ist man dort (in der Provinz vermutlich) weniger eingeschränkt, indem weniger Menschen etwas von alternativer Musik verstehen - und es allgemein nicht viel Aufregendes zu tun gibt?"
Jörg: "Wir sind zwar in der Provinz aufgewachsen, haben aber trotzdem, z.B. durch diverse Konzertbesuche in den naheliegenden Großstädten, vom Musikgeschehen in der Szene etwas mitbekommen. Aber auch Kontakte zu Mailordern und Zeitschriften haben unseren Musikgeschmack geprägt. Dort lernten wir auch die Bands kennen, die uns bzw. unsere Musik später maßgeblich beeinflussten.
Diese Einflüsse konnten wir in der Abgeschiedenheit von Grunau besser und ungezwungener verarbeiten. Es war aber auch diese bestimmte Art von Musik, die uns viel Spielraum gab. Musik dieser Art wurde und wird in unseren Gefilden eher belächelt und findet kaum Beachtung. Durch dieses Desinteresse konnten wir uns ungehindert entfalten."
ragazzi: "Was assoziierst Du mit Deinem Wohnort Berlin? Empfindest Du das Großstadtleben als anregend?"
Jörg: "Berlin ist insofern eine anregende Stadt, weil man hier zur gleichen Zeit alle möglichen kulturellen Einflüsse spüren kann und gleichzeitig anonym bleibt. Dadurch kann man die verschiedensten Begebenheiten als Zuschauer betrachten, seine Schlüsse daraus ziehen und Eindrücke für sich verarbeiten.
Kurz gesagt, Berlin kann bereichern - man muss nur die Augen öffnen."
ragazzi: "Was inspiriert Dich/Euch im Allgemeinen zu Texten und Songs?"
Jörg: "Inspiration holen wir uns beim Hören von verschiedener Musik. Für uns ist es wichtig zu erkennen, wie sich andere Künstler ausdrücken, wie sie ihre Emotionen vermitteln. Aber auch unsere Umwelt, persönliche Erlebnisse und Erfahrungen fliesen in die Musik ein und man kann diese in der Musik gut verarbeiten. Man kann die Musik als Kontrastmittel verwenden, ohne dabei alles zu offenbaren."
ragazzi: "Bleibt Euch weiterhin genug Zeit fürs Songschreiben, Proben und Aufnehmen? Wohnt Ihr weit auseinander? Geht Ihr geregelten Jobs nach?"
Jörg: "Die Zeit für Proben und Aufnahmen ist bei uns auf die Wochenenden beschränkt, da unsere Wohnorte in Dresden, Döbeln und Berlin sind. Neben der Musik gibt es für alle einen festen Job, mit dem wir auch das Musikmachen finanzieren."
ragazzi: "Hast Du/Habt Ihr vor dem Entstehungsprozess eines Songs bereits eine ungefähre Vorstellung von seiner Struktur und der Stimmung, die er vermitteln soll? Gestaltet sich das Songschreiben vielmehr als ein intuitives Improvisieren?"
Jörg: "Dies ist eine gute Frage, das Grundgerüst eines Liedes entsteht meist spontan in einer "Jam"- Session oder am Computer. Zur richtigen Ausarbeitung bzw. Gestaltung kommt es erst bei den Proben bzw. Aufnahmen oder jeder einzelne setzt sich zu Hause noch einmal hin und lässt seine Vorstellungen einfließen."
ragazzi: "Welche Eindrücke vermittelt Dir persönlich Eure Musik? Ist es Dir noch möglich, Dich in einen von dir eingespielten Song fallen zu lassen? Oder siehst Du - als an seinem Entstehen Beteiligter - ihn eher kritisch/fachmännisch (eben aus der Musiker- und Produzentenperspektive)?"
Jörg: "Wenn man, wie wir, alle Songs selbst aufnimmt und produziert, kommt man schnell an den Punkt, wo man die Lieder "überhört". Dabei geht man immer eine Gradwanderung ein. Es gibt Songs mit denen wir uns sehr stark identifizieren, die wir als Abbild oder Transparent von uns sehen. Wichtig für uns ist, dass ein Album immer eine gewisse Homogenität aufweist. Es muss wie eine Erzählung sein, man begibt sich auf eine Reise und diese Reise sollte der Zuhörer ebenfalls annehmen, um die Musik als Ganzes zu verstehen. Es ist zu vergleichen mit einem Flug, bei dem keiner weiß wo er hinführt, aber am Ende kommt jeder an das Ziel seiner Reise, wo immer sich das auch befindet.
Dies ist eine schwierige Aufgabe, wir denken aber mit unserem letzten Album Outerbeats ein Stück in diese Richtung gegangen zu sein."
ragazzi: "Wie sind die Reaktionen auf Euch in Amerika? Findet Ihr dort ein angemessenes Publikum für Eure Musik? Meiner Meinung nach klingt sie ja im positivsten Sinne undeutsch."
Jörg: "Mit Clairecords haben wir ein Label gefunden, dass sehr viel Promotion für uns leistet. Die Kritiken, die wir aus den USA bekommen, sind überwiegend positiv. Jede Band braucht Kritiken. Ohne diese, meist offenherzigen Kritiken und Bekanntschaften aus Amerika hätten wir so manche Komplikation in der Band nicht bewältigt. Dies haben wir auch bei unserer Tour in Amerika erlebt und genossen.
Leider ist dies in Deutschland nicht so ausgeprägt."
ragazzi: "In "Space in your mind" heißt es: "look at him he is the king among the giants - whatever comes he never changes the turn around the sun - whatever will come about he always finds a way - into the space of your mind" Was hat es mit dem ‚König unter den Riesen' auf sich?"
Jörg: "Der Text zu "Space in your mind" ist in einer Zeit entstanden, in der ich,wie wahrscheinlich jeder andere auch, angefangen habe, mich intensiver mit meinem Dasein, meiner Umwelt und den großen und kleinen Dingen des Lebens zu beschäftigen. Eigentlich meint "the king among the giants" eher eine Bezugsperson oder ein Gegenstand, der sich im Hintergrund hält aber ständig anwesend ist und einen Menschen in seinem Leben leitet und dessen Denken beeinflusst. Bei mir war und ist es eben der größte Himmelskörper unseres Sonnensystems, da er genau diese Bedingungen erfüllt."
ragazzi: "Welche Bedeutung hat das Wort, die Sprache, in Eurer Musik?"
Jörg: "Wir betrachten die Sprache, das Wort bzw. den Gesang immer als Instrument, welches ebenbürtig zum Rest der Musik ist und seine Botschaft nicht unbedingt immer preisgeben muss. Die Sprache ist wichtig um die Musik fühlen zu können, sie organisch zu machen."
ragazzi: "Könntest Du in groben Zügen schildern, wie Euer 3. Album klingen wird - und was hat sich im Vergleich zu den bisherigen Alben verändert hat?"
Jörg: "Die Songs, die wir zur Zeit für das neue Album ausgewählt haben, sind im Vergleich zu den vorherigen kürzer arrangiert. Haben wir bei "Not here - not now" und "Outerbeats" fast ausschließlich Gitarren verwendet, werden wir jetzt verstärkt synthetische Sounds einfließen lassen. Akustische Songs werden auf diesem Album eher eine Minderheit darstellen. Elektronische Elemente sind einfach Stand der Dinge und es besteht kein Grund, sich diesen Möglichkeiten zu verschließen. Wir möchten uns mehr aus dem Schatten "Dreampop" heraus lösen, möchten ein breiteres Publikum ansprechen als bisher. In wieweit uns das gelingt, werden wir am Ende sehen."

Benjamin




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