Johannes Luley


            



Volkmar Mantei: Zuerst erzähle bitte etwas über Deinen musikalischen Werdegang. Und wie kam es, dass Dein Weg Dich ‚über den großen Teich' führte und Du in den USA lebst?

Johannes Luley: Ich habe als Studiomusiker in Deutschland in den 80ern angefangen. Damals habe ich viel im Frankfurter Raum gearbeitet, unter anderem mit Ina Deter und Moody Blues Sänger Justin Hayward. Des weiteren habe ich seit meinen Teenager Zeit in Bands gespielt. Schon damals wollte ich in die Staaten da wir Deutschen ja musikalisch gesehen uns sowieso immer daran orientierten was in den USA angesagt war. '93 bin ich dann letztendlich nach Kalifornien ausgewandert. Lustiger Weise hatten aber die Britischen Bands der 70er letztendlich einen viel größeren Einfluß auf meinen Musikgeschmack. Das liegt wohl hauptsächlich daran, das ich schon viel von jener Musik gehört hatte bevor ich überhaupt anfing Gitarre zu spielen. Sowas vergißt man eben nicht, so wie eine erste Liebe.

VM: Hattest Du eine Band vor Moth Vellum? Wie kam es zur Gründung der Band? Und warum war es so schnell damit wieder vorbei? Ist Moth Vellum endgültig Vergangenheit? Bist Du noch in Kontakt zu Deinen damaligen Mitstreitern - und was machen diese heute?

JL: Ich bin wie gesagt seit früher Teenagerzeit in Bands gewesen. Ich habe musikalisch so ziemlich alles mal gemacht. Pop, Rock, Hard Rock, Grunge, Trip-Hop und auch viel Jazz. Meine derzeitige Band hier in L.A. ist eine Prog Rock Band von der ihr bald auch etwas zu hören bekommen werdet. Moth Vellum habe ich mit einem damaligen Kunden, Tom Lynham, gegründet. Er war zu der Zeit mit seiner Band bei mir im Studio (hauptberuflich bin ich seit 1997 Toningeneur und Produzent) und wir merkten, daß wir musikalisch auf einer sehr ähnlichen Wellenlänge lagen. Tom ist eigentlich Schlagzeuger, und zwar ein ausgezeichneter. Da wir damals aber keinen guten Keyboard Spieler finden konnten, und Tom auch auf den Tasten zu Hause war, spielte er in Moth Vellum letztendlich die Keyboards. Wenn sich die Möglichkeit ergibt würde ich gerne nochmal eine Platte mit ihm am Schlagzeug aufnehmen. Moth Vellum hatte sich aufgelöst weil Tom nach Oregon gezogen ist um eine Familie zu gründen, und unser Schlagzeuger Matt schwere Rückenprobleme hatte und somit nicht mehr trommeln durfte. Er spielt mittlerweile glaube ich wieder, aber wir stehen nicht mehr in Kontakt. Der Sänger Ryan hat sich vom Musikerdasein zurückgezogen. Er ist aber nach wie vor ein enger Freund.

VM: Hast Du weitere Alben neben Moth Vellum und Deinem Solowerk veröffentlicht? Wenn nicht, kannst Du davon gewiss nicht leben. Als Multiinstrumentalist mit - durchaus großartigen - Fähigkeiten ist Musik indes wohl kaum nur ein Hobby?!?

JL: Die Frage hatte ich wohl schon geahnt, weil ich sie fast schon beantwortet habe. Nein, Musik mache ich schon mein Leben lang vollberuflich. In meiner Funktion als Musiker, Produzent und Ingenieur habe ich um die 100 Platten veröffentlicht. Meine volle Discographie kann man auf meiner Producer Seite "mysonictemple.com" bewundern. Vor Moth Vellum hatte ich eine Trip-Hop Band namens Hopscotch. Wir hatten ebenfalls nur ein Album ("Cinema") veröffentlicht. Eine CD auf die ich übrigens auch 10 Jahre später noch stolz bin.

VM: My Sonic Temple - Dein Studio (auch) als Aufnahmestudio für andere Interpreten?

JL: Ja, ich arbeite mit vielen verschiedenen Künstlern in allen möglichen Musikstilarten. Das Jahr 2013 ist aber voll und ganz meiner eigenen Karriere als Musiker und Komponist gewidmet. Das Produzieren geht mir im Moment etwas auf den Wecker und ich möchte mich wieder mehr als Musiker profilieren. Das soll sich sobald auch nicht ändern. Das Studio wird aber natürlich weiterlaufen.

VM: Von Symphonic Rock zu Symphonic World, wenn der Begriff gestattet ist. Wie hast Du "Tales From Sheepfather's Grove" entwickelt - inhaltlich und kompositorisch? Ist es tatsächlich ein vollständiges Solowerk? Erzähl bitte etwas über den Entstehungsprozess des Albums: Story, Komposition, Einspielung, Songentwicklung, etc.

JL: Ich selbst denke nicht in diesen Kategorien und finde sie ehrlich gesagt auch nicht sehr hilfreich. Das lenkt meistens ja nur von der Musik ab. "Symphonic Prog" als Oberbegriff kann ich aber akzeptieren, da meine Arrangements oft sehr orchestral und großräumig sind. "Tales From Sheepfather's Grove" entstand aus dem zeitweise verzweifelten Versuch meine alte Band Moth Vellum am Leben erhalten zu wollen. Als ich einsehen musste, dass dies scheitern würde, beschloss ich kurzer Hand den Mut zu fassen, eine Platte im Alleingang zu machen. Ich wollte die vielen Moth Vellum Fans weltweit einfach nicht länger warten lassen. Außerdem hatten sich bei mir etliche musikalische Skizzen angesammelt, die ich umsetzen wollte. Nun sage ich "Mut fassen" weil ich nie zuvor den Leadgesang übernommen hatte. Das war dann im Endeffekt auch die größte Herausforderung für mich mit diesem Projekt. Ich habe während der Aufnahmen viel gelernt in Punkto Gesang und es ist eine Erfahrung die ich nicht missen möchte. Ich hatte natürlich - um Deine Frage zu beantworten - etwas Hilfe. Sianna Lyons ist eine begabte Kehlensängerin. Sie hat die Chants übernommen, meine Frau Robin hat ein paar Background Passagen eingesungen und dann ist da noch ein Duett mit Kristina Sattler. Zudem hatte ich Stephanie Bennett engagiert, eine Harfistin, die unter anderem auch mit Paul McCartney und Beck zusammengearbeitet hat. Alle anderen Instrumente habe ich selber gespielt, einschließlich einiger hoher Gesangsparts, die leicht mit einer Frauenstimme verwechselt werden können. Das ist natürlich im Falsetto gesungen.

Zum Entstehungsprozess kann ich sagen, das ich am Anfang eben ein paar Ideen herumliegen hatte. Zwei der Songs ("Stab the Sea" und "Give and Take") hatte ich Moth Vellum vorgeschlagen. Es gibt davon auch eine unvollendete (nicht zu veröffentlichende) Version, die Moth Vellum eingespielt hatte. Aufgenommen habe ich die gesamte CD hier in meinem Studio in Los Angeles. Die Stücke sind wie Gemälde für mich. Oft schaue ich mir ein Lied an und überlege, was kommt jetzt als nächstes dran? Ich wusste von vornherein, dass "Tales From Sheepfather's Grove" nicht sehr rockig werden würde, weil Schlagzeug von Anfang an nicht geplant war. Außerdem wollte ich mich auf akustische Instrumente konzentrieren, einfach, weil ich das so noch nie gemacht hatte. Thematisch oder textlich gesehen geht es darum, einen höheren Zweck in uns selbst zu suchen und zu finden. Der Mensch als Erschaffer durch sein Schaffen. Das Thema hat mich schon immer fasziniert.

VM: Besitzt Du die exotischen Instrumente selbst?

JL: Ja.

VM: Wie bist Du darauf gekommen, sie zu nutzen?

JL: Ich habe alle Instrumente benutzt, die mein Studio zur Verfügung hatte, vorausgesetzt sie passten ins Klangbild.

VM: Gewiss hat es lange gedauert, bis Dein Entschluss, die Idee für das Album umzusetzen, zum fertigen Produkt führte?

JL: 3 Jahre.

VM: Was ging Dir dabei so durch den Kopf?

JL: Wow, da könnte ich jetzt aber ein ganzes Buch schreiben.

VM: Hat das Album sich im Laufe seiner Entwicklung verändert?

JL: Schon, aber dem übergreifenden Leitfaden bin ich durch die Produktion hindurch treu geblieben.

VM: Und liegt zwischen der ursprünglichen Idee und dem fertigen Album eine reifende (stilistische) Spanne?

JL: Auf jeden Fall. Wie gesagt, besonders gesanglich.

VM: Hattest Du zwischendurch das Gefühl, das Album könne im Sande verlaufen?

JL: Zum Glück nie.

VM: Kam Unterstützung von außen, Anregung, oder wurde Deine Arbeit daran ignoriert?

JL: Meine Familie hat mich sehr unterstützt. Insbesondere meine Frau Robin.

VM: Wie bist Du während der Entstehung kommunikativ damit umgegangen? Hast Du anderen davon erzählt oder war es ein Geheimnis?

JL: Nein, es war kein Geheimnis. Ich habe mich aber der Fangemeinde gegenüber still verhalten, weil es nicht gut ist, Erwartungen zu schaffen, denen man am Ende nicht gerecht werden kann. Die waren ja bekanntlich im Anschluss an die Moth Vellum Veröffentlichung sehr groß.

VM: Dein Soloalbum kommt ganz ohne Schlagzeug aus, hat dafür vielfache (Hand-)Perkussion. Für Progressive Rock ungewöhnlich. War die Entscheidung dafür ein schwerer Prozess? Und wie kam es dazu?

JL: Das war ein ganz einfacher Entschluss. Das Schlagzeug ist nun mal ein Instrument, das ich wahrlich nicht beherrsche. Davon habe ich lieber die Finger gelassen. Da ich wirklich zum Großteil alles selber spielen wollte, mussten eben die Bongos ran. Die meisten Perkussionsinstrumente hatte ich schon im Studio über die Jahre angesammelt, und die, die mir gefehlt haben, habe ich mir in lokalen Music Shops zusammen gekauft. Dort habe ich auch die Cuatro erstanden (eine Puertoricanische Mandoline) die auf fast jedem Lied zu hören ist.

VM: Gab es Vorbilder für Dich, Inspiration anderer Komponisten/Musiker, die Dir halfen, Dein Album zu diesem Ergebnis zu bringen?

JL: Ja, natürlich. Witzigerweise war ich nie ein großer Fan von Oldfield und Enya. Ha Ha! Den Vergleich habe ich jetzt schon des Öfteren mal gehört. Es ist verständlich, dass Hörer Musik in Schubladen stecken, oder mit den Klängen anderer Künstler vergleichen wollen. Das hilft eben manchmal einfach, wenn man erklären möchte um was es sich handelt. Grundsätzlich finde ich diese Praxis aber wenig hilfreich, da sie eher einschränkende Effekte hat. Wie jeder Künstler bin auch ich von meinen Einflüssen geprägt. Der eine Hörer hört diesen Einfluss, der nächste jenen. Was dabei manchmal auf der Strecke bleibt, ist die Musik. Viele Prog Rock Besprechungen (und nicht nur die von meiner CD) versteifen sich meiner Meinung nach viel zu sehr auf die Einflüsse und vergessen dabei die Musik zu besprechen. Und auf die Gefahr hin, dass ich jetzt etwas defensiv klinge, viele Kritiker vergessen scheinbar, das unsere Götter der Supergroup Zeiten auch ihre Vorbilder hatten, und von denen zeitweise auch schamlos kopiert haben. Was man ihnen natürlich zugestehen muss, ist, dass zuvor niemand Sibelius und Shostakovich mit derartigen Lautstärken gespielt hatte. Niemand hatte zuvor gewagt, die seichten Klänge von Jimmy Bryant und Chet Atkins in die Arena zu bringen, und dazu noch verzerrt.

VM: Insgesamt ist "Tales" ein sehr lyrisches, sanftes Werk, trotz der großen wuchtigen Perkussionsflächen. Ist genau das Ausdruck der Musik, für die Du stehst - oder brauchte die Story dies und Du wirst für etwaige zukünftige Projekte andere Wege gehen?

JL: Danke, ich nehme das mal als Kompliment an. Wenn Du Dir Hopscotch, Moth Vellum und "Tales From Sheepfather's Grove" anhörst, wirst Du einen roten Faden sehen (hören) der alle drei meiner neuzeitlichen Alben verbindet, trotz stilistisch teilweise drastischer Unterschiede. Ich habe eine Affinität zum Sanften und Romantischen, bin aber tief im Innern auch ein Rocker. Das wird meine neue Band sehr bald bestätigen. Auch dort wird der rote Faden weiter geführt werden. Was mich immer leitet, ist ein starker Wille keine Kompromisse einzugehen, schon gar keine kommerziellen. Man muss sich treu bleiben, wenn man in diesem harten Musikgeschäft überleben will.

VM: Der Musical-Charakter einiger Passagen könnte von geübten Kennern der Progressive Rock Szene, und in dieser Szene wird Dein Album wohl zuerst in breiterem Umfang bekanntwerden, mit Befremden aufgenommen werden, weil als zu leicht, kindlich lustig und szenefremd wahrgenommen. Tangiert Dich generell das Befinden des Publikums oder lässt Du (neutrale/falsch verstandene/negative) Reaktionen nicht an Dich heran?

 

JL: Ja, natürlich tangiert es mich wie drei Jahre meines kreativen Ausdrucks empfangen und interpretiert werden. Ich schätze meine Fans über alles, weil ohne sie gar nichts ginge. Ich weiß aber auch, dass ich es nicht jedem Recht machen kann und bin einfach nur sehr froh, dass die Platte scheinbar recht vielen Leuten sehr gut gefällt. Ein Prog-Metal Fan wird höchstwahrscheinlich an meinem Album keinen Gefallen finden. Der würde aber wahrscheinlich auch sagen, dass Moth Vellum ihm zu seicht sei. Ich komme eben mehr aus der klassischen Prog Schule, bevor man Gitarren aufs tiefe C gestimmt, und den Gain am Amp bis 11 aufgerissen hat. Leute, die mit der gleichen Musik aufgewachsen sind wie ich werden bestimmt mit "Tales From Sheepfather's Grove" ihre Freude haben.

VM: Bist Du mit dem Ergebnis zufrieden? Musstest Du Ideen fallen lassen, die nicht ins Konzept passten?

JL: Ja zum Ergebnis, nein zu den fallen gelassenen Ideen.

VM: Wie wird Dein Album von Presse/Publikum aufgenommen?

JL: Bisher habe ich nur positive Kritiken erhalten und ich hoffe natürlich das es auch so bleibt. : )

VM: Du hast gewiss einige Ideen, die im Laufe der letzten Jahre nach Moth Vellum und vor "Tales From Sheepfather's Grove" gekommen sind, fallen gelassen. Oder anders verwendet?

JL: Ideen die ich nicht benutzt habe werden potentiell auf meiner nächsten Solo Platte auftauchen, und die kommt bestimmt.

VM: Gibt es schon Zukunftspläne?

JL: Ja, ich habe gerade vor einer Woche mit den Aufnahmen zu meiner 2ten Soloscheibe begonnen. Auf der wird es dann auch Schlagzeug geben und sie wird stilistisch anders sein als "Tales From Sheepfather's Grove". Mehr kann ich im Moment aber noch nicht verraten.

VM: Was möchtest Du über "Tales" unbedingt sagen, wonach Du nicht gefragt worden bist?

JL: Danke Volkmar, das ist eine sehr gute Frage zum Abschluss. Das hattest Du zwar schon angeschnitten: Vielleicht, dass ich sehr stolz darauf bin das diese Platte am nähesten und kompromisslosesten an meine derzeitige musikalische Vision heran kommt. Das war zwar schon immer ein Leitfaden, ist mir aber hier, wenn ich das mal so sagen darf, besonders gut gelungen. "Tales From Sheepfather's Grove" verbindet viele verschiedene Etappen meines Musikerdaseins in einer 45-minütigen Reise. Es ist, als ob der Kreis geschlossen wurde der damit begann, dass ich mich (wie im CD Booklet beschrieben) als 11-Jähriger unter den riesigen Kopfhörern meines Vaters versteckte und stundenlang Prog Rock in mich herein saugte. Jetzt sind wir wieder bei der oben genannten ersten Liebe angelangt. Und so entsteht eben leidenschaftliche Musik. : )

Ich möchte mich ganz herzlich bei Dir bedanken für die Gelegenheit, meinen Fans und den Ragazzi Lesern etwas Einblick in den Entstehungsprozess zu geben. Für diejenigen, die gerne mehr von mir hören möchten: alle zukünftigen Neuveröffentlichungen werde ich auf johannesluley.com und auch auf Facebook.com/johannesluley ankündigen. Rock on! - Johannes

VM




Zurück