Wie schreibt man Apoptygma Berzerk?

ragazzi im Gespräch mit In Strict Confidence

Es ist abends halb neun in Dresden. Die Tür zum "Bunker" öffnet sich und mir gegenüber stehen Dennis Ostermann und Jörg Schelte aka In Strict Confidence, die heute hier auf der Bühne stehen werden. Neben den beiden gehört auch Stefan Vesper wieder zur festen Besetzung - nach zehn Jahren Abstinenz. Er braucht allerdings noch ein wenig Entspannung vor dem Konzert und so mache ich es mir mit Dennis und Jörg in den leicht angeschlagen wirkenden Sofas bequem. Leicht angeschlagen wirken auch die Beiden nach einer langen Partynacht. Auf ihre Plauderlaune haben sich die Feierlichkeiten aber zum Glück nicht ausgewirkt...
ragazzi: "Der erste Teil der Tour ist vorbei. Wie ist euer Eindruck bisher?"
Dennis: "Wir sind sehr zufrieden. Die Konzerte sind gut besucht, die Leute gut drauf. Bisheriges Highlight war Berlin, wo die Stimmung unglaublich war."
ragazzi: "Was fasziniert euch am Livespielen?"
Dennis: "Die Leute, die deine Musik hören, zu treffen und ihr Feedback zu spüren."
ragazzi: "Electro-Bands werden häufig langweilige Auftritte nachgesagt. Was tut ihr dagegen?"
Dennis: "Bei uns stehen fünf Leute auf der Bühne. Wir versuchen, den Leuten ein Rock 'n' Roll Feeling zu vermitteln. Ich find's auch nicht toll, wenn sich da zwei Menschen auf der Bühne hinter ihren Keyboards verstecken und die Musik auch noch vom DAT-Rekorder kommt. Da kann man gleich zu Haus bleiben und 'ne CD hören."
ragazzi: "Wie wichtig sind euch visuelle Elemente?"
Jörg: "Wir arbeiten nicht mit Videos etc. Zum einen, weil es gerade sehr trendy ist und es sehr viele tun. Zum anderen würden wir mit unseren Mitteln die Qualität von Bands wie Apoptygma nicht erreichen. Da lassen wir lieber ganz die Finger davon."
ragazzi: "Ihr seid auch im Ausland unterwegs. Ihr wart u.a. in Amerika und zuletzt im Juni in London. Seht ihr Unterschiede zu Konzerten daheim?"
Jörg: "Jörg: Ja, die gibt's schon. Das hängt mit der Mentalität zusammen. Ich erinnere mich sehr gern an unser Konzert in Barcelona. Da herrschte einfach eine phänomenale Atmosphäre."
Dennis: "Oder in Mexico. Da sind die Leute viel impulsiver, auch ein wenig aggressiver. Hier in Deutschland sind sie eher zurückhaltend."
ragazzi: "Auf dem ersten Teil der Tour haben euch Scarecrow aus Leipzig supportet, jetzt spielen die Schweizer Kartagon im Vorprogramm. Nach welchen Kriterien wählt ihr den "spezial guest" aus?"
Jörg: "Heute gibt es ausnahmsweise ein doppeltes Vorprogramm. Scarecrow sind noch mal dabei. Es ist sozusagen ihr Nachhol-Gig für das ausgefallene Kölner Konzert."
Dennis: "Wir entscheiden uns für die Bands nach ganz pragmatischen Kriterien. Zum einen muss sich die Support-Band an den Tourkosten beteiligen. Zum anderen haben wir auf der aktuellen Tour eigentlich nur noch zwei Plätze im Bus frei, was die Auswahlmöglichkeiten von vornherein einschränkt. Da Scarecrow vier Leute sind, müssen sie mit eigenem Bus hinterherfahren."
ragazzi: "Lasst uns einen kurzen Blick zurückwerfen. Ihr habt 1989 als Quartett unter dem Namen Seal of Secrecy begonnen. War die Musik damals eine andere?"
Dennis: "Sie war nicht so weit entfernt von dem, was wir heute machen. Damals ging es darum, unseren Stil zu finden, sich auch ein wenig auszuprobieren."
ragazzi: "1992 erblickte In Strict Confidence das Licht der Welt. Warum der neue Name?"
Dennis: "Wir haben in jenem Jahr einen Schnitt gemacht. Wir waren nur noch zu zweit und wollten das auch nach außen zeigen. Heute würden wir mit Sicherheit einen kürzeren Namen wählen, der sich leichter merken lässt."
Jörg: "Wobei Apoptygma Berzerk ja auch nicht wirklich leicht zu sprechen und zu schreiben ist. Und die haben trotzdem einen Riesenerfolg."
Dennis: "Stimmt. Ich glaub, ich kann das bis heute noch nicht schreiben. Jetzt würden wir unseren Namen natürlich nicht mehr ändern, zumal ISC ja Vielen ein Begriff ist."
ragazzi: "ISC und die Plattenlabels - das ist eine ganz eigene Geschichte. Könnt ihr sie unseren Lesern kurz mal erzählen?"
Dennis: "Alles begann ja bei Zoth Ommog, wo ich damals auch noch gearbeitet habe. Wir mussten uns von diesem Label trennen, weil es einfach seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Wir haben richtig große Verluste gemacht. Dazu kamen persönliche Dinge, die mit meinem Job dort zu tun hatten."
Jörg: "Auch mit Bloodline hatten wir kein gutes Händchen. Obwohl hier die Trennung weniger drastisch und emotional ausgefallen ist."
Dennis: "Ja, und so haben wir die Sache jetzt in die eigenen Hände genommen unter dem Namen minuswelt. Hat übrigens nichts mit unserer Booking-Agentur pluswelt zu tun. Die Ähnlichkeiten im Namen sind reiner Zufall."
ragazzi: "Eure aktuelle Veröffentlichung "Mistrust the Angel" fällt unter anderem auf durch den besonderen "Hidden Track". Wie kam es dazu?"
Dennis: "Das war meine Idee. Wir versuchen eigentlich immer, nicht bloß eine "normale" Platte zu machen, sondern irgendetwas Besonderes anzubieten. Das kann das Artwork betreffen oder eben besondere Tracks wie "Les Miroirs", den wir bewusst als Titel 00 aufgeführt haben. Es ist eine Spielerei und wer den Track findet, wird merken, dass es auch musikalisch ein Experiment ist. Die technische Realisierung war übrigens nicht einfach. Mit einem normalen Brenner funktioniert das nicht. Wer's nicht glaubt, kann's ja mal probieren..."
ragazzi: "Auf "Mistrust the Angels" fallen die vielen weiblichen Stimmen auf. Haben sie mit dem Thema der Platte, Engel, zu tun?"
Dennis: "Nein, wir hatten auch schon auf dem letzten Album weibliche Vocals. Aber du hast Recht, sie liegen jetzt mehr im Vordergrund. Einen Song mit ausschließlich weiblichem Gesang wie "Au Milieu Des Anges" gab's vorher noch nicht. Das war nicht geplant, hat sich einfach ergeben."
ragazzi: "Da könnte man ja fast überlegen, eine Sängerin wie Nadine Stelzer in die Band zu integrieren. Speziell für die Live-Auftritte wäre das doch nicht schlecht..."
Jörg: "Die Überlegung gab's wirklich schon. Allerdings ist das mit der terminlichen Koordination schwierig. Aber in ihrer Heimatstadt Berlin stand Nadine tatsächlich mit auf der Bühne."
Dennis: "Ansonsten versuche ich mich irgendwie an den weiblichen Gesangsparts. "Au Milieu Des Anges" lassen wir allerdings live ganz weg. Einen solchen Titel kriegt einfach nur ne Frau wie Nadine hin..."
ragazzi: "Obligatorische letzte Frage: Was plant ihr für die Zukunft?"
Jörg: "Wir arbeiten bereits intensiv an der nächsten Scheibe."
Dennis: "Und dann gibt's ja bald noch eine Single aus "Mistrust the Angels", über die unsere Fans auf unserer Website www.instrictconfidence.de entscheiden können. Übrigens stimmen die Vorstellungen der Fans bisher absolut mit unseren überein."
ragazzi: "Ich danke euch für das Gespräch und wünsch' euch einen tollen Auftritt hier in Dresden."

Stefan




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