Prodigy mit anderen Mitteln

The Inchtabokatables sind "Mitten im Krieg". Und auf Tournee

B.Broiler heißt wieder Robert Beckmann und auch sonst ist alles anders bei der Band mit dem unaussprechlichen Namen. Ihr neues Album "Mitten im Krieg" ist ein Befreiungsschlag von alten Zwängen und gleichsam ein Aufbruch zu neuen Ufern. Was die Band dazu bewegte erzählte Sänger und Violinist Robert Beckmann im ragazzi-Interview.

 
ragazzi:   "Was habt ihr seit eurer letzten Platte so getrieben? Es gab kaum Lebenszeichen von den Inchtabokatables, wenn man von einer "Best Of" CD mal absieht."  
Robert: "Von der wir uns distanzieren, weil die alte Plattenfirma nicht bereit war mit uns zu kooperieren, was die Titelauswahl anging."
ragazzi: "War das auch der Grund, sich von dem Label zu trennen?"
Robert: "Zu diesem Zeitpunkt bemühten wir uns schon ein Jahr, aus dem Vertrag rauszukommen. Die kommerziellen Interessen der BMG lagen unseren entgegen. Deshalb war auch klar, dass wir die nächste Platte nicht so, wie wir sie machen wollten, mit ihnen realisieren konnten. Unser Maßstab war es, die neue Platte allein zu erarbeiten. Und wenn das noch ein Jahr länger gedauert hätte, dann hätte es eben länger gedauert."
ragazzi: "Ihr habt ja eine gewaltige musikalische Wandlung vollzogen. Wie kam es dazu?"
Robert: "Wir wollten dieses starre Konzept, jedes Jahr 'ne Platte zu machen und zu touren, zu Gunsten der Qualität unserer Musik durchbrechen. Wir wollten unsere Ideen verwirklichen, ohne das uns jemand reinredet und sagt: "Titel die länger als dreieinhalb Minuten sind, könnt ihr sowieso vergessen.""
ragazzi: ""Mitten im Krieg" zeugt wirklich von großer Experimentierfreude. Und alle Töne sollen rein akustisch erzeugt worden sein. Wie funktioniert das?"
Robert: "Das stimmt nicht ganz. Alle Töne die man hört sind mit unseren Instrumenten oder durch meine Stimme erzeugt worden. Aber wir haben natürlich am Computer editiert und ihn zum komponieren benutzt. Dafür danken wir dem Rechner auch im Booklet. Er hat zur Umsetzung unserer Ideen beigetragen."
ragazzi: "Und wo lagen die entscheidende Einflüsse für die neue Art von Musik?"
Robert: "Jede noch so kleine Idee wurde ausprobiert. Von der Art der musikalischen Grundgerüste, über die Arbeitsweise, bis hin zu den ungewöhnlichen Aufnahmeverfahren, wir haben z.B. Mikrofone an Drumsticks geklebt, - das alles hat den musikalischen Wechsel bestimmt. Es gab aber keine Initialzündung die uns sagte, wir machen jetzt ganz andere Musik."
ragazzi: "Für mich ist euer Stil eine Art Fortführung von dem, was Bands wie Prodigy begonnen haben. Nur eben mit anderen Mitteln. Wie siehst du das?"
Robert: "Unsere Arbeitsweise ist sicherlich in diesem Genre ansässig. Das sind aber keine bewussten Vorgänge oder Einflüsse. So wie wir uns persönlich entwickeln, wird sich auch unsere Musik entwickeln."
ragazzi: "Der Song "Rain" ist aber wieder die typische Inchies-Ohrwurm-Nummer. Ein Zugeständnis an die Fans?"
Robert: "Nee, gar nicht. Es war einer der kompliziertesten Songs in der Entstehung. Auch wenn man es ihm nicht anhört. Wir haben lange überlegt, ob er auf's Album kommt."
ragazzi: "Vertraut ihr euren Fans, dass sie den stilistischen Wechsel mittragen?"
Robert: "Im Laufe der Bandgeschichte war es noch nie so, dass wir nur bedient haben. Und es wird wieder Hardcore-Fans geben, die uns fragen werden: "Warum schreibt ihr keinen zweiten Tomatenfisch?" Da kann ich dann auch nur fragen: "Warum bist du denn Bäcker geworden und nicht Klempner?" Es gehört zu unserer Entwicklung das wir uns nicht wiederholen wollen."
ragazzi: "Gehört zu eurer Entwicklung auch, dass B.Broiler wieder Robert Beckmann heißt und Herr Jeh Jan Klemm?"
Robert: "Das ist ein Nebenbei-Effekt. So wie die Spitznamen entstanden sind, sind sie verschwunden. Das hat nichts mit einer größeren Ernsthaftigkeit zu tun. Die ist nach wie vor nicht eingetreten! Und Herr Jeh hat seinen Klarnamen hinterrücks ins Booklet geschrieben. Denn der heißt immer noch Herr Jeh, weil er fast täglich Anlass dafür gibt, ihn so zu nennen."
ragazzi: "Hat der Albumtitel "Mitten im Krieg" 'ne tiefere Bedeutung?"
Robert: "Entstanden ist der Titel im Januar 2000 im Studio. Wenn wir morgens den Fernseher anmachten, sah man nur Kriege und Raketenabwürfe. Und dann ging man auf die Straße, es war kalt und regnerisch, und man sah nur irgendwelche Essigfressen durch Hannover rennen. Und irgendwann sagte jemand: "Man das ist hier wie mitten im Krieg". Und nach einer Minute des Schweigens stand fest, so soll unsere Platte heißen."
ragazzi: "Die Inchtabokatables feiern Geburtstag. Und zwar den zehnten. Gibt's 'ne klassischen Feier mit Kaffeetrinken und Kerzenausblasen. Oder wie feiern die Inchies?"
Robert: "Erstmal werden wir die nächsten zehn Kerzen anzünden! Wir werden in der Columbiahalle in Berlin ein Konzert geben (27.04.). Da sind unsere ehemaligen Bassisten dabei, die Kollegen von In Extremo, Alexander Veljanov und weitere Überraschungsgäste."
Lars



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