Illuminate

"Filmmusik - das wär' mal was!"

Ein neues Album bedeutet für jede Band immer eine Menge Stress. Kaum ist man aus dem Studio raus, beginnt schon die Promotion. Und meistens ist auch noch eine Tournee vorzubereiten. Johannes Berthold, Boss von Illuminate und Chef des eigenen Labels Gallery-Records in einer Person kann da ein Lied von singen. Denn sein neuestes Werk "Kaltes Licht" hält ihn voll auf Trab. Trotzdem hatte er Zeit für einen kurzen Skiurlaub mit seiner Frau und war somit ausgeruht für den zweitägigen Interviewmarathon Ende Januar. Dabei hatte ihn die Büroarbeit längst wieder eingeholt. Ein Musikerleben kann so unromantisch sein...

ragazzi: "Was war so stressig?"
Johannes: "Egal wieviel Vorlaufzeit du hast, es gibt immer irgendwelche Kleinigkeiten und Nachfragen. Es passiert ständig was, sei es beim Grafiker oder beim Vertrieb. Man muss sich um tausend Dinge kümmern, kurz vor der Veröffentlichung."
ragazzi: "Sind die Aufnahmen wenigstens stressfrei verlaufen?"
Johannes: "Da sind wir super vorangekommen. Im Juni hatten wir begonnen. Viele Sachen sind spontan bei Bruno (Bruno Kramm/Das Ich war Produzent) entstanden. Wir haben uns entschieden, ein Streichorchester spielen zu lassen. Und ich hatte die Idee einen Drummer einzusetzen. Bruno kannte den Schlagzeuger von Die Schinder und so sind dann einige Sachen entstanden."
ragazzi: "Die Songs sind also komplett fertig, wenn du ins Studio gehst?"
Johannes: "Ja, zu hundert Prozent. Bruno ist nur der ausführende Produzent. Texte und Kompositionen stehen bereits fest."
ragazzi: "Die neue CD ist deutlich abwechslungsreicher als ihr Vorgänger. War das ein unbewusster oder geplanter Vorgang?"
Johannes: "Bewusst zu planen, eine abwechslungsreichere Platte zu machen, kann man gar nicht. Meistens ist es eine Verkettung günstiger Umstände. Zum Beispiel hat mein Vater zwei Texte für dieses Album geschrieben. Die Bonustracks für die limitierte Ausgabe waren dagegen eine Idee des Vertriebs. Die wollten einfach noch zwei exklusive Songs. Da ich aber keine exklusiven Songs mehr hatte, musste ich von heut auf morgen zwei neue Stücke schreiben. Diese Spontanietät hört man den Songs auch an. Das waren diese Verkettungen, die zum Ergebnis "Kaltes Licht" führten."
ragazzi: "Du hältst nach wie vor an deutschen Texten fest, obwohl dir das schon oft zum Nachteil ausgelegt wurde. Es hieß zu kitschig und klischeehaft..."
Johannes: "Man geht damit natürlich ein Risiko ein. Es heißt dann immer, es klingt zu schwülstig und zu süßlich."
ragazzi: "Hemmen dich diese Kitsch- und Romantikvorwürfe beim Texten?"
Johannes: "Ja und nein. Ich untergebe mich nicht einer selbst auferlegten Zensur! Erstmal schreibe ich frei Schnauze, so wie ich empfinde. Manchmal ändere ich später einige Formulierungen. Aber in der Sorge, dass man mir wieder diese Vorwürfe macht, lebe ich nicht. Mit der Single "Bittersüßes Gift" haben wir ja auch den Gegenbeweis angetreten. Mehr überzogene Klischees auf einmal gehen nun wirklich nicht. Das Ganze ist natürlich mit einem Augenzwinkern gemeint und diese Ironie sollte nun wirklich jeder mitgekriegt haben."
ragazzi: "Hast du Vorbilder unter den deutschsprachigen Rock- und Popsongschreibern?"
Johannes: "Direkte Vorbilder habe ich nicht. Aber die letzte Scheibe von Thomas D. finde ich richtig toll. Das ist deutsche Sprachkunst!"
ragazzi: "Der Song "Ferne Städte" hat für mich etwas besonderes, etwas filmisches. Denkst du beim Texten und Komponieren visuell?"
Johannes: "Eigentlich schon. Ich produziere in meinem Studio ja auch Beiträge für Film und Fernsehen, vertone Filmbeiträge..."
ragazzi: "Zum Beispiel?"
Johannes: "'Abenteuer Forschung' und ähnliche Sendungen. Wenn ich einen Text schreibe, versuche ich dessen Gefühl auch musikalisch auszudrücken. Ich versuche, wie ein Maler, ein Bild zu schaffen. Natürlich in meinem Medium, der Musik."
ragazzi: "Kannst du dir vorstellen, Filmmusiken zu komponieren?"
Johannes: "Das wär' mal was!"
ragazzi: "Welche Art Film?"
Johannes: "Das ist witzig. Ich hatte vor Jahren mal die Idee, einzelne Kapitel aus dem "Herr der Ringe" zu vertonen. So etwas in der Fantasy-Richtung würde mir gefallen. Am allerliebsten würde ich aber die Musik für einen Endzeitfilm machen wie "Blade Runner" oder..."
ragazzi: "'Stadt der verlorenen Kinder'?"
Johannes: "Zum Beispiel! Genau für den Film! Der ist spitze! Eine düstere und hoffnungslose Atmosphäre, die trotzdem ihren Charme hat. Das wäre genau mein Genre."
ragazzi: "Ihr habt einen Fanclub in Mexiko..."
Johannes: "Wir wurden letztes Jahr eingeladen, dorthin auf Tournee zu kommen. Nachdem der mexikanische Veranstalter alles organisiert und die Flugtickets bezahlt hatte, woran ich ehrlich gesagt zweifelte, haben wir dort gespielt. Wir hatten einen Fernsehauftritt, mehrere Radiointerviews - es war sagenhaft! In Mexiko-City, keiner versteht Deutsch, haben 1500 Besucher unsere Texte gegröhlt. Und der Veranstalter hat dann diesen Fanclub, C.I.A. (Club Illuminate of America) gegründet, nachdem der deutsche Fanclub ja schon F.B.I. (Fan Base Illuminate) heißt."
ragazzi: "Stimmt es, dass ihr in Zukunft bei Konzerten auf die Illuminate-typische Tanz- und Pantomimenperformance verzichten werdet?"
Johannes: "Ja. Das haben wir vor einem Jahr ganz aufgegeben. Wir waren an einem Punkt angekommen, wo wir auf der Stelle traten. Es tat sich nichts Neues. Seit sechs Jahren war es im Prinzip dieselbe Performance. Und ursprünglich war sie ja an die Thematik der ersten drei Alben geknüpft. Von daher passte es auch nicht mehr. Es war Zeit für etwas Neues."
ragazzi: "Und jetzt?"
Johannes: "Sind wir eine klassische Band. Aber wir haben schon ein paar neue, tolle Ideen, damit sich die Leute nicht langweilen. Durch diese Übersättigung, dass immer was puffen und zischen muss, haben auch wir uns was ausgedacht. Aber die Musik wird immer im Vordergrund stehen."

Lars




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