ragazzi: |
"War der Erfolg von "Omnis Mundi Creatura" in irgendeiner Weise zu erwarten?" |
Ernst Horn: |
"Das war Glück. Wenn man mit einem neuen Projekt, einem neuen Namen antanzt, ist es schon schwierig. Heute ist sowieso alles viel schwieriger geworden." |
ragazzi: |
"Was meinst du genau?" |
Ernst Horn: |
"Die Plattenfirmen sind nur am Jammern. Trotzdem gibt es eine Flut an Veröffentlichungen und Projekten, weil der Produktionsprozess erschwinglicher geworden ist. Und wenn es heißt Ernst Horn solo, dann ist sowieso der Ofen aus, weil ich als verschroben und als unverkäuflich gelte." |
ragazzi: |
"Aber jetzt hast du sie eines Besseren belehrt..." |
Ernst Horn: |
"Es ist jedenfalls schön, dass durch die Single ein Einstieg geschafft ist. Das Album wird also nicht ganz untergehen." |
ragazzi: |
"Du bist ja ein studierter Musiker. Tut es dir nicht in der Seele weh, wenn du siehst, wieviel schlechte Qualität durch diese angesprochene Produktionsflut veröffentlicht wird und zum Teil auch noch Erfolg hat?" |
Ernst Horn: |
"So ist das nun mal. Das ist halt ein Geschäft, in dem man eine schnelle Mark machen kann, wenn man Glück hat. Für mich persönlich ist das kein Problem. Ich bin künstlerisch frei. Viele Musiker von großen Bands sind das aber nicht, weil die Ansprüche aus deren geschäftlichen Umfeld so erdrückend sind. Bei mir ist das nicht so. Ich kann von meiner Musik leben, mehr wollte ich nie." |
ragazzi: |
"Das Album "Helium Vola" wird als Monsterproduktion beschrieben. Was war daran so monströs?" |
Ernst Horn: |
"Es war wahnsinnig viel Arbeit. Dadurch, dass bei einigen Stücken fünf Sänger mitwirkten, musste viel vorbereitet werden. Ich musste für alle die Noten schreiben und sie ihnen rechtzeitig zuschicken. Und dann kam über die Monate eine unglaubliche Masse an Songs zusammen, dass eigentlich sogar eine Doppel-CD erscheinen sollte. Doch das hat mich dann fast erdrückt. Ich war total überarbeitet, privat lief einiges schief, so dass ich die Arbeiten abgebrochen habe. Im Nachhinein bin ich froh, dass es so gekommen ist. Denn das jetzige Ergebnis ist absolut stimmig und in sich geschlossen. Eine runde Sache eben. Und dafür kommt im nächsten Jahr noch eine CD raus." |
ragazzi: |
"Was hat diesen Kreativitätsfluss bei dir in Gang gesetzt?" |
Ernst Horn: |
"Das ist schwer zu erklären. Erst ist es ganz schwierig einen Einstieg zu finden. Man hat eine Idee, aber weiß nicht so genau, wie man sie umsetzen soll. Aber wenn man erstmal eingestiegen ist, dann wachsen aus einem Stück zwei, drei weitere und aus denen entstehen auch wieder Neue. Das wird dann zum Prozess. Eines kommt zum Anderen." |
ragazzi: |
"Wie muss man sich die Entstehung der Helium-Vola-Songs vorstellen? Wie schaffst du es, dass die rein elektronischen Sounds dieses Mittelalter-Flair versprühen?" |
Ernst Horn: |
"Ich habe sehr viele Bücher mit alten Gedichten und deren Übersetzungen. Aus denen wähle ich die Texte aus. Meistens gehe ich dazu in Cafes, wo ich mir die Sachen durchlese und mir vorstelle, wie man das musikalisch umsetzen könnte. Natürlich darf in dem Cafe keine Musik dudeln. Wenn ich wieder zu Hause bin, setze ich mich ans Klavier und klimper ein bisschen rum um herauszufinden, welche Harmonien passen könnten, welche Melodie geht. Danach geht's an den Computer, wo ein grobes Arrangement entsteht. Und von da an wird das Lied Stück für Stück ausgearbeitet. Das ist zum Teil eine echte Knochenarbeit, ein ewiges Gefrickel. Manchmal ein wirklich undankbarer Job." |
ragazzi: |
"Was man den Songs aber nicht anhört. Gerade "Omnis Mundi Creatura" klingt wie aus einem Guss." |
Ernst Horn: |
"Da hatte ich auch wirklich den Wunsch, einen Song zu kreieren, der vom Refrain lebt. Der Text ist lateinisch und handelt von der Unabwendbarkeit des Sterbens. Ich habe daher den Refrain etwas versöhnlicher gemacht. Er ist sehr melodiös und zum Schluss kommen auch noch Streicher dazu. Dieses Versöhnliche war auch deshalb so beabsichtigt, weil ich in den letzten Jahren sehr viele Todesfälle im familiären Umfeld hatte. Ich bin einfach auf zu vielen Beerdigungen gewesen. Und das hat da auch mit reingespielt." |
ragazzi: |
"Unter welchem Aspekt hast du die Texte ausgewählt?" |
Ernst Horn: |
"Ich versuche immer ein breites Spektrum abzudecken. Das ist für mich als Musiker am interessantesten. Daher auch die verschiedenen Sprachen. Das Povenzialische zum Beispiel eignet sich hervorragend für Liebeslieder. Im Mittelhochdeutsch gibt es sehr schöne Troubadour-Balladen. Und dann ist da noch das Kirchenlatein, sehr religiöse Texte, die ganz besondere Songs ergeben, weil die Silben gleich sind. Das ist fast schon wie Rap. Außerdem gibt es noch zwei Zaubersprüche auf der Platte. Die sind in Althochdeutsch, einer sehr archaischen Sprache." |
ragazzi: |
"Übt das Mittelalter eine besondere Faszination auf dich aus?" |
Ernst Horn: |
"Ja. Es ist eine andere, eine ferne Welt. Vielleicht gar nicht so anders. Aber sie stellt sich halt so dar. Ich kam durch die Musik zum Mittelalter, weil ich die Musik dieser Zeit sehr gern gehört habe. Besonders die Art und Weise wie damals gesungen wurde, hat mich berührt. Obwohl ich als klassischer Musiker im Studium damit gar nichts zu tun hatte." |
ragazzi: |
"Könntest du dir vorstellen, einmal mit Bands wie In Extremo zusammenzuarbeiten?" |
Ernst Horn: |
"Ich kenne die nicht so gut, muss ich zugeben. Die machen doch eher Rockmusik, oder?" |
ragazzi: |
"Ja schon, aber sie bearbeiten altes Liedgut und benutzen Instrumente wie Dudelsack und Schalmei." |
Ernst Horn: |
"Die haben aber einen ganz anderen Zugang zu den Sachen. Das sind Spielleute, die sich auch in dieser Tradition sehen. Ich finde das ganz toll, aber es ist eine andere Welt. Für mich ist es schwierig, da einen Weg hin zu finden. Das merke ich, wenn ich mit Studiomusikern arbeite. Es ist eine andere Herangehensweise. Meine Stücke sind von der Harmonik oft zu kompliziert. Andererseits ist meine Rhythmik viel zu einfach. Da sind die unterfordert. Und das ist die Gefahr. Wenn es zu einfach ist, wird's schnell Riverdance mit Drehleier." |
ragazzi: |
"Es gibt zwei kurze Stücke mit Sprachfragmenten zur Kursk-Tragödie von vor einem Jahr. Was verbindet diese Thematik mit dem Rest des Albums?" |
Ernst Horn: |
"Es ist der Versuch, die Erinnerung daran zu vertiefen und einen Kontrast zu zeigen. Hier ein Lied über die Maienzeit ("Selig"), in dem die Jugend raus in die erblühende Natur springt und da eine U-Boot-Besatzung aus jungen Männern, die verheizt wurde. Ich wollte zeigen, wie Jugend benutzt werden kann." |
ragazzi: |
"Es soll im Frühjahr sogar eine Helium-Vola-Tour geben. Stimmt das?" |
Ernst Horn: |
"Da weiß das Label schon wieder mehr als ich. Im Januar erscheint wahrscheinlich schon das neue Deine-Lakaien-Album. Also gehe ich davon aus, dass wir mit den Lakaien ab März unterwegs sind. Ob es eine Helium-Vola-Tour geben wird, hängt auch davon ab, wie die Platte einschlägt. So eine Tour muss ja auch bezahlbar sein. Wollen die Clubs uns überhaupt buchen? Und mit wie vielen Leuten gehen wir auf Tour? Da gibt es noch einiges zu überlegen." |
ragazzi: |
"Wie wär's als Vorband für Deine Lakaien?" |
Ernst Horn: |
"Seit dieser Qntal- und Deine-Lakaien-Tour geistert die Idee in einigen Köpfen rum. Ich weiß auch nicht. Ich habe ein bisschen Manschetten davor, mein Nebenprojekt mit Hilfe der Lakaien zu präsentieren. Daher denke ich, diese Möglichkeit kann man ausschließen. Warten wir's ab." |
ragazzi: |
"Vielen Dank für das Gespräch!" Lars |