GIRLS UNDER GLASS

Die Wiederentdeckung der Popmusik

Räucherstäbchen und Kerzen waren das Studio-Ambiente bei den Aufnahmen zur letzten Girls Under Glass Platte "Equilibrium" vor zwei Jahren. Eine Atmosphäre, die man dem Album anhörte. "Minddiver", das neue Werk von Axel Ermes (Loops, Gitarre, Bass), Hauke Harms (Electronics) und Volker Zacharias (Gitarre, Gesang), muss demnach in einer ähnlichen, wenn nicht noch gemütlicheren, Umgebung entstanden sein. Strahlt es doch einen warmen Popappeal und eine positive Stimmung aus, die man nicht unbedingt erwartet hätte. Ob es sich dabei vielleicht gar um das Alterswerk der Hamburger handelt und was man vom Popstar Madonna hält, verrieten mir Axel und Volker.
ragazzi: "Wie war denn diesmal die Studio-Atmosphäre?"
Axel: "Die Arbeitsweise war diesmal etwas anders. Wir haben es uns nicht im Studio gemütlich gemacht, sondern waren noch bequemer. Wir haben uns erst zu hause getroffen, haben auf dem Sofa gesessen, Tee getrunken. Und dabei haben wir ganz langsam an den Songs gebastelt. Das hat etwa vier Monate gedauert. Erst danach sind wir ins Studio gegangen. Dort haben wir unser Ding aber konzentriert durchgezogen."
ragazzi: "Wie sieht bei euch Dreien die Aufgabenverteilung aus?"
Axel: "Die Grundsequenzen und das Drumprogramming macht Hauke. Ich bin für die Loops, die spacigen und abgefahrenen Sachen zuständig und Volker spielt die meisten Gitarren ein, singt und ist für die Refrainmelodien verantwortlich."
ragazzi: "Du hast zur letzten CD "Equilibrium" gesagt, dass eure Musik immer positiver wird, je älter ihr werdet. Nachdem ich "Minddiver" gehört habe, drängt sich die Frage auf: Ist das schon eine Art Alterswerk?"
Axel: (lacht) "Ich deute das jetzt mal positiv!"
Volker: "Da bin ich auch überfordert. Sowas weiß man doch erst im Nachhinein. Das kann man vielleicht beurteilen wenn man weiß, wie unsere nachfolgenden Alben klingen. Nach der "Equilibrium"-Platte haben wir diesmal zwar einen anderen Ansatz gewählt, trotzdem klingt es wie Girls Under Glass. Aber Alterswerk? Ich weiß nicht."
ragazzi: "Wie könnte diese Entwicklung weitergehen?"
Volker: "Das kann man nicht planen. Keiner weiß was uns beeinflussen wird, wenn wir mit der Arbeit am nächsten Girls Under Glass Album beginnen. Und keiner weiß, was dann in den Köpfen der einzelnen Musiker vor sich geht. Jeder entwickelt sich. Wir sind drei unterschiedliche Typen mit sehr verschiedenen musikalischen Ansätzen, die immer wieder versuchen, zu einem Konsens zu kommen. Und das ist das Spannende an uns. Es gibt nach 15 Jahren immer noch diesen roten Faden, der Girls Under Glass zur Marke macht."
ragazzi: "Welche Einflüsse und Inspirationen hat es denn für "Minddiver" gegeben?"
Volker: "Nachdem die letzte Scheibe sehr ruhig produziert worden war, wollten wir es diesmal ein bisschen mehr krachen lassen. Dabei sind wir sehr elektronisch herangegangen. Damit kommt "Minddiver" dem "Darius"-Album sehr nahe. Das war unser Poppigstes. Und diese starke Zuwendung zur Melodie haben wir jetzt wiedergefunden."
Axel: "Bands wie Covenant oder VNV Nation finde ich seit geraumer Zeit sehr gut. Die Musik geht nach Vorne los, ist tanzbar. Hauke schätzt auch diese moderneren EBM-Sachen. Sowas ist natürlich mit eingeflossen. Wir beachten aber genauso die generelle Entwicklung auf dem Musikmarkt. Dadurch findet man auch Gefallen an modernen produktionstechnischen Gimmicks und versucht diese umzusetzen."
ragazzi: "Was beim Hören durchaus auffällt. Der Titelsong hat im Refrain diesen Stimmen-Effekt, wie ihn zur Zeit viele benutzen. Gigi D'Agostino fällt mir dazu ein."
Axel: "Du meinst diese Art Share-Effekt, wie ihn die meisten nennen. Ja, das ist zum Beispiel so ein Produktions-Gimmick."
ragazzi: "Die Coverversion von Madonnas "Frozen" ist einer der stärksten Titel auf dem Album. Warum hat es zwei Jahre gedauert, bis ihr die Freigabe von der Pop-Diva bekamt?"
Axel: "Als wir den Song aufgenommen hatten, war das Original gerade mal ein Jahr alt. Und unser damaliges Label bat uns, beim Verlag von Madonna um Erlaubnis zu fragen, bevor der Titel veröffentlicht wird. Also haben wir angefragt und ein klares Nein bekommen. Live konnten wir "Frozen" aber spielen und merkten, dass es sehr gut ankam. Auf Irrwegen sind dann ein paar gebrannte CDs mit dem Titel bei DJs gelandet. Die spielten den Song und auch dort war die Resonanz sehr gut. Von daher brannte es uns förmlich unter den Nägeln, das Lied zu veröffentlichen. Darum haben wir in diesem Jahr einfach noch mal nachgefragt und ein Okay erhalten. Da haben wir uns echt gefreut."
ragazzi: "War das mit irgendwelchen Kosten für euch verbunden?"
Axel: "Ich muss jetzt alle 14 Tage bei Madonna das Klo putzen, da sind allein die Flugkosten schon immens (lacht). Nein, das kostet uns nichts. Nur die GEMA-Gebühren gehen an Madonna."
ragazzi: "Ist Madonna eine Künstlerin die ihr schätzt? Oder war in diesem Falle der Song ausschlaggebend?"
Axel: "Der Titel war schon der Hammer. Echt super! Ich fand Madonna und ihre Musik aber schon immer klasse. Das "Ray Of Light"- und auch das letzte Album sind richtig gut gemacht. Das kann ich mir jeden Tag anhören."
Volker: "Frozen" ist einer der gelungensten Popsongs der Neunziger. Ich war baff, als ich den Song zum ersten Mal gehört habe. Da hat es Madonna geschafft, eine super moderne und wegweisende Produktion mit einem Song herauszubringen, der trotzdem den Geist der Achtziger versprüht."
ragazzi: "Ungewöhnlich für Girls Under Glass sind die zwei deutschsprachigen Songs auf "Minddiver". Ein Experiment oder mehr?"
Volker: "Ich bin gar nicht der Fan von deutschen Texten. Mir fällt es leichter in Englisch zu schreiben, weil die Sprache zu unserer Musik stimmiger ist. Zu bestimmten Songs habe ich aber keine Texte hingekriegt. Und bei denen habe ich als Experiment die deutsche Sprache benutzt. Das hat den Song jedesmal weitergebracht. In diesen zwei Fällen haben die Lieder so eine Authentizität und Intensität bekommen, die wären in Englisch nicht mal halb so gut."
ragazzi: "Worum geht es hauptsächlich in euren Texten?"
Volker: "Das Oberthema ist Liebe und Leidenschaft in allen Facetten. Es geht um Enttäuschungen, ums Verlassensein, um Einsamkeit. Es ist ein sehr gefühlsgetriebenes Album. Die Texte sind der Kontrapunkt zur Musik, die diesmal nicht so tiefgehend ist."
ragazzi: "Nachdem es zur letzten Platte keine Tour gab, warten eure Fans sicherlich sehnsüchtig auf ein paar Konzerte. Gibt es Pläne?"
Axel: "Ja, wir werden im Februar auf Tour gehen. Und zwar Girls Under Glass und Trauma (dem Nebenprojekt der Girls, Anm. d. Red.)zusammen. Das ist vielleicht komisch, wenn bei beiden Bands dieselben Leute auf der Bühne stehen. Aber wir lassen uns da was einfallen."
ragazzi: "Das wäre?"
Axel: "In erster Linie wollen wir unsere Musik gut rüberbringen. Das visuelle steht nicht im Vordergrund. Wir haben gar nicht den Etat wie manche Licht-Orgien-Band. Sicherlich werden wir uns auch da was überlegen. Aber nicht im Sinne von Explosionen auf der Bühne. Vielleicht wird ja 'ne Ballettgruppe engagiert (lacht). Unsere Gedanken gehen da eher in Richtung Bühnenbild. Auf jeden Fall werden wir mit Trauma neue Songs vorstellen!"
ragazzi: "Vielen Dank für das Gespräch!"

LARS






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