Funker Vogt

"Irgendwer wird übrig bleiben - und wenn es eine Kakerlake ist."

ragazzi sprach mit Jens Kästel und Gerrit Thomas von Funker Vogt über Zukunftsvisionen, Balladen und das Aufhören.
ragazzi: "Ich erinnere mich noch sehr gut an euren Auftritt auf dem diesjährigen M'era Luna Festival. Ihr auch?"
Gerrit und Jens: (wie aus einem Mund)

"Na sicher!"
Gerrit: "Es war unglaublich. Zum ersten Mal auf so einer großen Bühne, vor 15 000 Leuten - und das am frühen Nachmittag! Wir sind heute noch beeindruckt, wenn wir die Fotos und Videoaufnahmen anschauen."
ragazzi: "Ihr habt in diesem Jahr noch weitere Festivals gespielt. Bevorzugt ihr Festivals oder Gigs in Clubs?"
Jens: "Wir haben auf dem Wave Gotik Treffen und im englischen Bradford gespielt. Ich mag eher die stickige Clubatmosphäre. Da kriegst du ein direktes Feedback und hast hautnahen Kontakt zum Publikum."
Gerrit: "Ja, der Spaßfaktor ist auf so einem Einzelgig schon höher. Das gesamte Publikum ist nur wegen dir da. Das ist auf einem Festival ja nicht so."
ragazzi: "Gibt es Unterschiede zwischen Auftritten in Ost- und Westdeutschland?"
Jens: "Das war vielleicht früher der Fall. Da waren die Leute im Osten etwas enthusiastischer. Aber inzwischen wüsste ich nicht, woran ich solche Unterschiede festmachen sollte. Die Grenzen sind verschwommen. Wenn du in Magdeburg spielst, kommen Leute aus Braunschweig, in München triffst du Leute aus Dresden. Es gibt manchmal regionale Unterschiede. Man sagt ja, dass im Norden das Publikum kühler ist. Aber nicht mal das ist immer so."
ragazzi: "Ihr spielt auch häufig im Ausland. Wo seid ihr bisher besonders gern aufgetreten?"
Gerrit: "Eigentlich überall, wobei das Feedback auf der gesamten US-Tour im März am größten war. Wir waren mit XPQ21 und einem lokalen Support unterwegs und jeder Tag war großartig. In Deutschland kannst du ja praktisch nicht montags oder dienstags spielen, weil da kaum einer kommt. In Amerika ist das kein Problem. Die Leute haben immer abgefeiert wie die Wildsäue. Demnächst würden wir sehr gern mal in Südafrika, Russland oder in Australien spielen. Anfragen gibt's bereits."
ragazzi: "Ihr habt zahlreiche Konzerte gegeben, habt viele Platten gemacht. Kam euch je der Gedanke ans Aufhören?"
Gerrit: "Es ist schon immer mein Lebenstraum gewesen, professionell Musik machen zu können. Das haben wir jetzt erreicht und da aufzuhören, wäre völliger Schwachsinn. Abgesehen davon würde ich nicht länger als einen Monat ohne Musik leben können."
Jens: "Also, ich würde gern sofort aufhören... (grinst) Nein, mal im Ernst. Es gibt da - wie in jedem Job - mal Situationen, wo du keinen Bock mehr hast. Wenn du im Studio stehst und beim hundertsten Mal eine bestimmte Zeile immer noch nicht hinkriegst, dann würdest du am liebsten aufhören. Aber das tust du im Endeffekt natürlich nicht."
ragazzi: "Wenn man mit Funker Vogt spricht, kommt man nicht an den Themen Krieg und Militär vorbei. Themen, die immer wieder für Schlagzeilen und Kritik sorgen. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, das Martialische und Kriegerische zu euren Themen zu machen und was fasziniert euch daran?"
Jens: "Also, faszinieren am Krieg tut uns gar nichts. Das hat sich damals bei der ersten Scheibe einfach so ergeben. Plötzlich war das Cover fertig und wir fanden die Idee ganz gut, die Umsetzung weniger. Das Ganze hat sich dann wie ein Selbstläufer weiterentwickelt. Im Moment versuchen wir, das militärische Grundprinzip zwar beizubehalten, aber in eine neue, futuristische Form zu bringen."
ragazzi: "Ihr stoßt nicht selten auf Kritik. Wie geht ihr damit um?"
Gerrit: "Es gibt Kritiken, die haben Sinn und Verstand und die nehme ich auch gern entgegen. Oft gibt es aber Kritiken, da kriege ich Gänsehaut. Wenn ich z.B. Dinge von jemandem lese, der den Sinn von Funker Vogt überhaupt nicht verstanden hat und nur auf unserem missverstandenen Image herumreitet. Und die CD, die er beschreibt, noch nicht mal gehört hat."
Jens: "Aber solange es solche Leute gibt, bist du immer interessant. Und das ist es, was wir sein wollen. Der Erfolg gibt uns recht: Wir sind nun mal die erfolgreichste deutsche Electroband."
ragazzi: "Fast alle Texte schreibt mit Kai Schmidt kein Bandmitglied. Wie kam es dazu?"
Gerrit: "Er hat auch schon vor Funker Vogt Texte geschrieben. Irgendwann hab ich mal einige gelesen und gedacht, die sind ja richtig cool, sie passen zu dem, was wir machen und denken. Inzwischen weiß er genau, was wir wollen. Er liefert im Prinzip die Vorlagen, die wir dann gemeinsam diskutieren."
ragazzi: "Auf der neuen Scheibe "Survivor" zeichnet ihr ein ziemlich düsteres Zukunftsszenario: Das Ende der Welt ist da, es gibt nur noch einen Überlebenden. Entspricht das eurer persönlichen Zukunftsvision?"
Jens: "Niemand kann ernsthaft eine positive Prognose für die Zukunft aufstellen wollen. Irgendwann wird es ‚Wumm' machen und das war's. Ob das morgen passiert oder in tausend Jahren, weiß kein Mensch. Aber irgendwer wird übrig bleiben - und wenn es eine Kakerlake ist. Auch Funker Vogt ist so ein letzter "Survivor". Alle, die uns platt machen wollten, haben es nicht geschafft."
Gerrit: "In der Vergangenheit sind sämtliche Fights mit uns zu unseren Gunsten ausgegangen. Von daher ist der Name "Survivor" auch ein Tribut an uns selbst. Das soll jetzt nicht heißen, dass wir mit allen Leuten Ärger haben wollen. Ganz im Gegenteil. Im Prinzip sind wir die einfachsten Menschen der Welt."
Jens: "In unserem Business triffst du so viele unfähige Leute, die denken, sie tun nur Gutes, sich aber im Endeffekt nur selber in die Tasche lügen."
ragazzi: "Stichwort Business. Ihr konntet da ja - was die Arbeit mit Labels betrifft - einschlägige Erfahrungen sammeln: erst Zoth Ommog, dann Bloodline, jetzt Synthetic Symphony. Warum kam es jeweils zum Break?"
Jens: "Zoth Ommog war bekanntermaßen pleite, und zwar nicht, weil die Bands Mist gebaut haben. Bei Bloodline war irgendwann keine konstruktive Zusammenarbeit mehr möglich und so sind wir gegangen. Wir haben uns aber nicht im Bösen getrennt. Mit unserem jetzigen Label Synthetic Symphony sind wir sehr zufrieden. Kleine Probleme gibt's überall. Das ist auch nicht schlimm, solange das Positive überwiegt."
ragazzi: "Noch mal zurück zu "Survivor". In mehreren Songs sind mir neue musikalische Elemente aufgefallen. Inwieweit beeinflussen euch aktuelle musikalische Entwicklungen?"
Gerrit: "Unbewusst vielleicht. Ich meine, man nimmt ja tagtäglich Musik auf. Aber wir setzen nicht bewusst irgendwelche Pop- oder Technoelemente ein. Wenn, dann passiert es zufällig, aus dem Bauch heraus."
ragazzi: ""Red Queen" ist der Song, der mich auf der neuen Platte am meisten überrascht. Wie kam es zu einem solchen Stück?"
Jens: "Es war meine Idee. Ich mag Balladen insgesamt sehr gern und hab gesagt: "Wollen wir nicht auch mal was in der Art machen?""
Gerrit: "Ich denke, wir sind jetzt mit der fünften regulären Platte so weit, dass wir nicht nur zwölf 4/4 Stampfer auf der Platte haben müssen, sondern dass wir auch mal zeigen können, was wir noch so drauf haben. Alle Leute, die "Red Queen" bisher gehört haben, waren positiv überrascht. Insofern ist unsere Entscheidung für den Song wohl richtig gewesen."
ragazzi: "Ihr hattet auf fast jedem eurer Alben - einschließlich des aktuellen - einen deutschsprachigen Song. Ist das ein Prinzip von euch?"
Gerrit: "Nee, das ergibt sich zufällig. Wenn Kai noch zwei Songs auf Deutsch geschrieben hätte, hätten wir die auch mit drauf gepackt. Bei "Lügner" ist es so, dass uns die Aussage sehr wichtig war und auf Englisch wahrscheinlich schwieriger zu verstehen gewesen wäre."
ragazzi: "Wird es dann demnächst vielleicht ein komplettes deutsches Funker Vogt Album geben?"
Gerrit: "Das wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein. Bei Funker Vogt steht die Musik im Vordergrund, die Texte sind zweitrangig. Bei englischen Texten achten die Leute weniger auf den Inhalt als es bei deutschen der Fall ist. Insofern werden bei uns auch weiterhin englische Texte dominieren."
ragazzi: "Es wird insgesamt drei Versionen von "Survivor" geben, zwei für Deutschland und eine für Amerika. Warum?"
Jens: "In Amerika kamen unsere Platten bisher immer viel später auf den Markt als hier, so dass sich viele unserer amerikanischen Fans teure Importe kaufen mussten. Das ändert sich mit "Survivor", denn die Scheibe wird zeitgleich bei uns und in Amerika erscheinen. Als kleines Dankeschön für unsere Fans in Amerika ist ein Bonustrack mit drauf. In Deutschland wird es eine limitierte Erstauflage als Doppel-CD geben. Die Bonusplatte enthält zwei Remixe von uns, einen unveröffentlichten Song sowie einen CD ROM-Track mit Soundfiles."
Gerrit: "Letzteres ist eine interessante Geschichte. Wir starten einen Remix-Contest. Zum Song "Final Thrill" wird es diverse Sounddateien geben, aus denen man - sofern die Möglichkeiten vorhanden - seinen persönlichen Remix kreieren und uns zukommen lassen kann. Der beste Remix wird dann ausgewählt und kommt auf unsere nächste Veröffentlichung. Dahinter steckt auch die Idee, allen Interessierten einen kleinen Eindruck davon zu vermitteln, wie so ein Funker Vogt Stück aufgebaut ist."
ragazzi: "Gibt es Live Pläne? Wenn ja, wie sehen die aus?"
Gerrit: "Wir werden im Januar und Februar auf Tournee gehen. Auf der Bühne werden wir natürlich das Funker Vogt Szenario, wie es die Leute kennen und auch erwarten, präsentieren. Aber wir werden auch das eine oder andere Extra-Feature einbauen."
Jens: "Auf jeden Fall wird es Rock 'n' Roll!"

Stefan






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