Covenant

Jeden Tag eine Revolution

Noch einen Monat, dann hat das Warten für alle Covenant-Fans endlich ein Ende. Am 30.09. erscheint "Northern Light", das neue Album der schwedischen Elektro-Popper. Und das hat es wirklich in sich (vgl. die Rezension)! Einen ersten Vorgeschmack liefert die Single-Auskopplung "Call the Ships to Port", die wie eine Bombe eingeschlagen ist und seit mehreren Wochen auf Platz eins der Deutschen Alternative Charts steht. Joakim, Sprachrohr der Band, erzählte mir, wie er diesen Erfolg findet, warum Covenant immer Anzüge auf der Bühne tragen und in welcher Zeit er lieber leben würde.

ragazzi: "Eure Single "Call the Ships to Port" ist nun schon seit mehreren Wochen die Nummer 1 in den Deutschen Alternative Charts. Ist es somit der erfolgreichste Covenant-Song aller Zeiten?"
Joakim: "Wir haben einen solchen Erfolg nicht erwartet. Vor einiger Zeit waren wir ähnlich erfolgreich mit "Der Leiermann". Natürlich ist es cool, Nummer 1 zu sein, aber entscheidend ist es für mich nicht. Es ist wichtiger, dass die Leute sich unsere Songs anhören. Sie müssen sie nicht mögen, aber sie sollten schon irgendwie reagieren."
ragazzi: "Warum ist die Single-Auskopplung in zwei verschiedenen Versionen erschienen?"
Joakim: "Unsere Plattenfirma hatte die Idee. Sie wollten sämtliche Remixe auf Vinyl rausbringen."
ragazzi: "Vor kurzem habt ihr in Berlin das Video zu "Bullet" gedreht. Habt ihr Berlin aus einem bestimmten Grund gewählt?"
Joakim: ""Doro", die Produktionsfirma, hat dort eine fantastische Location gefunden: Ein altes Fabrikgebäude, das seit 50 Jahren leer steht. Es sieht aus wie aus einem Science Fiction Film. Und im Haus ist ein echter Baum gewachsen. Einfach unglaublich..."
ragazzi: "Welche Geschichte wird im Clip erzählt?"
Joakim: "Es geht um Wissenschaftler, einen Roboter, Vergangenheit und Zukunft. Wir werden das Video zu VIVA und MTV schicken, aber man weiß nie, ob sie es auch spielen werden. Auf jeden Fall wird es aber auf einer Special Edition des Albums drauf sein."
ragazzi: "Geschichte und Technologie, Vergangenheit und Zukunft - das sind nicht nur Themen im Video. Beschäftigen euch gerade diese Dinge, weil ihr nicht gern in der Gegenwart lebt?"
Joakim: "Ja, du hast Recht, das ist eines meiner großen Probleme. Seit ich mich erinnere, habe ich entweder Pläne für die Zukunft geschmiedet oder von der Vergangenheit geträumt. Ich bin schon immer Science Fiction Fan gewesen und denke gern darüber nach, welche Möglichkeiten die Zukunft bringen wird. Ich hab inzwischen gemerkt, dass ich all dies tue, weil ich nicht so recht mit der Gegenwart klar komme."
ragazzi: "Was sind denn deiner Meinung nach Probleme unserer Zeit?"
Joakim: "Das Misstrauen zwischen den Kulturen und der Nationalismus, all das ist künstlich. Die einzige Grenze, die Menschen voneinander trennt, ist ihre Sprache. Die Linien auf der Landkarte sind nur eine Entschuldigung für die Mächtigen, um ihren Nachbarn Schlimmes antun zu können. Wir müssen endlich anfangen, globaler denken."
ragazzi: "Wenn du die Wahl hättest, in welcher Zeit würdest du gern leben wollen?"
Joakim: "Das ist schwierig. Aber lieber in der Zukunft als in der Vergangenheit, weil wir die Geschichte zumindest ein wenig kennen. Die Zukunft aber ist vollkommen unbekannt."
ragazzi: "Zurück in die Gegenwart: Gibt es Unterschiede in eurem Publikum, beispielsweise in Schweden, Deutschland und Amerika?"
Joakim: "Es ist mehr oder weniger gleich, wie in jeder Subkultur: der Dress-Code und die allgemeine Einstellung sind identisch. Aber natürlich gibt's auch kleine Unterschiede. In den Staaten gibt es eher diese Punk- bzw. Anti-Haltung gegenüber der Gesellschaft. In Deutschland kennen die Leute mehr, weil sie mehr Bands sehen und auch einen besseren Zugang zu Neuem haben. In Schweden ist die Szene zwar ziemlich klein, aber sehr offen."
ragazzi: "Du hast den Dress-Code erwähnt. Covenant tragen auf der Bühne immer Anzüge. Welche Intention steckt dahinter?"
Joakim: "Es sieht elegant aus und wir mögen es. Vor Jahren haben wir nur privat Anzüge getragen. Irgendwann haben wir uns dann gesagt, warum sollen wir uns auf der Bühne verkleiden. Und dabei sind wir geblieben."
ragazzi: "Pflegt ihr Beziehungen zu anderen Szene-Bands?"
Joakim: "Natürlich. Wir sind seit langem in der Szene und haben auch viele Festivals gespielt. Da kennen wir eigentlich alle. Die einen mehr, die anderen weniger. VNV Nation, z.B., sind sehr gute Freunde von uns."
ragazzi: "Euer Song "Der Leiermann" ist die Vertonung eines deutschen Gedichtes. Wie kam es dazu?"
Joakim: "Es ist Teil von Franz Schuberts "Die Winterreise". Den Plan zu diesem Song gab's schon lange. Eines Tages kam Eskil und sagte "Lasst uns das Stück probieren." Seine Komposition passte wunderbar zu dem Text. Eigentlich war es mehr ein Experiment und ein Spaß. Wir hatten zunächst gar nicht dran gedacht, ihn zu veröffentlichen."
ragazzi: "Wird es weitere Covenant-Songs auf Deutsch geben?"
Joakim: "Ich möchte es nicht völlig ausschließen. Aber unsere "Song-Sprache" ist Englisch, einfach weil man damit viel mehr Menschen erreichen kann."
ragazzi: "Es scheint, als wären euch die Texte recht wichtig. Sind sie eher real oder ausgedacht?"
Joakim: "Jeder von uns schreibt Texte. Und sie sind ein bisschen von beidem, real und fiktional. Auf "Northern Light" sind die Texte sehr persönlich, Ich denke 95 Prozent stammen aus persönlichen Erfahrungen und Gefühlen, Träumen und Ängsten. Für mich ist das Schreiben therapeutisch, meine Art, mit Problemen fertig zu werden."
ragazzi: "Jacob Hellner hat "Northern Light" produziert. Er ist mit Sicherheit ein klasse Produzent, aber die Bands, für die er bisher arbeitete (Rammstein, Clawfinger etc.) machen nicht wirklich eure Art von Musik. Warum habt ihr euch für ihn entschieden?"
Joakim: "Jemand, der so verschiedene und auch ungewöhnlich Dinge machen kann wie Fleshquartet (eine Kombination aus Violine, Cello und DJ), Rammstein und Clawfinger muss einfach total offen sein. Wir trafen uns mit ihm. Jacob hatte immer schon davon geträumt, ein elektronisches Album zu machen. Deshalb hat er sich auch über unsere Idee gefreut. Es war eine sehr gute Kombination."
ragazzi: "Inwieweit hat er das Album beeinflusst?"
Joakim: "Nicht so sehr. Da fast alle "Zutaten" bereits vorhanden waren, brauchte er nicht viel dazu tun. Er brachte seinen objektiven Blick ein. Auch ohne ihn hätten wir ein gutes Album gemacht, aber mit ihm ist es außergewöhnlich geworden."
ragazzi: ""Northern Light" ist eine recht ausgewogene Scheibe. Auf der einen Seite gibt's Songs für den Dancefloor, auf der anderen melancholische Stücke. Denkt ihr vor Beginn der Arbeit an einer Platte über die Mischung der Songs nach?"
Joakim: "Das ist von Album zu Album unterschiedlich. "United States of Mind" hatte ein starkes Konzept. "Northern Light" dagegen ist sehr emotional. Wir haben nichts geplant, sondern einfach unsere Gefühle aufgeschrieben. Am Ende hatten wir 20 Songs und haben 11 für die Platte ausgewählt. Nur insofern haben wir drüber nachgedacht."
ragazzi: "Viele sagen, Covenant wurde stark beeinflusst von Bands wie Kraftwerk. In welchem Song wird dieser Einfluss besonders deutlich?"
Joakim: "Einen solchen Song gibt es nicht. Kraftwerk sind so etwas wie die Erfinder der elektronischen Musik und haben uns in diesem Zusammenhang natürlich auch beeinflusst. Das wird weniger in konkreten Stücken deutlich als in unserem Umgang mit den Songs."
ragazzi: "Ein Titel auf dem neuen Album heißt "We want revolution". An welche Art von Revolution denkt ihr dabei?"
Joakim: "Wir meinen keine großen Revolutionen in der Gesellschaft, sondern eher persönliche. Ich habe da eine Philosophie: Jeden Morgen, wenn ich aufwache, frage ich mich, welche Revolution ich heute machen kann. Das kann so etwas Simples sein wie Joggen gehen oder eine ziemlich große Revolution, nämlich nach Barcelona ziehen (Joakim wohnt dort, Anm. d. Verf.). In diesem Sinn sollte jeden Tag eine Revolution stattfinden."
ragazzi: "Im Herbst seid ihr in Deutschland auf Tour. Plant ihr eine besondere Show?"
Joakim: "Wir haben ziemlich wilde Sachen vor. Wir wollen auf der Bühne visuelle Illusionen schaffen (z.B. einen Tunnel), und zwar mit Hilfe eines neuen High Tech Systems. Es ist technisch sehr aufwendig, deshalb sind wir noch nicht ganz sicher, ob es klappen wird."
ragazzi: "Ich freu mich schon jetzt drauf und danke dir für das Gespräch."

Stefan




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