Æbsence Interview im Mai 2004

Osteuropäischer Folk-Metal

Die Ungarn Æbsence haben ein interessantes Album veröffentlicht. Metal, Prog und osteuropäische Folk zu einer dynamischen Synthese verdichtet, das kann sich hören lassen. Die Band war mir völlig unbekannt. Ein Grund, mal nachzufragen. Sänger Péter Budai beantwortete meine Fragen per Email.






ragazzi: "Zuerst einmal, wann habt ihr Æbsence gegründet? Welcher Sound schwebte euch vor? Seid ihr studierte Musiker?"
Péter: "Die Band, zuerst der instrumentale Teil, gründete sich Ende 1995. András Perneczky (g) und Attila Máthé (dr) starteten mit László Liwa (b) unter dem Namen Æbsence. Genau gesagt, probten sie zu Anfang nur, gaben keine Konzerte. Damals spielten sie instrumentalen Progressive Metal. Die Band suchte ständig nach einem Sänger und schließlich stieß ich im Sommer 1997 zur Band. Seitdem hat sich das Line-Up nicht verändert, bis darauf, dass unser Schlagzeuger uns leider verlassen hat. Seit dem Anfang schwebt uns vor, einen einzigartigen Sound zu entwickeln, natürlich ohne dass wir die erfolgreichen Dinge in der Rockmusik ignorieren. Nur einer von uns vieren, Gitarrist András ist studierter Musiker, wir anderen haben uns alles selbst beigebracht. Im Moment studiert auch keiner von uns Musik, das Leben gibt uns Lektionen genug.:)"
ragazzi: "Was inspiriert euch als Band, welche musikalischen Modelle schweben euch vor?"
Péter: "Ich denke, wir wollen einfach nur schöne, laute Musik machen. Unsere Favoriten sind Bands wie Alice in Chains, Anthrax, Soundgarden oder Tool. Das sind die gemeinsamen Dinge. Jeder von uns ist in einem ganz anderen musikalischen Umfeld aufgewachsen. Rock/Metal ist die Basis für uns. Abgesehen davon wollen wir eine Musik machen, die etwas Eigenes, Typisches hat, unseren ganz eigenen Sound."
ragazzi: "Wie hat sich die Band in den letzten Jahren entwickelt - und was habt ihr vor dem Fall des eisernen Vorhangs gemacht?"
Péter: "Nun, wir geben unser Bestes, wie die meisten Bands, das wird wohl in Deutschland nicht anders sein. Wir haben gespielt, wenn sich die Möglichkeit ergab und 1999 ein Demo veröffentlicht, dem von der ungarischen Presse applaudiert wurde. Da die Labels hier nicht sehr erfolgreich arbeiten, begannen wir, unser Debütalbum selbst zu produzieren und zu vermarkten. Wir haben schwer am Material gearbeitet. Der Grund, warum die Dinge bei uns langsamer laufen, als bei anderen Bands, liegt daran, dass wir nur etwas eindeutig und richtig machen können, wenn wir es selbst machen. So produzierten wir jedes kleine Detail vom Album-Cover bis zum T-Shirt Design. Nun, und vor dem Fall des eisernen Vorhangs? Wir waren damals Studenten, haben uns auf das Leben vorbereitet… und, klar, darauf, Rockstars zu werden!:)))"
ragazzi: "Gibt es in Ungarn eine Prog/Metal Szene? Gibt es weitere Prog Metal Bands? Seid ihr Kontakt zu anderen Bands? Wie seht ihr die Geschichte der ungarischen Rockmusik, ist Æbsence ihr verpflichtet? Was denkt ihr über solche Bands wie Omega oder Locomotive GT?"
Péter: "Klar haben wir eine Prog Szene, und es gibt eine Menge talentierter junger Bands, unglücklicher Weise mit den gleichen Voraussetzungen wie wir. Namen wie After All, Stonehenge, Eclipse, Nemesis oder Wendigo fallen mir da ein. Wir sind in persönlichem Kontakt zu vielen von ihnen, wir haben schon mit einigen gespielt. Vor ein paar Jahren, war die lokale Prog Szene noch aktiver, Festivals wurden regulär organisiert. Das hat sich ein bisschen gelegt. Scheint, dass wir alt werden! Auf der anderen Seite waren wir nie tief in dieser Szene, wir haben uns nie als progressive Band bezeichnet. Die mehr traditionellen Prog Rock Bands kennen wir nicht sehr gut. Das liegt, meiner Meinung nach, an dem tiefen Schnitt zwischen den beiden Szenen, es gibt keinen engen Kontakt. Und Omega und LGT sind eine völlig andere Welt. Sie sind so was wie Rock Methusalems, viele Dekaden alt, und ich denke, dass sie absolut nichts mit uns zu tun haben. Sie haben ihre Musik in einer anderen Zeit, unter anderen Voraussetzungen, für ein anderes Publikum gemacht. Unser größter Favorit ist Barbaro, die den Weg für uns bereitet haben, wenn ihre Musik auch sehr unterschiedlich zu unserer ist. Sie spielten eine Art progressiven Alternative Rock, mit vielen Einflüssen aus der osteuropäischen Folklore. Leider sind sie nicht mehr aktiv."
ragazzi: "Ihr habt folkloristischen Motive in eurer Musik, wo kommt das her?"
Péter: "Es war immer unsere Vorstellung, Musik zu machen, die einen eigenen, unseren Charakter hat. Es ist offensichtlich, dass so ziemlich alles schon in der Rockmusik benutzt wurde in den letzten Dekaden. Wir konnten nur etwas ganz Neues einbringen, etwas, was kein anderer konnte: unsere eigene Folklore. Gewiss sind wir nicht die erste Folk-Metal Band (nenn es wie Du willst), aber wir bemühen uns um Eigenständigkeit."
ragazzi: "Lebt ihr von der Musik oder habt ihr Jobs außerhalb des Musikbiz?"
Péter: "Unglücklicher Weise können wir von der Musik allein nicht leben. Vor einigen Jahren las ich ein Interview mit Nevermore, in dem es hieß, dass einer von ihnen glücklich war, endlich seinen Job als Koch schmeißen zu können, und sich voll auf Musik zu konzentrieren. Nun, das war Nevermore, eine Band, die weitaus populärer ist als Æbsence (denke ich:)). Wir verdienen unser tägliches Brot mit regulären Jobs. Wir arbeiten alle in der IT-Branche."
ragazzi: "Wer ist der Komponist in der Band? Arbeitet ihr die Songs in Sessions aus?"
Péter: "Der musikalische Mastermind ist unser Gitarrist András, er bringt das grundsätzliche musikalische Konzept ein. Er komponiert die Musik, bringt sie zu den Proben mit, und gemeinsam arbeiten wir die Songs aus. Während dieses Prozesses kann Jeder eigene Ideen einbringen. Wenn so ein Song fertig ist, wachsen in meinem Kopf Gesangsmelodie und Text und ich schreibe die Texte, normaler Weise, zu Hause. Das war unsere Methode bis vor kurzem, aber wir planen, das in naher Zukunft zu ändern, weil wir ohne Schlagzeuger nicht so intensiv proben können. Jeder schreibt und spielt seinen Part zu Hause ein, gibt es dem nächsten und der gibt seine Ideen dazu."
ragazzi: "Endlos viel Musik ist komponiert/gespielt worden, seit es Rock´n´Roll, speziell Prog Metal gibt, ist da überhaupt noch Platz für neue Ideen? Ich bewundere eure Art, neue Musik zu finden, neue Dinge in Prog Metal einzubringen. Aber glaubt ihr nicht auch, dass es irgendwann ein Ende haben wird?"
Péter: "Wie ich bereits gesagt habe, es ist schon ein Menge Musik geschrieben worden in der langen Geschichte der Rockmusik. Aber meiner Meinung nach gibt es noch eine jede Menge Möglichkeiten, unzählbare Möglichkeiten. Es wird immer innovative Bands geben, der Quell des Rock´n´Roll ist unerschöpflich. In unserer momentanen Situation fühlen wir uns nicht wirklich einzigartig, aber wir arbeiten konstant an unserem charakteristischen Sound. Wenn das erste Album ungewöhnlich war, wird es das zweite um so mehr sein."
ragazzi: "Habt ihr eine Fanbase?"
Péter: "Nun, nicht so viele wie andere, erfolgreichere Bands. Aber wir bekommen Feedback von vielen verschiedenen Orten, viele mögen unsere Musik und wollen uns live sehen/hören. Wenn wir so etwas wie eine Fanbase haben, dann besteht das aus Leuten, die es vorziehen, Musik zu Hause zu hören. Nicht aus Hardcore-Fans, die von Konzert zu Konzert ziehen und unsere Namen auf der Straße brüllen."
ragazzi: "Es gibt im Prog Metal zwei Lager. Die einen wollen die technisch-komplexen Sachen hören, die anderen mögen die liedhaften Dinge. Die meisten Bands stehen irgendwo dazwischen. Wie ist das mit euch? Ist Musik zu machen ein Deal zwischen solchen Vorstellungen von Fans?"
Péter: "Wir haben nie über so etwas nachgedacht. Wir machen uns keine Gedanken darüber, welchem Pfad wir folgen werden, womit wir Aufsehen erregen oder was wir weglassen sollten. Es gibt keine Gesetze und wir brauchen keine Balance zwischen verschiedenen Wegen. Wir geben nichts darauf, was Fans von uns erwarten oder was sie hören wollen. Es ist schwer zu verstehen, aber wir machen in erster Linie Musik für uns selbst. Klar ist es zu achten, wenn die Musik jemand mag. Es ist möglich, dass unser nächstes Album nur S/M Synth Pop enthalten wird, wenn es auch schwer vorstellbar ist:)"
ragazzi: "Wovon handeln die Lyrics?"
Péter: "Das ist immer eine schwere Frage und ich kann später nicht richtig darüber reden. Die Lyrics handeln vor allem über Eindrücke, Gedanken, Gefühle, die in meinem Kopf stecken. Das heißt nicht, dass es nur mit mir zu tun hat. Einige Lyrics sicher, andere haben mit anderen Menschen zu tun. Ich versuche, mir die Gefühle anderer Leute vorzustellen. Vielleicht ist es interessant zu erwähnen, dass die ungarischen Folk-Parts und die englischen Lyrics nicht leicht zusammen funktionieren, hier und dort geht es nur zufrieden stellend zusammen. Unsere Folk-Songs, ein wenig wie unsere Folklore, sind sehr düster. Die Ungarn tendieren zum Grübeln und Brüten. Es gibt einen Spruch, der heißt: "Ungarische Männer genießen die Klage":) In unserem Fall heißt es, dass die Lyrics zumeist die dunkle Seite der Seele offenbaren."
ragazzi: "Gibt es ein Side Project neben Æbsence und wenn ja, was spielt ihr da?"
Péter: "Vor zwei Jahren sang ich in einem komplett akustischen Grunge Projekt, wo wir Songs von Alice in Chains, Pearl Jam und ähnlichen Bands mit akustischer Gitarre, Bass, Conga und Cello spielten. Es kam aber zu keinen wirklichen Resultaten. Wir wurden mal im lokalen TV Kanal vorgestellt, was eher nur zu unserem Amüsement geschah, wie auch immer, wir haben nicht weiter gemacht. Wir haben immer Pläne, aber es ist schon hart, Æbsence ernsthaft zu betreiben, also sind unsere Side Projects nichts weiter als Ideen."
ragazzi: "Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Was können wir von Æbsence in der Zukunft erwarten?"
Péter: "Nun, das wissen wir selbst noch nicht genau. Das einzige, das wir wirklich wissen, ist, die nächste Platte besser zu machen. Wir haben unser Herzblut und all unser Können in die erste Platte gesteckt, aber für das nächste Mal wissen wir schon mehr. Wir haben Lust, in Europa Konzerte zu geben, wo immer es geht. Wir hoffen, auf in naher Zukunft nach Deutschland kommen zu können!"
ragazzi: "Vielen Dank für die Antworten."

VM




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