Holding Pattern "Breaking The Silence" (Surveillance Records 2007)

Es ist ein Kreuz, spät mit seiner Einschätzung an den Tag zu treten. Ich las bereits die Kritiken im Progressive Newsletter und auf den Babyblauen Seiten, habe alle möglichen Webseiten nach Meinungen durchforstet. Und jetzt bin ich dran. Wie verhalte ich mich? Lehne ich mich an einer Meinung an? Kann ich noch etwas sagen, was nicht ein Jeder schon gesagt hat? Kann ich noch etwas in der Musik erkennen, was nicht schon ein Jeder vor mir erkannt hat? Ist es überhaupt noch notwendig, dass ich mich dazu bekenne, wo die Entscheidungen der Progfans, das Album zu kaufen oder dies sein zu lassen, wohl längst gefallen sind?
Ich habe nur eine Chance - ich muss die CD persönlich nehmen, muss die Songs ganz genau kritisch durchforsten und mein ganz persönliches Statement abgeben, das ist weniger optimal und objektiv, als vielmehr ganz und gar subjektiv - und frech. Ich will es dennoch wagen.
Die äußeren Parameter sind bekannt. "Breaking The Silence" - der Titel deutet es an - ist die erste Bandäußerung nach vielen Jahren, eine Reunion der alten Band ist vorausgegangen. Die Drahtbürsten haben ihren Dienst getan, der Rost ist abgestreift, die Finger sind wieder beweglich, die Köpfe haben nach Kreativität gerungen. Acht Songs hat die Band im Jahr 2007 eingespielt, einen neunten, live eingespielten, als Bonus (aus dem Jahr 2005) auf die CD getan, gesamt sind das 51 Minuten klassisch geprägter symphonischer Rockmusik.
Holding Pattern klangen schon 1981 retro, das bestätigt sich mit "Breaking The Silence". Erstaunlicher Weise klingen diese Songs, als wäre nur wenig Zeit vergangen, lägen die Aufnahmen nicht diese große Zeitspanne auseinander.
Tony Spada (g, b, key, perc), Mark Tannenbaum (key), Tony Castellano (b, key, mel) und der Neuzugang Rob Gottfried (dr) haben keinen modischen Schnickschnack zugelassen und spielen klassischen Symphonic Prog. Die Arrangements der Songs sind reichhaltig und vielschichtig, kein Song klingt überflüssig, obschon die Qualität der einzelnen Stücke doch auseinander geht.
Während das Keyboardspiel in manchen Songs etwas mehr Dynamik und Kraft sowie mehr Sounds, ausgefallene Ideen und selbstbewusstes Spiel benötigt hätte, um sich lebhafter ins Bild zu setzen, ist die unbremsbare Arbeit der Gitarre ganz und gar wohl gelungen. Solistisch ist Tony Spada am aktivsten, er hat die besten, vitalsten und härtesten Läufe absolviert, zu denen die Band befähigt ist - und die Band hat viele und großartige Fähigkeiten, etliche junge Nachwuchsband werden ein Album wie dieses gewiss nicht so leichthändig und locker klingen lassen können - sein technisches Spiel und seine Phantasie prägen ganz entscheidend das komplette, rein instrumentale Werk. Die Keyboardsoli, deren es weniger als von der Gitarre gibt, sind, ebenso wie manche hervorragende Unisonopassage, jedoch vorzüglich.
Der Beginn des zweiten Stückes "Breaking The Silence" wirkt etwas gewollt auf komplex gemacht, die Band kann den holperigen Start im Laufe der Komposition jedoch mehr als wett machen, was nicht nur an den außergewöhnlich guten Gitarrensoli und denen der Keyboards liegt, sondern überhaupt an der wachsenden Dynamik und epischen Natur der Note. Im harmonischen Raum der Songs geht der Bass leider zu sehr unter, hier wäre nicht nur solistisch mehr drin gewesen. Das Schlagzeugspiel ist dynamisch und vital, aber nicht unbedingt sehr technisch, der Rockdrummer ist gewiss nicht "progressiv" geübt, jazzrockgeprägtes Tommeln hätte den komplexen Harmonien einen selbstbewussteren, lebhafteren Unterboden gegeben. Zudem hätte der Endmix den Rhythmus weiter rausholen, ihn klarer und härter präsentieren müssen - aber das sind nur Kleinigkeiten.
Die Songs sind roundabout sehr gut gelungen, harmonische Dichte und Ideenvielfalt sind enorm. Vor allem Tony Spada hat (nicht nur) solistisch ganze Arbeit geleistet, das ist ganz große Klasse und überstrahlt das komplette Album. Der klassische Symphonic Rock ist immer wieder mit Jazzrock angereichert, im Fall von "Like Waves" ist es genau anders herum, der Jazzrocker bedient sich im progressiv-symphonischen Feld.
Viele Reunions leiden an ihrer Laschheit. Alte Musiker wollen ihre Jugend wieder in Erinnerung rufen und verderben sich mit schlechten Alben den persönlichen Ruf. Scheitern können alle. Wenige Bands nur sind es - jetzt mal nur für Progressive Rock gesprochen - die den alten Geist wieder zum Leben erwecken können, aus dem sie einst harten Rock (!) mit Kunstsinn zu etwas ganz Besonderem haben werden lassen.
Die Amerikaner Hands, eine vergleichlich kleine, unbedeutende Band - haben es geschafft. Der Kansas-Vorgänger Protokaw jedoch ebenso wenig wie Emerson, Lake & Palmer, denen man am liebsten eine Rente anbieten möchte, damit sie endlich aufhören.
Doch Holding Pattern, auch eine eher kleine Band, hat ein reiches Album eingespielt.
Diese Reunion ist gelungen.

holdinpatternusa.com
justforkicks.de
VM



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