Higher Circles "Ritual One" (Second Thought Music)

"Ritual One" hat ein vorzügliches und geschmackvolles Layout, die Produktion ist schon auf den ersten Blick sehr ansprechend. Musikalisch steht das Trio Norman Windrose (g, lead-voc), Steve Moore (g, key, b, voc) und Ken Geer (dr, perc) dem in nichts nach. Vom ersten Ton an klingt die Band sehr ambitioniert und versiert. Ungewöhnlich ist die Songaufteilung, nach einem kurzen Intro ("Premonition") folgt mit "Introvert" ein weiteres Instrumental, wieder sehr kurz, mit fabelhafter Dynamik, daraus hätte mehr werden können. Daran schließen sich zwei Melodic Rock - Songs, die bis ins letzte Tönchen perfekt eingespielt und austariert wurden. Der Klang ist vom allerfeinsten, wie erstarrt lausche ich. "Some Empty Heaven" webt sich zwischen symphonischer Sanftheit und hartem, aggressivem Rock ein. Daraus entsteht wieder diese virtuose Dynamik, die leider etwas zu sehr perfektioniert ist, was dem Ganzen Lebendigkeit und Wildheit nimmt. Das folgende "Blur" erinnert mich an End-Siebziger Eloy, die gebremste Agilität und der fett bombastische Sound nehmen der eigentlich mitreissenden Komposition Dynamik und Kraft. Doch schon das folgende "Second Thought" ist wieder ein rasanter Song, schön hart und doch erstaunlich geordnet. Auch hier scheint die Band etwas zu sehr auf der Bremse zu stehen. "Eleven Seconds" ist ein progressiver Hammer, der sich aus dem Gegensatz von symphonischer Schwere und hartem Rock aufbaut, mit einem grandiosen Teil in der Mitte, in dem der Rhythmus eine akzentuierte Brechung erfährt, die perfekt gelungen ist. Das lichte "Abstrusus" lebt von der schönen Gesangslinie, die sehr viel aufwändiges (mögliches) Spiel kongenial ersetzt. Der Hardrock von "A Really Weird Rest" bringt den Energielevel, den man nach "Abstrusus" braucht, um die Spannung abzufahren, ein toller Song mit grandioser instrumentaler Heavyness. Doch gerade in diesem Stück ist die Ähnlichkeit zu AOR-Bands unüberhörbar, Higher Circles arbeiten zwar mit deutlich mehr Komplexität, aber sie nähern sich im Ausdruck dieser Musik. Würde die Band extravaganter arbeiten, sich weiter hinaus wagen, wäre das Ergebnis gewiss progressiver. Doch, um es ins recht Licht zurückzubringen, "Ritual One" ist fabelhaft. Welche Band traut sich zu solchem Schnipsel ("Patch"), in dem die Stimme melancholische Verlassenheit haucht! "Stigmata" ist wieder einer dieser melodischen Songs, das Lied klingt irgendwie sehr positiv und forsch, und ob dieser naiv-sensiblen Fröhlichkeit mitreißend. Als ob dies nicht genug wäre, haben Higher Circles noch ein Stück mit erhabener, differenzierter Dynamik. "Samurai with a Gun" klingt, als hätte das Trio alles Böse dieser Welt in eine liedhafte Form gebracht, eingesperrt und starr umwunden. Sehr überzeugend und eindrucksvoll! Nach diesem erschöpfenden Auftritt schließt sich noch das sanfte "Beyond" an, ein elektronisch-sehnsuchtsvolles Thema, versponnen und unaufdringlich. "Ritual One" verabschiedet sich so fast unmerklich. Higher Circles zeigen sich nicht nur als ausgezeichnete Komponisten, sondern auch und vor allem als Perfektionisten, die jedes Quentchen Ton in die richtige Lage bringen. Damit gehen Rauheit und Lebendigkeit leider weitgehend verloren und die Songs atmen einen Druck, der sie fast bersten lässt. Mit etwas mehr Gelassenheit hätten sich gewiss einige härtere und wildere Gangarten erhalten, die so wegreduziert wurden. Higher Circles haben damit aber der melodischen Rockmusik einen großen Gefallen getan. Wo sonst eher schlichte Motive Bombast verbreiten, tut sich komplexes Gebräu auf, das hohe Qualität birgt.

highercirclesmusic.com
VM



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