Happy Family "Minimal Gods" (Cuneiform Records 2014)


Glatte 55 Minuten ist der neue Avantprog-Reigen der frisch wiedervereinigten Japaner von Happy Family lang. Deren beide Meisterwerke "Happy Family" (1995) und "toscco" (1997) gehören mit ihrem bombastisch gewaltigen, crimsonesk harten Krach in jede Avant Prog Sammlung. Und jetzt sind sie wieder da.
Als wären keine Jahre ins Land gegangen, gäbe es keine stilistische Entwicklung in der Avant Prog Szene, legt das Quartet Kenichi Morimoto (keys), Takahiro Izutani (g), Hidemi Ichikawa (b) und Keiichi Nagase (dr) in gleichem Geiste in unverminderter Brachialität los wie einst. Und doch gibt es Unterschiede. Vor allem im kompositorischen Inhalt.
Die neuen Songs, und ich habe das Album jetzt bereits sieben Mal gehört, bleiben erstaunlich kalt. Es gibt keinen Wiedererkennungswert, der sich schließlich über mehrfaches Hören durchsetzt. Ein großer Unterschied zu beiden früheren Alben. Die enorm abstrakten Stücke haben weniger crimsoneskes, rocktypisches Flair als vielmehr avantgardistisch hart rockendes Niveau, das sich selbst im Wege steht. Die Band macht alles gut. Die Einspielung ist virtuos und lebhaft, was hier leuchten kann, leuchtet. Aber die Songs haben low energy. Daran können schneidende, laute Gitarren ebenso wenig ändern wie grandios polterndes Schlagzeug.
Der Schlagzeuger ist zudem kein Jazztechniker, der alle Facetten nutzt, sondern Rocker, der, gewiss differenziert und komplex, heavy trommelt, ohne allerdings alle Möglichkeiten zu nutzen, derer die Songs bedürfen. In der Keyboardarbeit ist Jazz untergebracht, der wenig lebhaft wirkt, eher wie eine Aufgabe: so muss es dieses Mal klingen. Oftmals ist die Gitarre kratzig ins Off verbannt, wenn die Band unisono die Rhythmusbrocken anschiebt und der Keyboarder die erste Stimme spielt. Aber auch die Vordergrundarbeit der Gitarre wirkt etwas neben der Spur, zu konzentriert, zu wenig lebendig. Lebhafte, ausgefallen rasante Soli sind kaum zu hören.
Wohlgemerkt, das ist Klagen auf sehr hohem Niveau. Happy Family fanden wieder zueinander, den alten Geist aus der Flasche zu lassen. Sie wissen, wie es geht. Doch die Basis, die Ideen sind nicht reif. Zudem will der Motor nicht flüssig laufen. So radikal und herzhaft es zur Sache geht, so wenig 'rockt' das Geschehen.
Meiner Meinung nach ist "Minimal Gods" ein missglückter Versuch, an alte Erfolge anzuschließen. Und meiner Meinung nach ist das der Band auch bewusst und den Songs immer wieder anzuhören.
Anspruchsvolle Arbeit, die vielfach Spaß macht. Und doch, was fehlt, ist die völlige Hinwendung der Band in ihr Tun. Noch mal: das hat dennoch hohes Niveau!

takahiroizutani.com
cuneiformrecords.com
VM



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