Hands "Strangelet" (Wheelhouse Publishing 2008)

Der Anfang von Hands' Bandgeschichte liegt weit zurück und ist im umfangreichen Booklet zur selbstbetitelten CD nachzulesen, die 1996 von Shroom Productions veröffentlicht wurde (und von der Band bereits ein weiteres Mal aufgelegt worden und wieder ausverkauft ist und momentan erneut zur Veröffentlichung vorbereitet wird). Das Label Shroom Productions gibt es bereits seit langem nicht mehr, die CD wird wie die weiteren der Band, "The early years 1974-76", "Palm Mystery" sowie "Twenty Five Winters", dem ersten Album nach der Reunion von 2002, zudem gibt es noch eine CD unter dem Namen Prism, "Live 75-77", vielleicht nicht ganz leicht zu finden sein, empfehlenswert sind sie allemal (Charly Heidenreich könnte noch einige Stücke in seinem Katalog haben).
Die Band wurde 1972 gegründet und existierte bis 1980. In dieser Zeit veröffentlichte die Band nicht eine LP, die Situation war zuletzt so frustrierend, dass Hands sich auflösten. Erst mit dem Aufkommen der CD und der Gründung unzähliger kleiner Independent Labels, in diesem Fall Shroom Productions, wurden die Aufnahmen der Band veröffentlicht. Kaum zu glauben, war der allgemeine Mittneunziger Kommentar, dass diese grandiosen Songs nie auf LP verfügbar und bekannt gewesen waren. Einflüsse von Gentle Giant, Kansas, Hardrock, Bluesrock, King Crimson, Jethro Tull setzten sich im eigenständigen, ausdrucksstarken Sound der Band durch. Was Hands daraus machten, hatte stets eigene Qualität, die CDs sind wie gesagt unbedingt empfehlenswert, ebenfalls das erste Album nach der Reunion.
Sechs Jahre nach "Twenty Five Winters" legen Hands ein neues Album vor. Michael Clay (p, key, g, as) und Ernie Myers (voc, g) sind als Gründungsmitglieder noch immer von der Partie, Mark Cook (warr g), John Fiveash (dr), Martin McCall (dr, perc) und Steve Powell (b, g, back voc, add key) ergänzen das aktuelle Line-Up.
Die 11 Songs und fast 77 Minuten sind Ian Wallace (1946 - 2007, R.i.P.) gewidmet, dem King Crimson Schlagzeuger aus der großen Zeit der Band, der mit Hands befreundet war und mit ihnen zusammen das Projekt ‚Fission Trip' betrieben hatte.
Die meisten Reunionen alter Rockbands beweisen nichts weiter, als das die Musiker alt geworden sind. An alte Erfolge können sie nicht anknüpfen, und sie können es auch längst nicht mehr. Schon das 2002er Album zeigte Hands aber immer noch hungrig. Das hängt vielleicht mit dem späten Erfolg der Band zusammen. Während der Zeit der Existenz waren Hands über den amerikanischen Rahmen hinaus kaum bekannt, wenn überhaupt. Doch die CDs brachten einen Erfolg und eine Bekanntheit, die alte Liebe anheizte. Hands waren nie ganz oben, hatten nie den Status, den ihre Vorbilder hatten und dem sie gerecht geworden wären mit ihren Ideen und Songs. So ist etwas zurückgeblieben, was bis heute noch da und lebendig ist.
Die Songs der Band sind komplex und heftig, gewiss nicht mehr so hart wie in der großen Zeit, aber von großer Qualität. Und in der neuen Band ist die alte zu entdecken, stilistisch und handwerklich. Hands haben Piano, Keyboards und Gitarren im Mittelpunkt ihrer Songs zu stehen, viel akustisches Piano. "Piano Improvisation # 4" gar ist eine Soloperformance, eine nachdenkliche, romantisch versonnene Komposition, nostalgisch und aufwühlend, nicht ohne dunklen Anklang, aber ohne Bitterkeit oder Wehmut.
Düsteres steckt in mancher Hands Komposition, niemals jedoch Wehmut. Die Songs rocken knochentrocken. "Dark Matter" ist als zweiter Track nach dem nur 40 Sekunden langen Einführungsmotiv "Strangelet" gleich 15:12 Minuten lang. Symphonisch komplexe Harmonien treffen auf scharf sägende elektrische Gitarren, das Hauptthema ist eingängig und vital und hat unzählige Facetten. Die Einflüsse Gentle Giants sind überwiegend verschollen, wenn auch hier und dort in klitzekleinen Partien zu erahnen. Dennoch klingen Hands heute noch wie in den 70ern, ihr weiterer offensichtlicher Einfluss von Happy The Man ist nach wie vor deutlich. Hands trimmen ihre Songs nicht auf Eingängigkeit, dazu haben sie allem Anschein nach angenehmer Weise keine Lust. Ihre Songs sind symphonischer Progressive Rock mit dem Hang zum coolen, eingängigen Songformat, in dem nichts Poppiges passiert und kratzige Jazzmotive immer noch ihre solistischen Strecken fahren und im weit aufgefächerten, langen instrumentalen Aufbau ihre dicken Fühler ausstrecken.
Moderne Prog-Einflüsse haben sich in das genetische Material der Band eingeschlichen. "Rotten" etwa ist wie ein Wechselspiel aus heftigem 90er Prog und 1974, kratzbürstig, hart, cool, und staubtrocken. Macht bestimmt Laune, das Ding live auf der Bühne aufzuführen. King Crimson haben ihre genetischen Finger im kompositorischen Spiel, mehr haben Hands nicht zugelassen.
"Destroy, She Said" überrascht mit weiblichem Sprechgesang in deutscher Sprache zu Beginn. Die eher elektroavantgardistische Nummer mit Popsound im schrägen Rhythmusspiel und Frippschen Gitarrenzaubereien zeigt sich von Pat Mastelotto inspiriert, dem derzeitigen (?) Schlagzeuger KCs. Der letzte Track, "Dead in the Water", über 9 Minuten lang, bringt dann doch stärkere Gentle Giant Einflüsse zu Gehör, in Hands ganz eigener Kompositionssprache.
Die Amerikaner machen heute vieles besser, als die flachen Reunions ihrer eigenen Vorbilder. Three Friends ist ein Witz dagegen. Und selbst, was die raren King Crimson an neuem Material schreiben, ist im Vergleich fad. Kein Wunder, bei Hands ist das Feuer auf kleiner Flamme am Heizen geblieben. Die großen Bands haben sich überwiegend ausgebrannt.

hands.wheelhouse-music.com
myspace.com/handsband
progarchives.com/artist.asp?id=145
VM



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