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Han Bennink Trio "Parken" (ILK Music/VME, VÖ: 28.09.2009)
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Han Bennink ist seit mehr als 50 Jahren im Jazz aktiv, er hat mit den Größten gespielt, etwa mit Dexter Gordon, Sonny Rollins, Eric Dolphy, Derek Bailey oder Cecil Taylor, um nur einige zu nennen. Und doch ist "Parken" sein erstes Projekt unter eigenem Namen. Der 67 Jahre alte holländische Schlagzeuger hat sich im Sommer 2008 mit zwei jungen Barden zusammengetan, dem preisgekrönten belgischen Klarinettisten Joachim Badenhorst und dem ebenfalls mit Preisen versehenen dänischen Pianisten Simon Toldam, drei Kompositionen klassischer Jazzmusiker und sechs eigene Stücke einzuspielen.
Das Trio geht sein Anliegen keineswegs dezent oder eingängig an. Alle drei Beteiligten beweisen sich als expressive Künstler mit Gespür für disharmonische Eskapaden, rasante Kratzbürstigkeit, melodisch bis in die atonale Free Form ausgeführte Dramatik mit improvisativem Geschick und viel Fingerspitzengefühl für die richtige Energie. Mal birst so ein Song geradezu, explodiert im Feuer des wilden Trios ("Lady of the lavender mist"), dann rudert die Band um ein Motiv, schleicht sich an, umrundet es, greift es an, zeigt nackte Aggressivität und Radikalität, dann wieder umschmeichelt es eine Note, streichelt ein Motiv, umwirbt es, um plötzlich mit hartem Anschlag aus der feinen Lyrik in freitonal witzige Härte umzuschlagen ("Flemische March").
Komische Partien haben lässige Melancholie, verebben fast in entspannter Coolness ("Isfahan"). Verspielte Rhythmusideen Benninks ziehen das verinnerlichte Spiel Badenhorsts aus ihrer Lyrik in dramatische Virtuosität, vom rhythmischen Toldam begleitet, der die Bassnote ausmalt ("Reedeater"). Dann verneigt sich das Trio vor Ellingtons "Fleurette africaine" in dezenter Lyrik, nicht jedoch, ohne der Note kraftvolle Spitzen zu geben. Danach treibt die Band sich herum, schaukelt sich auf, schüttelt und wiegt "After the march" so lange, bis die Komposition nach wilder Fahrt matt und erschöpft dahindämmert, nicht ohne immer wieder expressive Harmonien zu verlieren.
Der abschließende Titeltrack dann ist eine sanfte Jazzballade mit weiblichem Gesang. Qarin Wikström nimmt die Energie der Band perfekt auf, die pulsierende Note treibt sich von Stufe zu Stufe und entfaltet ihre dunkle Melancholie so innig, dass die Knie zittern. Was Jazz, wenn nicht dies.
Avantgardistische Freitonalität und harmonische Verspieltheit von wilder Abstraktion bis zu harmonischer Lyrik finden auf "Parken" urbanen, lebendigen Ausdruck. Das ist lebhafter Jazz zum Nachfühlen und Miterleben. Schönes Album, das so schnell ausklingt, dass der letzte Ton noch lange einsam im Raum steht. Und doch empfehle ich eine Pause vor dem erneuten Hören. Die Energie des Endes ist so gänzlich anders als die der ersten Töne.
myspace.com/ilk2007
VM
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