Steve Hackett "Wild Orchids" (InsideOut Music, VÖ: 08.09.2006)

Steve Hackett ist vor allem deshalb als Musiker erfolgreich, weil es die kaputten Progfreaks gibt, die sich nichts sehnlicher wünschen, als "die alten Genesis" auf neuem Silber noch einmal hören zu dürfen, bevor sie von ihrem Chef gefeuert werden. Der Gitarrist hat sich längst aus dem Einfluss und Schatten seiner alten Band gelöst und in 30 Jahren Solokarriere bewiesen, dass er quasi auf allen Gewässern Schiffe hat.
In letzter Zeit hat er, auch bereits bei InsideOut Music, tolle Alben abgeliefert, 2003 "To Watch The Storms", im letzten Jahr das klassische "Metamorpheus". In gleicher Besetzung ist nun "Wild Orchids" eingespielt worden. Die 13 Tracks der CD sind eine Symbiose der letzten Alben. Zarte Klassik, balladeske Folkmotive, viel lyrisches Material und verschwenderisch im Schönklang sich wälzende Chorarrangements bestimmen den leisen, zurückgenommenen Charakter der CD. "Wild Orchids" klingt jederzeit wie ein kluges Popalbum für das erwachsene Publikum, das sich nur mit guter Musik umgibt und jegliche Art Lärm hasst.
Selbst die Rocksongs der CD, weit in der Unterzahl, haben trotz knackiger Frische einen entspannten Touch. Nach dem Tod von Johnny Cash ist der meistgehasste Countrymusiker endlich zum Star avanciert (über die ihn über alles verehrende Szene hinaus), Steve Hackett hat ihm mit "Man In The Long Black Coat" einen schönen Song gewidmet, der wie ein Mix aus Seemannslied und Dire Straits klingt. Das "The Underworld Orchestra" ist auch wieder mit an Bord und unterstützt die Rockband hin und wieder kräftig. So wird zum Beispiel das herausragende Stück "Wolfwork" zum Knaller, der selbst die abgezuckerten Radiokanäle wohl durchgleiten könnte. Ob diese gute Tat Wirklichkeit wird, bleibt wohl oder übel den abgestumpften Radiokanalbetreibern überlassen, die sich in der Regel jedoch für die doofe Musik entscheiden. Die Karten stehen für Steve Hackett da schlecht, denn seine Musik ist alles andere als doof. Schon gar nicht das Gitarrensolo in "Wolfwork", wo der gute Mann zeigt, dass er wirklich Gitarre spielen kann. (Ja, klar, das zeigt er öfter, ok, ok!)
"She Moves In Memories" ist dann jedoch die Schnittstelle. Wer das Dings gut findet, ist erwachsen und liebt seinen Wohnzimmersessel mehr als seine voll verdreckten, zerrissenen, stinkenden Jeans, die schon an den lebendigen Orten dieses Planeten waren und viel Erfrischendes erlebt haben. Das schwelgerische Motiv ist wohl dem Blick aus dem Fenster zu verdanken, wo Hackett sein welliges Heimatland im Rausch des Sonnenscheines oder bei melancholischem Regen sah und berührt in seinen Sessel sank. Gefühl, das hat er, oh ja, davon hat er viel.
Zu guter Letzt jedoch gibt es einen stampfenden Rocker, nicht weniger melancholisch, mit kreischendem Gitarrensolo und bombastischem Schlagzeugspiel. Dazu die Underworld Streicher - aus seinem Fenster möchte ich auch mal blicken, muss eine inspirative Aussicht sein. "Wild Orchids" ist ein typisches neuzeitliches Hackett-Album. Sehr lyrisch und zart, dabei nicht kitschig oder öde, sondern von melancholischer Tiefe und erstaunlicher Vielfalt. Silence is the new loud.

stevehackett.com
insideoutshop.de
VM



Zurück