Guru Guru "Wiesbaden 1972" (Garden Of Delights 2007)

1972 hatten Guru Guru ihr Album "Kän-Guru" veröffentlicht, von dem sie am 4. November 1972 drei Stücke in der Halle des Germania-Heims in Wiesbaden spielten. Das war einer der ersten Auftritte in der neuen Besetzung Ax Genrich (g, voc), Mani Neumeier (dr, voc) und Bruno Schab (b), der für Uli Trepte in die Band gekommen war, nachdem die Krise des vorherigen Trios nach Einspielung "Kän-Guru"s im Weggang Treptes endete.
Wie Bruno Schab zur Band stieß, ist ausführlich im Booklet nachzulesen. "Oxymoron", "Baby calk walk" und "Ooga Booga" wurden im Konzert jeweils weit über 20 Minuten lang. "Der Elektrolurch" (vom ein Jahr später folgenden Album "Guru Guru"), auch an diesem Abend, und wohl ebenso ausgiebig lang, gespielt, passte nicht mehr ganz auf das mitschneidende Band, so dass das Rudiment, etwa die Hälfte des Stückes, weggelassen werden musste.
Der von der Band bewilligte Mitschnitt ist Muck Krieger zu verdanken, der zur damaligen Zeit so einige Konzerte in der Wiesbadener Gegend fachmännisch mit teurem Gerät aufnahm und die Bänder bis heute wohl aufbewahrte, so dass die CD vom "Mutterband" übernommen werden konnte.
Bruno Schab war noch nicht lange in Guru Guru eingearbeitet, konnte noch nicht das volle Repertoire bringen, macht sich in den diesen drei ellenlangen Songs jedoch sehr gut. Viele Songs passten damals nicht in ein Konzert. Die Undergroundszene liebe Improvisationen, so wurden auch Dreiminüter live schon mal eine halbe Stunde lang.
Ax Genrich hat den meisten Raum, sich solistisch auszutoben, was er sehr gut meistert. Jedoch hält sich Mani Neumeier wie gewohnt nicht zurück. Die Songstruktur wird rhythmisch etliche Male gebrochen, führt dann in neue Ideen, die irgendwann wiederum in dritte führen - und bisweilen auch zurück.
"Oxymoron" (28:32) zeigt ein ganzes Füllhorn an Ideen. Gut zu hören, wie die Band während des gemeinsamen Spiels sich vorantastet, sich gegenseitig im Auge behält, darauf achtet, was der andere macht, darauf eingeht und dennoch nicht zaghaft, sondern virtuos und selbstbewusst die Minuten füllt. Zum Ende des ersten, etwa 8-minütigen Parts bricht die Spannung des Stückes nach einem mordsharten und abgefahrenen Teil abrupt ein, woraus das folgende epische Motiv flüchtiger klingt.
Mani Neumeier meint im Booklet, es sei gerade die Zeit gewesen, wo der Underground zu Ende ging. Bands begannen, nicht mehr freie, wilde Improvisationen zu spielen, in denen alles, sprichwörtlich alles passieren konnte. Statt ausgeflippter, schräger Sounds ging die Rockszene dazu über, komplexe und stärker strukturierte Stücke zu spielen. Guru Guru waren davon an diesem Abend noch weit entfernt. Das Trio spielte harten, ungezähmten, kompromisslosen Rock, der viel Humor, thematische und rhythmische Brüche und ausgiebige, mordswilde Improvisationen enthält.
"Baby Cake Walk" (23:50) ist wohl der härteste Track der CD, Ax Genrich lässt sich alle Zeit der Welt und spielt laut und frei, dass die Ohren dröhnen. "Ooga Booga" (22:05) hat eher psychedelische Natur, interessant der ungewöhnliche Sound der Gitarre. Meine Hochachtung vor Mani Neumeier, der den lebendigen Rhythmus aufrecht hält, mal zur Perkussion wechselt, wobei der Song fast zum Country mutiert - Ax Genrichs Geklimper (Pardon!) zum Dank. Daraus führt ein irre langer rhythmusbetonter Part, der in einem Solo gipfelt. Und die Band ist erst an der Hälfte des Stückes angekommen...
Der Klang der Aufnahme ist etwas verhallt, sicher nicht von allerbester, aber deutlich besser als jede Bootlegqualität. Zu empfehlen ist die Aufnahme unbedingt für Krautrockfreaks, weil es solcherart von Guru Guru nicht auf LP zu hören gibt. Nach "Essen 1970" und "Wiesbaden 1972" ist eine weitere Konzert-CD in Vorbereitung. In der Kneipe "Wartburg" 1973 in Wiesbaden aufgenommen.

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VM




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