Gunnar Halle "Istanbul Sky" (Ozella Music 10.04.2015)


Gunnar Halle ist die Herkunft deutlich anzuhören. Der Popjazz auf "Istanbul Sky" ist in seiner Bauart eindeutig skandinavisch (noch eindeutiger: norwegisch). Die laszive Düsternis, die verhallte Atmosphäre, der legere Ton, die elegante thematische Dichte und gewisse Unnahbarkeit, der betörende Reiz der unterkühlten Esoterik, die Unwägbarkeit dessen, wie sich die Songs entwickeln und wohin die ungewöhnliche Melodieführung strebt. Jazz, ja, klar, die Trompete, weibliche Gesangsparts, Pianoarbeit. Pop, ja, die Eingängigkeit, die Leichtigkeit der Themen, die luftige Note, der männliche Gesang. Und Rock, auch. Gitarrenarbeit, der raue Rhythmus, die rüde Note mancher Instrumentaleskapade. Hier ist nichts, wie es anderswo ist.
Die Lässigkeit hat bisweilen schnöden Charme, so sehen Sonnenbrillen in den finsteren Wald, so ist Sonnenuntergang im Gewitter, so ist Sommerwärme im Nordpolarmeer. Die leichten Themen verführen, sind verflixt interessant aufgebaut, können hier in brüchig unwegbares Gelände entführen und dazu elektronische Sololäufe nehmen, die auf poltrig komplex eingängigem Rhythmus zwischen coolem Rock und saftigem Pop in Minuten traben.
Die Songs sind kurz, überwiegend. Zwar sind fünf Tracks über fünf Minuten lang, weil die lyrische Epik die Zeit erfordert, aber da sind keine Instrumentalradikalitäten, eher zarte Schwermut, die aus ECM, Progressive Rock, Miles Davis und skandinavischer Dämmerung zu bestehen scheint.
Besonderes Augen- bzw. Ohrenmerk verdient der vorletzte Track "Tropenhjelm", in dessen instrumentaler Entwicklung atonale bis chaotische Höhen erreicht werden, die einfach grandios und überwältigend und damit unbedingt empfehlenswert sind.
Gunnar Halle macht seine Sache gut. Wenn einiges auch etwas gewöhnungsbedürftig ist, zu Anfang. Etwa der die CD eröffnende Titeltrack "Istanbul Sky", dessen seltsame Gesangslinie extrem ungewöhnlich und zugleich pop-afin ist und mit der eigenen Instrumentalbegleitung fremdelt. In den 10 Tracks ist ungemein viel zu erleben. Neben der skandinavisch sphärischen Themendunkelheit, ECM-Lyrik und kratzigen Grenzüberschreitung, die nur stets fasziniert, ist die seltsame Tatsache beachtenswert, dass Mel Gibson auf dem Cover abgebildet wird.
Ist gar nicht Mel Gibson? Ist Gunnar Halle? Ach so! OK - - -

gunnarhalle.com
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VM



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