Gravestone "War" (AVC 1980, Garden of Delights 2008)

Gravestone aus Illertissen in Schwaben veröffentlichten 1980 ihr zweites Album "War" wie bereits das Debüt in limitierter Auflage. Auch wenn die Platte 1980 veröffentlicht wurde, zu Beginn eines für Rockmusik extrem schlimmen Jahrzehntes, weswegen sich nachfolgende Rockmusikgenerationen zunehmend zwischen Pop und Metal entscheiden mussten - "Progressive" war völlig verpönt - ist sie ein typisches Werk der 70er Jahre.
Kompositionen, Spielweise, Klang, Aufnahme - nichts an "War" ist synthetisch, alles organisch; fette, schwere Rockmusik. Wie "Doomsday", das erste Album Gravestones, das bereits auf Garden of Delights veröffentlicht wurde, ist "War" Heavy Progressive Rock. Es gibt viele Merkmale, die Gravestone und "War" von der progressiven Rockmusik im Jahr 2007 unterscheiden. Die Band spielt keine gelackten, auf schöngeistig getrimmten Edelsongs, die sieben Stücke haben ihre Macken, ihre Kanten und Ecken, gerade im Schlagzeugspiel gibt es im harten, schnellen Spiel einige gewiss nicht gewollte Fehler und Aussetzer. Doch trotz dieses Mankos, vielleicht auch wegen, sind die mordsheftig gespielten Songs überzeugend. Gravestone haben ambitionierte, kritische Songs geschrieben. Keine Epen, keine Kunstwerke, sondern handfeste Rocksongs, die gut abgehen, nicht blöd und schlicht, aber eingängig sind und nicht darauf angelegt, unbedingt über 10 Minuten lang zu sein.
Als ungemein sympathisch empfinde ich den Gesang. Dietmar Orlitta hat keine raue Rockröhre, seine helle, kraftvolle, klare Stimme hat eine gewisse jugendliche Naivität, die nicht dumm ist, sondern sich einfach versucht und sich durchaus gegen den harten Progressive Rock durchsetzen kann. In den vier englischsprachigen und zwei deutschsprachigen Songs, "Durchbruch 80" ist rein instrumental, werden kritische Texte gesungen, die nicht aufgesetzt oder blumig sind, sondern sagen, was die Band fühlte und dachte.
Neben dem Gesang gibt es schön harten Rock zu hören, Rudi Dorner fällt mit seinem wilden Gitarrenspiel besonders positiv auf, aber auch Taki Gradl, der die Rhythmusgitarre - melodisch und nicht riffbetont - spielt, Andy Müller (key), Dieter Behle (dr) und Dietmar Orlitta (b, harm) machen ihre Sache sehr gut. Die wenigen Ausfälle oder Verspieler in der Schlagzeugarbeit fallen nicht wirklich auf, weil sie nicht im Song stattfinden, sondern in einer abgefahren schrägen Improvisation. Gravestone waren gewiss nicht die besten Handwerker der Rockmusik der 70er, spielten aber technisch ohne größere Schnitzer und überzeugen mit ihren beiden frühen Alben. Nach dem eröffnenden Titelsong, der in das ebenso englischsprachige "Waiting for peace" - seinen zweiten Part - übergeht, folgt das instrumentale, komplexe und harte Instrumental "Durchbruch 80", dessen zwei Themen, eines ultraschnell, das andere symphonisch, sich gut ergänzen. "Mörike" im Anschluss ist ein lyrisch-romantisches Stück. Gesang: ausgezeichnet, Keyboardklang: mäßig. Auf der zweiten LP-Seite sind 3 Stücke enthalten. Dem kurzen, dafür umso wilderen, fast metallischen "It's over", dessen englische Intonation im Sprechgesang lustig klingt, folgt der Anti-Drogen-Song "Hascher Blues". Eher eine melancholische Ballade als ein Blues, beeindruckt die Zartheit der Komposition ebenso wie der sehr gute Gesang.
Und sodann folgt der über 10-minütige Kracher "Summer 79", dem die besagten Rhythmusfehler innewohnen, was dem Stück nicht schadet. Selbstbewusst brettert die Band durch ihre Komposition. Die beiden Gitarristen lassen die Saiten glühen und Bassist Dietmar Orlitta setzt melodische Akzente. Ein sehr schönes Stück mit erheblicher, nicht endender Energie!
Nach "War" gab es etliche Umbesetzungen in der Band. Gravestone veränderte sich zur Metalkapelle, spätere Alben sind mit "Doomsday" und "War" nicht mehr vergleichbar.
Garden of Delights hat das Album digital überarbeitet neu veröffentlicht. Ausführlich geht das Booklet auf die Geschichte der Band ab dem zweiten Album ein, etliche Bilder sind abgedruckt. Wie üblich beim Label ist die remasterte Klangqualität sehr hoch. Besser können die Aufnahmen nicht präsentiert werden.

milestone-mailorder.com
VM



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