Gennady Ilyin "The Sun of the Spirit" (Mals Records 2009)

Vor Little Tragedies war Gennady Ilyin, Keyboarder, Sänger und Komponist der russischen Progressive Rock Band auch bereits als Musiker aktiv. Die Aufnahmen auf "The Sun of the Spirit" sind bereits im August 1998 aufgenommen worden. Ilyin schrieb die Musik, spielte Keyboards und sang, lediglich von Igor Mikhel (g) begleitet. Und was an Rhythmus zu hören ist, wurde, und das ist deutlich, programmiert. Vermutlich hat der Erfolg Little Tragedies dazu geführt, dass diese zehn Jahre alten Aufnahmen auf Mals veröffentlicht werden. Es gab bereits eine frühere Version auf dem vorzeitig verschiedenen Boheme Label, die wie das Label nicht mehr aufzutreiben ist.
Die Texte stammen vom bekannten russischen Autoren Nikolai Gumilev. Weiterer wichtiger Mann war der Klangingenieur Evgeny Shchukin. Die Kompositionen lassen Little Tragedies vorahnen, die komische Humorigkeit und Schwank - artige Clownerie einiger Kompositionen sind in der Form sonst nicht in der Rockmusik zu hören. Gennady Ilyin ist ein begnadeter Keyboarder mit ausgeprägtem Gehör und voll ausgefallener, aufwendiger symphonischer Ideen. Sein Spiel sprudelt unsagbar, ist unbremsbar und von extremer technischer Genauigkeit. Die Komplexität der Songs ist von hoher Qualität und verblüffender Rasanz. Gefühle, Harmonien und Melodien gehen wie ein sturmbewegtes Meer ineinander auf, melancholische Stille und erregte Aufgebrachtheit sind voneinander abhängig und gehen wie im Sturzflug ineinander über. Jede Komposition ist so aufgebaut. Schon verrückt, diesem irren Kosmos lauschen zu dürfen. Die russische Seele mit ihren Höhen und Tiefen findet in Ilyins Songs, seinem urrussischen Gesang und den in englischer Sprache im Booklet abgedruckten Lyrics ihre volle Entfaltung.
Jedoch, die 8 Songs haben, wie der später eingespielte Bonustrack, der bislang nicht auf CD veröffentlicht worden war, das fatale Rhythmusmanko. In den meisten Songs fällt das kaum auf, weil Rhythmus nur eine untergeordnete Rolle spielt, eher wie im Orchester eingesetzt wird, als unterstützende Kraft ohne eigene Klangfarbe. Doch dann ist da dieser eine Part im über 8-minütigen "Reader of Books", in dem plötzlich ein überdreht aufgepeitschter Technorhythmus alle Musik unter sich begräbt, bis er schließlich wieder eingefangen und ausgemerzt wird. Nicht so schlimm wie im wirklichen Techno, weil die Musik an sich grandios ist, aber doch eine dumme Einschränkung, die als Schatten hängen bleibt.
Das weitere Rhythmusgeschehen versteht sich zumeist als orchestrale Begleitung, partiell eingesetzt, den Bombastfaktor hochzuschrauben.
Gennady Ilyin entpuppt sich nicht nur einmal als illustrer Keith Emerson Kenner, vor allem "Thoughts" erinnert überdeutlich an den ELP-Tastenwüstling. Das hat jedoch zu keiner Zeit einen schlechten Beigeschmack, Ilyin kopiert nicht, er nutzt die Klangfarben auf seine Weise.
Trotz genannter Rhythmusschwäche kann dieses vor Energie und Klangfarben berstende Album süchtigen Symphonic Rock Fans nur wärmstens ans Herz gelegt werden. So mancher westeuropäische oder nordamerikanische Mainstream-Prog verblasst daneben völlig.

mals.ru
VM



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