Fromuz "Overlook" (10t Records, VÖ: 07.10.2008)

In Taschkent, Usbekistan, wird exzellenter instrumentaler Progressive Rock geschmiedet. Schon das Debüt "Audio Diplomacy" (2007), das als CD + DVD veröffentlicht wurde, verblüffte auf sehr hohem Niveau zwischen Jazzrock und symphonischem Progressive Rock. Nur ein Jahr später (die Aufnahmen für das Debüt waren bereits vor 2005 komponiert und eingespielt worden, die DVD ist eine Konzertaufnahme von 2005) folgt das knapp 70 Minuten lange zweite Werk. Darauf enthalten: 5 Tracks, allesamt prog-feuchte Wünsche erfüllend je über 10 Minuten lang.
Vladimir Badirov (dr), Albert Khalmurzaev (key), Andrew Mara-Novik (b) und Vitaly Popeloff (g) rocken, als hätten sie diese Spielart der Rockmusik selbst erfunden, mit Selbstbewusstsein, technischem Geschick, klangmäßig perfekter Technik, sauberen, anspruchsvollen, überbordenden Arrangements, vielen Soli und - mehr. Die Fülle der knackfrischen Progideen reißt nicht ab.
Fromuz beginnen mit einem wunderbar verspielten ersten Stück ("Stone Salad"), in dem Jazz und Prog sich auf anmutige und harmonisch anspruchsvolle Art umspielen. Das sind sehr kurzweilige 15 Minuten!
"Other Side Of The Water" (14:08) hingegen spielt im ersten Part zuviel mit elektronischen Sounds, wie sie im Techno beliebt sind, um schließlich mit mächtigem Bombast ins Pink-Floyd-Geschäft einzusteigen und lange darin zu verweilen, in kraftvollen, bombastischen Jazzprog zu wechseln, um mit einem weiteren floydigen ("Animals"-typischen) Intermezzo den langen Ausklang episch anzupeilen, der nach erneuter Rockschärfe mit nachdenklichem Piano verebbt.
"Crashmind" (10:51) hat ebenso Komplexität wie harmonische Vielschichtigkeit, symphonische Flächen wie floydige Epik und endet mit kaputter Anlage, ach, doch nicht. Der "13th August" (11:53) ist wieder ein bombastisch fetter, progressiv verspielter Jazzrocker mit rhythmischer Finesse und allerlei melodischem Eigensinn. Partiell scheinen Spaced Out Fromuz über die Schulter zu schauen (oder anders herum). Fromuz werden nie so abgefahren komplex wie die Kanadier, haben aber eindeutig einen Hang zur technischen Frickelorgie. Plötzlich ein Part, der Jazz-Scat mit elektronisch verfremdeter, lautmalerischer Stimme präsentiert. Wieder diese elektronische Verspieltheit, die mir stets einen Tick zuviel Dancefloor im Blut hat, zu sehr ins Poppige schielt. Der Part verdirbt den Song nicht, aber er gibt zu denken. Daraus schöpft die Band wieder komplexe, nicht zu stoppende, flotte und übermütig kraftvolle Jazz-Fusion. Ein nach Miles Davis Elektrikphase klingender Part mit als Trompete verkleidetem Keyboard über Hintergrundstimmengewirr fährt die hohe Energie auf melancholisch wohliges Maß hinunter, um der Band den Pink-Floyd-Jazz-Ausklang mit schweren Geschützen zu gestatten. Ausgezeichnet!
Und dann folgt "Return to Wax Inhabitants Town" (17:00). Der Ideenfülle weiterer, unglaublicher, aber nicht letzter Teil. Unbeschreiblich, was die Jungs hier zelebrieren. Ist auch nicht notwendig, die Einzelteile zu beschreiben.
Also, würde Dieter van Gelder sagen, den schönen, düsteren Herbst anlächeln, die Familie shoppen schicken, die Scheune schließen, Beleuchtung dimmen, (bei Bedarf beliebte Alkoholika und Zigarre zurechtlegen,) CD anmachen, Artwork in die Hand nehmen, zurücklehnen, genießen.
Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch nichts anderes tun.
Bitte unbedingt zur Sammlung hinzufügen!

fromuzband.com
10trecords.com
justforkicks.de
VM



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