Frank Rothkamm "Zahra Fugues" (Rothkammmusic, VÖ: 11.11. 2009)

Im (nur physisch) einseitigen Booklet zur CD ist die Geschichte der Namensgeberin der CD nachzulesen, die von "Zahra". An der Upper East Side New Yorks steht im 5. Stock eines Hauses, in Zahras Appartement, ein Steinway & Sons Model M Grand Piano. 1934 gebaut, wurde das Instrument inzwischen vollständig restauriert. Frank Rothkamm geht im Weiteren darauf ein, wie und wann er das erste Mal Zahra traf, wie der das Instrument entdeckte und sich davon inspirieren ließ.
Das auf der CD enthaltene Programm umfasst 26 Tracks, die ‚Zahra Fugen', als Opus 441 - 474 seines Œuvre festgehalten. Die Fugen sind in anderer Reihenfolge auf der CD, als sie nummeriert sind, der Fluss der Musik ist gleichmäßig, forsch und dynamisch, in aller künstlerisch musikalischen Tiefe und Innig- sowie Verspieltheit, ob sie es in der Folge ihrer Nummerierung wären, habe ich nicht getestet.
Frank Rothkamm ließ sich in Komposition und Einspielung von Gioseffo Zarlinos "The Art of Counterpoint" inspirieren, ließ Einflüsse von Thelonious Monk und Glenn Gould zu. Die Stücke sind rein akustisch eingespielt, manche Sequenz hat elektronisch klingende Echos, die verstärkt worden sein müssen, so weit, wie sie klar und deutlich dem Ton nachhängen. Zudem sind einige äußere Klänge zu hören, wie etwa eine Polizeisirene.
Beim ersten Hören, beeinflusst vom Namen ‚Fuge' gewiss, kam mir Johann Sebastian Bach in den Sinn, in einigen Stücken, dessen ‚Wohltemperiertes Klavier', weniger, aber auch Erik Saties Gymnopedien. Obschon deren humoristischer Aufbau ganz anderer Struktur ist.
Rothkamm beweist enorme Spielfertigkeit, kompositorisches Geschick, humoristisches Talent, die Qualität, melancholische Tiefe auszudrücken, komplexe Noten lebhaft zu intonieren und virtuose Schlenker zu inszenieren.
Track 9 hat den Untertitel "Gott erhalte Franz den Kaiser". Ob damit der Letzte derer des Heiligen Römischen Reiches oder der, mir schwant dies böses ahnend, dieser Fußballtyp oder einer der vielen anderen gemeint ist, die mal deutsche Herrscher waren, geht mir nicht ein. Das Stück indes ist eine freie, lyrische Improvisation zum Thema der früheren Kaiserhymne von Joseph Haydn, woraus die deutsche Nationalhymne gemacht ist, die Vertonung des Deutschlandliedes von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Das 17. Stück ist "Pater Noster" untertitelt, vermutlich spielerisch. Ob in dem Haus, in dem Zahras Appartement zu finden ist, ein Paternoster arbeitet, oder ob dies nur eine weitere Inspiration war, sei dahingestellt. Das Thema ist nachdenklich verträumt und hat doch den Ausdruck leichter Komik, als künstlerisch gelungener Ausdruck der baren Erkenntnis der Funktion des Paternosters, des Aufzugs. Oder aber, ganz andere Richtung, ist damit das ‚Vaterunser' gemeint?
Der 19. Track ist die wohl ungewöhnlichste Variante von Deep Purples "Smoke on the Water". Wer das Album unbedarft hört und das Booklet nicht zu Händen hat, wird vielleicht darüber hinweghören oder schlicht ein kurzes Lächeln im Mundwinkel haben, bevor das Thema gerupft ist. Und vom 20. Track im Anschluss furios überlebt wird.
Die konzeptionelle Knappheit der Kompositionen ist beeindruckend, wie der illustre Klang des Instrumentes. Eine leichte Weichheit liegt im Klang der Töne, der Raum, in dem aufgenommen wurde, gibt der Aufzeichnung dunkle Tiefe und erhabene Privatheit.
Die CD ist 41:49 Minuten lang, hat keinen Zeitgeist-Charakter und fällt stilistisch komplett aus dem Rahmen. Konservative Klassiker, so es die heute noch mit offenen Ohren und Sinnen gibt, werden über die kleinen Jazz- und populären Einflüsse erstaunt sein. Wer ambiente oder unterhaltsame Klänge liebt, kann durchaus von den "Zahra Fugues" angesprochen werden und wird zu innerer Ruhe und Musikneugierde finden.
Ganz einfach: Anspruch und Erwartung abgesattelt, ist die pure Musik schlicht grandiose Überraschung. In ihrer Vielfalt und Klangbreite, Virtuosität und Nonchalance sind die 26 kleinen Fugen ein großes Stück Musik.

rothkamm.com/album.cfm?Zahra-Fugues
VM



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