Frank Petersen "Ich gehe meinen Weg" (Pasalena Records 2014)


Schlagermucke hier auf Ragazzi, was soll das denn?! Nur noch ein Stückerl übers Brückerl bis zum Zuckerwatte-Glückerl... Nun könnte man als Rezensent behaupten, dies sei ganz besonders abgefahren avantgardistisch, aber solche Pseudo-Coolness ist nicht der Beweggrund für diese Rezension. Schlagereske, aber nicht seichte Arrangements und deutsche Texte, für die man sich während des Hörens ganz und gar nicht fremdschämen muss, machen diese außergewöhnliche Veröffentlichung aus. Spirituelle Kompositionen in gefälligen Arrangements aus dem Singer/Songwriter-Bereich - das trifft die Sache wohl recht gut. Etwas störend wirken auf mich als Schlagzeuger allerdings manche Stampf-Rhythmen aus der Dose. (Manu Katches wachsen leider nicht auf Bäumen.) Mehr als aufgewogen wird dieses Manko indes durch die positiven Texte, die zum Nachdenken anregen und zu einem bewussten Leben animieren sollen. Sie machen diese CD zur Ausnahmeerscheinung im Bereich der populären Musik und rangieren für mich direkt unterhalb des Oeuvres von Heinz Rudolf Kunze, wenn sie auch weit weniger "rocken". Diese Texte - passend zu den Sujets der Stücke - sind ganz bewusst nicht plakativ und ohne Verwendung von Wortspielen formuliert, da auch Tabuthemen wie Sterben oder der Sinn des Lebens nicht ausgespart werden, die unserer postmodernen Spaßgesellschaft ein Klotz am Bein, ja sogar ein Dorn im Auge sind, kommen dadurch doch Zweifel auf, ob ein körperkultiges Leben an der Oberfläche des S(ch)eins schon das Maximum der Möglichkeiten darstellt. Seelenvolle Musik verlangt nach seelenvollen Texten, das war mir schon als Kind klar; Rock 'n' Roll-Klischees widerten mich bereits damals an. Wenn man mit seinen Texten nichts zu sagen hat, sollte man besser schweigen, so dachte ich - so denke ich noch immer. (Viel zu viele Leute geben rund um die Uhr viel zu viele Plattitüden von sich, die sich zwar bei näherer Betrachtung als der Weisheit letzter Stuss erweisen, aber von allen Seiten beklatscht werden - sinnfreier Klatsch und Tratsch als essentielles Bindeglied einer von Neid zerfressenen Hemdsärml-ich-keit.) Die Seele spielt denn auch die Hauptrolle in den meisten Liedern, die Frank Petersen in adäquater Weise interpretiert; im Leben der meisten Menschen spielt die Seele allenfalls eine Nebenrolle. Seelenlos wie Zombies und immer hungrig nach dem nächsten Kick fristen sie ihr Dasein, beklagen sich in Momenten des Innehaltens aber gelegentlich über fehlenden Tiefgang, für den sie letzten Endes selbst verantwortlich sind. Dass dies kein Zufall sein kann, lässt sich allein schon aufgrund der Tatsache erahnen, dass es mit Ausnahme des im Zusammenbruch begriffenen materialistischen Weltbildes keine Zufälle gibt. Ein limitiertes und in Konsequenz dessen limitierendes Weltbild braucht den Zufall quasi als deus ex machina. (Einer der vielen immanenten Widersprüche, die diesem Welt-Erklärungsmodell zu eigen sind.) Setzt der uns allen innewohnende göttliche Funke aber unser Bewusstsein in Flammen, kann es zu einer mittelbaren oder gar unmittelbaren Gotteserfahrung im Sinne einer unio mystica kommen und der Wassertropfen wird des ihn umhüllenden Ozeans gewahr - nichts ist mehr wie es war. (Ein "traumatisches" Beispiel für einen solchen Prozess stellt die Erzählung "A Christmas Carol" von Charles Dickens dar; allerdings kann diese Wandlung auch durch eine schwere Krankheit oder einen tragischen Unfall ausgelöst werden, wenn der Seelen-Plan vom Ego lange Zeit vehement ignoriert wird.) Bleibt zu erwähnen, dass die meisten Texte aus der Feder von Herbert Arlt und Frank Grischy stammen; für die Kompositionen zeichnen sich Joschi Dinier und Bert Reefs verantwortlich. Vier Coverversionen von "Ich bete an die Macht der Liebe", "So nimm denn meine Hände", "Ave Maria" und "Nessun Dorma" runden dieses tiefsinnige Album ab, wobei besonders beim letzten Stück die ausgebildete Stimme von Frank Petersen durchschimmert.

frank-petersen.de
Frank Bender



Zurück