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Forgas Band Phenomena "L'Axe du Fou - Axis of Madness" (Cuneiform Records, 01/2009)
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Der kunstvoll aufgebaute, konzertante, komplex verzahnte und thematisch ebenso epische wie themenreiche Jazzrock der neuen Band um Altmeister Patrick Forgas (dr) wurde wirklich von dieser harmlosen Truppe eingespielt, die so erwachsen und nüchtern aus dem Booklet schaut und eher ambitionierte Studiomusiker, für diesen Zweck eingekauft, zu entdecken meint, als Freaks, die mit Leib und Seele und viel mehr hinter diesem durchkonstruierten, druckvoll gespielten und wirkungsvoll komponierten wie arrangierten, herzhaften Sound stehen, und denen man ansieht, für welche Musik sie ihre Hand ins Feuer legen? Ist heute nicht mehr so einfach. Lange Haare kann jeder haben, der Haare hat. Mit Rock'n'Roll, Jazz, Leidenschaft und Revolution hat das nix mehr zu tun. Kein Wunder, diese Revolution - nun, hat ihre Kinder längst entlassen.
Ein gewisser A.L. meint im Booklet, die beiden "kurzen" Songs seien an den Anfang und ans Ende der CD, gewissermaßen als Einführung und Ausblende, dazwischen die beiden langen Songs gelegt worden. So geht mit den 10:50 Minuten von "La Clef" die Intention der Band auf, die sich in den beiden folgenden Stücken, dem 16:32 minütigen Titeltrack und "Double-Sens" (13:50) vertieft und zum kleinen Ende mit "La 13ème Lune" (8:24) wieder verebbt.
"Double-Sens" sei eigentlich ein 35 Minuten Monster, das jedoch nicht radikal und krass genug war und darum umgeschrieben wurde. Der größte Teil wurde weggeschnitten, um ihn vielleicht später, erneut überarbeitet, zu verwenden. Die Komposition bekam ein neues Mittelteil sowie ein neues Ende und ist nunmehr in der Version zu hören, der Patrick Forgas Saft und Kraft bescheinigt.
Ein wenig machen die Songs mit diesem erstklassigen Sound und der zwar dynamischen und auch kraftvollen, aber doch braven, artigen Einspielung den Eindruck, zuerst schöngeistig und erst dann Jazz und Rock zu sein. Nur zum Vergleich: das radikale und wie Lava glühende "Sector 17" von If's "Waterfall" LP - das klingt gefährlich, aggressiv. Die Glut steckt sofort an - oder schreckt ab.
"L' Axe du Fou" hingegen klingt, ohne schlechter oder einfacher, weniger gut komponiert oder hart gespielt zu sein, als stamme es von der Universität. Alles ist gut, es rockt und rollt, quietscht und kratzt; harsche und nervöse Sounds gehen, gerade im Höhepunkt des Titeltracks, in Ekstase über. Aber der Ekstase-Level ist ein anderer.
Um nicht falsch verstanden zu werden, die Platte ist grandios, mit ihrer reichen Instrumentierung ein Hit für Jazzrock-Fanatiker. Ich liebe sie. Aber der Unterschied muss markiert sein. Die Band heute lebt nicht, wie die Bands damals. Der Zeitgeist ist ein anderer, die sozialen Umstände und kulturellen Einflüsse könnten nicht unterschiedlicher sein. Musik aus der gleichen Inspiration geht anders auf. Schön indes, dass sich die Meute ausgebildeter, begabter und technisch lockerer und visierter Musiker (ts, ss, fl; tr, fl-h; g; vi; key; b; dr) mit Improvisationslust, solistischer Ausgiebigkeit und exzellenter Handwerkskunst diesen fabelhaften Kompositionen hingeben.
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VM
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