Flying Circus - "Pomp" (Eigenverlag 2004)

Bei der Wahl des "Albums des Jahres 2004" der deutschen Prog-Community [progrock-dt] bekam das Album "Pomp" von Flying Circus nur eine Stimme. Nun gut, immerhin waren über 270 Alben zur Auswahl gestanden, und das waren nur diejenigen, die es auch geschafft hatten, eine Rezension auf diesen Seiten zu bekommen. Das zeigt: Die Szene lebt und es gibt wieder ziemlich viel Futter für die Ohren. Leider zeigt das aber auch, dass Highlights, die nicht mit dem nötigen Werbeaufwand (Hype?) in den Markt kommen, auch schon mal untergehen. Mich erinnerte die obige Wahl in jedem Fall wieder an meinen bisher nicht realisierten Wunsch, mir das Album zu besorgen.

Aber wer sind diese "Flying Circus" überhaupt? Sechs aufrechte Musiker aus dem schönen (mir leider unbekannten) Grevenbroich... Michael Dorp (Gesang), Markus Erren (Bass, akustische Gitarre, Background), Lorenz Gelius-Laudam (Gitarren), Falco Kurtz (Schlagzeug), Michael Rick (Gitarren) und Roger Weitz (Tasten). Die Anfänge der Band reichen schon bis 1988 zurück und "Pomp" ist bereits die dritte CD, welche die Jungs in Eigenregie veröffentlichen. "Flying Circus", schon der Name ist Programm und weist unmissverständlich in Richtung der 70er...

"Pomp" hat es mir zu Anfang nicht leicht gemacht. Das liegt wohl im wesentlichen daran, dass mir gerade der Opener "Open Up" am wenigsten gut von allen Albumsongs gefällt. Der Durchbruch kam dann allerdings spätestens mit dem ungewöhnlich arrangierten "On The Border", mit einer Art Anti-Klimax in der Songmitte, von dem ab sich der Spannungsbogen neu aufbaut. Wunderschön hier auch die fast erhabenen Keyboards und E-Piano-Läufe. Und schliesslich mit dem genialen "The Lost", in dem schwere Black Sabbath-Riffs auf atmosphärischen progressive Rock treffen.

Dazu kommt die Stimme von Sänger Michael Dorp, an die ich mich erst ein bisschen gewöhnen musste. In der Tat klingt Dorp ziemlich stark nach Geddy Lee (so Ende der 70er, ein Phase, in der ich die Stimme von Geddy Lee noch nicht so mochte) mit einem Schuss Robert Plant. Aber die Stimme passt hervoragend zur Musik und es gibt nun wirklich nichts am Gesang hinsichtlich Volumen und Intonation auszusetzen.

Die Stimme beeinflusst allerdings auch wesentlich die Vergleiche, die die Musik unwillkürlich in einem weckt: Flying Circus sind bekennende Fans der Musik der 70er Jahre und versuchen den damaligen Hard Rock mit der Verspieltheit des progressive Rocks zu verbinden. Da drängen sich Vergleiche mit Rush oder Led Zeppelin förmlich auf... und passen denn auch.

Die Jungs erreichen ihr Ziel mit Auszeichnung. Alle Songs, vielleicht bis auf das balladesk-folkige "Carpe Noctem", atmen diesen sympathischen Retro-Sound, der einen eben sofort an die bereits erwähnten Rush und Led Zeppelin, in anderen Momenten vielleicht auch an Uriah Heep oder Black Sabbath denken lässt. Aber diese Vergleiche sollen nur als Illustration dienen, denn Flying Circus addieren zu jedem Song so viele eigene Ideen und bringen viele verspielte Momente ein, so dass die Musik sehr eigenständig daherkommt. Durch die Kreuzung der Musikstile schaffen die sechs Musiker wirklich eine interessante Kombination aus Hard Rock und Prog-Rock. So hat beispielsweise "Bedevere's Wake" so einen leichten Yes-Touch, während "The Climb" auch ein bisschen Genesis in sich trägt. Die Band selber nennt das "Hard Prog" und das passt auch irgendwie.

Die meist ausladenden Kompositionen bieten oftmals symphonische Rockmusik gepaart mit einem Schuss Härte und ordentlich Groove. Dazwischen gibt es auch immer wieder einige folkig-akustische Momente zur Auflockerung ("The Climb"). Das ist eben so richtige Spass-Musik, die intelligent unterhält und sich nicht abnutzt. Immer wieder sorgen Breaks, Stimmungswechsel, kleine instrumentale Gimmicks für Abwechslung. Aber der Hörer wird nicht mit einem Frickel- oder Break-Gewitter überfahren. Trotzdem gibt es viele durchaus atemberaubende instrumentale Parts. Hier fallen neben den Gitarren besonders die geschickt eingesetzten Keys auf, welche desöfteren als E-Piano daherkommen, aber auch schöne Flächen und gar mal das eine oder andere Solo einflechten dürfen.

Einzige wirkliche Kritik bleibt vielleicht ab und an der Songaufbau, der zu sehr auf den Refrain schielt. Und diese Refrains können manchmal nicht ganz das hohe Niveau des Albums halten. Paradebeispiel ist für mich eben der Opener.

Mit "Carpe Noctem" konnten Flying Circus inzwischen beim "Deutschen Rock und Pop Preis 2004" mit der Kür zu einem der acht besten Song Acts des Jahres einen Achtungserfolg erringen. "Pomp" sei allen Fans guter, frischer, "anspruchsvoller" Rockmusik mit einem gewissen Retro-Touch wärmstens empfohlen! Unglaublicherweise hat diese Band keinen Plattenvertrag und daher gibt es das Album Im Moment nur über die Band-Homepage. Kauft's Euch ;-)

www.flying-circus.com
Thomas Kohlruß



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