FLUTTR EFFECT - "Trithemis Festiva" (Trojan Horse 2004)

In einer Mail auf der Mailingliste [progrock-dt] wurde geschrieben:

"...wie bei der jungen, noch völlig unbekannten (und wahrscheinlich unbekannt bleiben werdender ;-( ) Bostoner Band FLUTTR. Auf dem diesjährigen Taubertal Open Air waren sie, vielleicht hat's ja jemand gesehen. Schon die Instrumentierung klingt lecker: Schlagzeug, Gitarre, Cello, Midi-Marimba, Gesang."

Das klang in der Tat interessant... also bin ich auf die Bandhomepage gesurft und habe mir das Debutalbum der Band, "Trithemis Festiva", bestellt.

Was einem zunächst auffällt: FLUTTR verzichten auf 'traditionelle' Instrumente wie Keyboards oder Bass. Stattdessen tauchen Instrumente wie Midi Marimba oder Cello in der Besetzungsliste auf. Das Midi Marimba ist übrigens in der Tat ein sehr ungewöhnliches Instrument. Auf der FLUTTR-Homepage gibt es einen Link, in dem Funktionsweise, Technik und Herkunft dieses Instruments erklärt ist. FLUTTR sind Kara Trott (Gesang), Vessela Stoyanova (MIDI-Marimba), Valerie Thompson (Cello, Gesang), Troy Kidwell (Gitarre, Gesang) und Jason N. Marchionna (Schlagzeug).

Doch wichtiger als der Exotenbonus ist sicherlich die Musik:

Der Einstieg in "Trithemis Festiva" beginnt mit einem überfallartigen Double-Bass-Gewitter, welches aber schon nach vielleicht 15 Sekunden nahezu übergangslos von Cello und Gesang abgelöst wird. Es entwickelt sich ein flotter Popsong, der aber durch das immer präsente Cello und die glockenartigen Zwischenspiele des Marimbas eine leicht schräge Note bekommt. Der klare, nicht zu hohe Gesang schmiegt sich förmlich in die Ohren.

Wieder ein kurzes Double-Bass-Gewitter und schon sind wir praktisch ohne Übergang im zweiten Song "Flann O'Brien". Es entfaltet sich ein weiterer stark in Pop-Musik-Nähe gebauter Mid-Tempo-Song, der zu dem von einer seltsamen, drum & bass-artigen Percussion unterlegt ist. Sehr seltsam das und vielleicht für mich der schwächste Song des Albums. Interessant höchstens, dass man schwört, hier spielt ein Piano mit. Ist aber keines, dies ist das programmierbare Midi Marimba, welches hier perfekt ein Keyboard ersetzt. Auch dieser Song kommt mit sehr schönem, ruhigen Gesang.

Bevor die ersten verzweifeln... eine Akustik-Gitarre leitet leicht schräg den Prog-Teil des Albums ein: "I Want You" beginnt wie gesagt mit Gitarre, die aber alsbald vom heftig riffenden Cello abgelöst wird. Apocalyptica lassen schön grüssen. Der Gesang klingt hier, wenn auch in der gleichen Stimmlage, plötzlich düster, ja nach fast nach Gothic. Ab und an mischt noch eine zweite weibliche Stimme mit, dass müsste dann die Cellistin Thompson sein, die noch dunkler, noch mehr Gänsehaut verbreitet. Über wuseliger Percussion klingen im Hintergrund düstere Gitarren und ja, man hört wieder die nicht vorhandenen Keyboards. Ein erster Höhepunkt des Albums.

Quietschendes, klagendes Cello leitet dann das Instrumental "Tarantula" ein, so dass einem Schauer über den Rücken laufen. Das Cello kratzt einen schweren, harten Rhythmus in den die Gitarre (diesmal rockig-bratzelnd) und das Schlagzeug dröhnend einfallen. Das Marimba spielt glockenhelle, perkussive Zwischenspiele. Apocalyptica meets King Crimson!

Danach folgt mit "Prison" eine Ruhepause. Zu akustischer Gitarre und quietschendem Cello erklingt eine verschleppte Percussion (Bongos, Congas, Tablas, etwas in der Art). Das ganze wirkt irgendwie orientalisch mit starkem Ethno-Touch. Kann auch sein, dass hier die Balkan-Wurzeln der gebürtigen Bulgarin und Marimba-Spielerin Stoyanova durchschlagen. Sängerin Trott fügt hier nur einige Summ- und Stöhnlaute bei, welche die hypnotische Wirkung der Musik noch unterstützen.

"Segue" wird wird vom Cello eingeleitet, in dessen Rhythmus nach und nach die anderen Instrumente einsetzen. Die Gitarre ist nun endgültig im Rock angekommen und bratzelt heftig im Hintergrund. Die Musik dieses Instrumentals kocht und brodelt förmlich vor unterdrückter Spannung, die sich aber nicht endlädt.

Erleichterung bieten dem Hörer erst die glockenartigen Marimbaklänge, die "Meaningless" einleiten. Fette Gitarren rocken über wuseliger Percussion. Es gibt wieder den dunklen, angenehmen Gesang vom Anfang des Albums. Ein düster-rockender Song entwickelt sich, mit leichten Anklängen an King Crimson, vor allem durch die schräge Gitarre. Auflockerung bietet immer wieder das glockenhelle Marimba, welches hier auch einmal virtuos solieren darf. Da klingt's wie rockigere Gong...

Geräusche wie aus einer Fabrik leiten den letzten "offiziellen" Track des Album ein. Hier wird dann nochmals ordentlich gerockt. Die Gitarre darf ordentlich riffen und über einem dichten Soundteppich spricht eine weibliche Stimme einen Text in einer - so scheint's mir - fremden Sprache. Erst in einer Art Refrain erhebt sich richtiger Gesang, aber auch hier versteht man den Text nicht wirklich oder es ist wirklich eine fremde Sprache. Etwa zur Hälfte des Songs erfolgt unvermittelt eine Art kammermusikalisches Zwischenspiel mit Cello und Klavier...? Nein, wird wohl wieder das wundersame Midi Marimba sein. Dann wird wieder abgerockt.

Nach dem letzten Track läuft die CD noch ein Stück weiter und es wird noch ein 'hidden track' geboten, der anscheinend eine alternative Version von "Prison" darstellt (Anmerkung: "Prison" ist es leider nicht, wie mir Troy von der Band versichert hat. Also: Selber raten...). In jedem Fall klingt's, wie wenn das dem Song zugrundeliegende Melodieschema hier deutlich rockiger wiedergegeben wird. Es klingt wieder ein bisschen nach Crimso... und dann ist's vorbei.

An dem Album gibt es nicht viel zu meckern, am ehesten noch, dass es leider ein bisschen kurz ausgefallen ist. FLUTTR liefern hier ein beeindruckendes Debut voller ungewöhnlicher Musik ab, die sich Kategorisierungen ein Stück entzieht und sehr eigenständig ist. Danke, Monika, für den Tipp! Ich hoffe, dass diese Band trotz ihres unkommerziellen Ansatzes eine Chance hat und harre der Dinge, die da noch kommen mögen...

Das Album ist über die Homepage von FLUTTR erhältlich. Beim derzeitigen Euro / Dollar-Kurs ist das ein relativ günstiges Vergnügen. Wer nicht so abenteuerlustig veranlagt ist, findet dort auch ein paar MP3s zum vorab reinhören ;-) Nachdem sich ein Namensstreit mit einer Band aus Chicago, die sich "Flutter" nennt, entsponnen hat, beschlossen FLUTTR sich ab sofort in FLUTTR EFFECT umzubenennen.

fluttr.com
Thomas Kohlruß



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