Fish „A Feast of Consequences“ (Eigenproduktion 2013)


Endlich ist er wieder da! Nach vielen Verwerfungen, durch deren Bewältigung er nochmals in die Tiefe gewachsen ist, veröffentlicht Fish wieder ein Studioalbum; das erste seit 2007. Er erfindet sich neu, indem er sich treu bleibt, wie er dies immer getan hat; als einer der letzten strahlenden Helden im Bereich der populären Musik, gerade weil er Patina angesetzt hat, lässt er sein Herz durch seine Musik und seine Texte sprechen. Ganz bewusst verweigert er sich kommerziellen Erwägungen, indem er dieses Album in Eigenregie veröffentlicht und nur durch seinen Fan Club vertreiben lässt. Dieser ungekünstelte Ausnahmekünstler gehört nicht zu denjenigen, die Wasser predigen und Wein saufen. Er ist oftmals unbequem und gewinnt nicht zuletzt dadurch Kontur gegenüber all den gesichtslosen Laffen, die stets stromlinienförmig daherkommen und immerzu nach Reichtum und Ruhm gieren, um letzteren schließlich in Rum zu ertränken, weil sie sich selbst, zur Kunstfigur stilisiert, den Boden unter den Füßen weggezogen haben. Er verkörpert Unabhängigkeit, legt bedächtig seine Finger in die Wunden der anonymisierten und uniformisierten Spaßgesellschaft, die dadurch leicht zu kontrollieren ist und deshalb noch nicht einmal formal gleichgeschaltet werden muss; soziale Netzwerker leisten einer umfassenden Kontrolle Vorschub, indem sie z.B. teils höchst private Angelegenheiten mit der gesamten vernetzten Welt teilen und darüber hinaus jedem noch so fragwürdigen (und meist konsumfördernden) Trend gedankenlos hinterher hecheln, um immer mitreden zu können, welche Klamotten, Frisuren, Fernsehsendungen, Redewendungen etc. gerade in sind. Er ist der Klang gewordene Morpheus, der nur rote Pillen im Angebot hat, auch wenn das so manchem nicht schmecken mag, weil ihn deren Einnahme aus seinem Dämmerschlaf reißen würde. Am Beispiel des ersten Weltkrieges zeigt Fish die Mechanismen der Euphorisierung der Massen mittels psychologischer Winkelzüge, wie sie auch heutzutage - mehr denn je - Anwendung finden, um die vertrauensseligen Normalbürger zu indoktrinieren. Allenfalls wenn es zu spät ist, bemerken diese Menschen, in welche Sackgasse sie in mehr oder minder subtiler Weise getrieben wurden. Ich kenne wenige Alben, die derart unter die Haut gehen, wie „A Feast of Consequences“, wenn man die Kompositionen dieses Tonträgers für sich erschlossen hat - Fahrstuhlmusik geht anders, auch wenn die einzelnen Stücke durchaus musikalisch gefällig daherkommen und unverkennbar fishig sind. Doch der große Schotte greift auch aktuelle Themen auf; so kriegt beispielsweise, wie bereits oben erwähnt, die von sozialen Netzwerken - Spaltpilzen gleich - durchsetzte, offene, tol(l)erante und ach so liberale Informationsgesellschaft, in der jeder mit jedem befreundet ist, aber die meisten seiner Freunde noch nie getroffen hat (und auch nie treffen wird), ihr Fett weg. Die Auswirkungen dieser Netzwerke im feinstofflichen und energetischen Bereich auf die Menschen, die sich täglich in solch digitalen Netzen verfangen, wurden bislang nicht einmal im Ansatz in der Öffentlichkeit diskutiert... ach so, stimmt ja; es gibt schließlich nur Materie, Materie und nochmals Materie. Alles andere ist Propagandhi! Schnell wird klar, dass Fish mit dieser Scheibe sein (bisheriges) Meisterwerk abgeliefert hat, nicht zuletzt wegen der aufrüttelnden Texte. Unterstützt wird er dabei von Robin Boult (Gitarre), Foss Paterson (Keyboards), Steve Vantsis (Bass) und Gavin Griffiths (Schlagzeug). Außerdem sind Liz Antwi (Chorgesang) und Aidan O'Rourke (Geige, Streicher- und Bläser-Arrangements) als Gäste dabei, was das Klangbild um mindestens eine weitere Dimension bereichert. Fest steht jedenfalls, dass Schweigen, Wegschauen und Nichtstun immer Konsequenzen hat und man sich auf diese Weise schnell ins Off katapultiert bzw. vor dem Foe kapituliert. Für die Schweiger, ob sie nun (s)Till heißen oder nicht, für die Weg- und Fernschauer (damit sie die Missstände um sich herum nicht sehen müssen) sowie für die Nichtstuer - nicht zu verwechseln mit dem taoistischen Begriff des wu wei - hat die Band Bots ein Lied geschrieben („Wer schweigt, stimmt zu“), für alle notorischen Weltverbesserer dagegen, die sich immer wieder in den Fallstricken der sozialen Kontrolle verfangen, hat Erich Kästner ein Epigramm verfasst („Grabrede für einen Idealisten“). Meine Hommage an den Idealisten Derek William Dick und sein Oeuvre lautet: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, stehen aber unter Strom sofort, ruft ihnen jemand „Steh auf und handle“ zu, doch Zitter-Aale geben keine Ruh, bis dass der Rufer mundtot ist – der perfide Mord! Die toten Fische setzen also ihre Reise fort, werden gespült von Ort zu Ort, behindern dabei die lebendgen Fische und träumen an Land gespült von alter Frische. Zwar führen viele Wege, wie man weiß, nach Rom, doch wenn man sich nicht mehr im Fluss befindet und sich nun auf dem Trocknen windet, bis schließlich alle Hoffnung schwindet, dann spielt man lieber blinde Kuh... auch weil es heftig gegenwindet, kommen lebendge Fische kaum von der Stelle, werden geschüttelt von so mancher Stromschnelle, doch letztlich gelangen sie erschöpft zur Quelle.

fishheadsclub.com
facebook.com/derek.dick
Frank Bender




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