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Fire! "You Liked Me Five Minutes Ago" (rune grammofon, VÖ: 25.09.2009)
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Man kann ein Album so oder so beginnen. Lässig einführend, die Motive aufbauend und irgendwann schließlich in Leidenschaft geraten. Oder man legt den Jazzrhythmus vor, lässt ihn warm laufen und gibt dann ohne Vorwarnung das Saxophon auf 180 dazu. Johan Berthling (b, g, org) und Andreas Werliin (dr, perc) entwickeln diesen knochentrockenen, Groove-satten Jazzrhythmus mit knarzigem Akustikbass und erregt lebendigem Schlagzeug. Eine Weile.
Dann steigt Mats Gustafsson (saxes, electr, keys) mit seinem Saxophon ein, gleich mitten im Solo, gleich aufgeregt, Herzschlag antreibend, auf Hochtouren, rassig wie ein Hengst, der die läufige Stute riecht und in gefährlich nervöser Aggression nicht zur Ruhe gebracht werden könnend über seinen Platz hechtet, getrieben von der eigenen Natur und in seiner Erregung das stolze, herrliche Abbild seiner Art schlechthin.
Keine sieben Minuten, dann ist der Song ausgelaufen, aber das Saxophon hat noch nicht seine Partien erledigt, nur eine Pause. Der folgende Track ist fast 18 Minuten lang. Der nervös stille Anlauf, zuerst die Ruhe vor dem Sturm, köchelt schon wieder an der Erregungssuppe, macht den Rahmen weit, auf dem die improvisierenden Soloinstrumente zu wilden Läufen ausholen. Die Musiker selbst sind ihren Ideen hilflos ausgeliefert, sie hatten brandfrische Ideen, die ihnen wie Feuer auf der Haut brannten und die sie in Silber gegossen für die hörende Gefolgschaft verewigt haben. Es musste raus.
Selten klingt eine Aufnahme so direkt, so notwendig, so gefährlich - in aller vielen Stille und fast lässigen Melancholie. Jeder Ton des akustischen Basses sitzt als Gänsehaut auf dem Rücken, die Beckenanschläge kitzeln im Nacken, es wummert und vibriert im Bauch - und noch sind erst sie am Anfang, haben sie nicht losgelegt.
Erst nach ein paar Minuten steigt das Saxophon ein, scheinbar lässig zuerst, doch schon mit der hypnotischen Rasanz, der gewaltigen Kraft. Diese Idee, woher haben die die nur!? Mats Gustafsson kratzt mit seinem Saxophon dermaßen über die wohlig düstere Rhythmuslandschaft, dass ich meinen könnte, er hiebe mit seinem scharfen Schwert alles Umstehende in Stücke, willenlos, gefangen in der Tätigkeit.
Ist das bewusste Musik? Nüchtern erdacht am Frühstückstisch? Aufgeschrieben mit fester Hand? Da zitterte nichts? Brach der Erdboden nicht auf und glühte der Kaffee lavagleich? Fire! ist der treffende Name für das Projekt. Irgendwie steckt noch eine Prise Folk drin, nicht nur, wenn Mariam Wallentin zu ihrem lautmalerischen Gesang ansetzt. Auch im stehenden Keyboardton, der quasi skandinavischen Epik, der inspirierten Tiefe.
Es gibt emotionale Musik, die anregt und welche, die weit mehr kann. Fire! sind gefährlich in dem, was sie können. Und sie sind sehr gut!
Absolutes Muss (auch für Rockfans)!!!
runegrammofon.com
VM
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