Falk "Smogsehnsucht" (Ahuga! 08.01.2016)


5 Tage lag die CD unausgepackt im Postpäckchen. Ahuga! Das Liedermacherlabel. Nein, will ich nicht. Ich brauche verrückte, wilde, leidenschaftliche, erregende Musik, instrumental rasant und radikal. Schrägen, harten Rock, disharmonischen Jazz, krasse Avantgarde. Keinen Reinhard Mey mit lieben & klugen Texten zu schmusiger Kuschelmusik. Liedermacher haben mich schon immer unter- wie überfordert. Texten zuhören, während Musik eher nicht stattfindet.
Öde.
Ab und an kriecht schon mal so ein Album/so ein Typ mit Gitarre über den Weg und aus der Situation/Kommunikation ergibt sich ein Nerv für den Inhalt. Aber eher nie.
5 Tage lag die CD da herum und nervte mich an. Was willst du hier? Wie kommt es, dass mein Name, meine Adresse da drauf steht, warum wurde das an mich gesandt? Warum bekommt das nicht der Nachbar, der Mond oder Reinhard Mey?
Dann habe ich ausgepackt. Falk. "Smogsehnsucht". Der Bengel trägt Kurzhaar, ist bartlos. Wohl kein Taliban. 19 Lieder sind auf der CD. Die Titelnamen sind interessant, will ich die CD wirklich in den Player legen und abspielen? Oder lieber über die Titelnamen schmunzeln und dann weg damit? Vielleicht sind die Titel beim Anhören nicht mehr interessant und genau das, was ich von Liedermachern erwarte: nichts: und das Teil kann ich noch nicht einmal mehr verschenken!
Sonst ist es immer andersherum. CD-Päckchen! Hurra! Aufreißen, angucken, sofort hören. Und wo dick Prog/Avantgarde/Jazz draufsteht, ist oft nur schnarchlangweiliges Doofprogramm drauf, so dass mindestens jede 5./6. aller zugesandten CDs im gelben Sack landen. (Wo sonst?)
Nicht erwähnenswert.
OK. CD in den Player. Weil im seitenstarken Booklet mit jeder Menge Falken die Texte auf lustigen Naturphotos (echt Bio, gesunde Natur, Kühe, Wald, Schafe, See, Apfelbaum, ne alte Burg, ein Wanderpfad, der Wolf - usw.) abgedruckt sind. Oberflächlich genau das, was ich von Reinhard Mey erwarte. Doch ich hatte das Glück, die ersten vier Schuljahre von Frau Biebrach das Lesen und Schreiben unterrichtet bekommen zu haben - noch heute bin ich begeistert, wie schön die Schreibbuchstaben da an der Tafel standen, wenn ich daran denke, während in meinem Unterrichtsheft dicke Kleckse und unförmige Krakel zu finden waren, die Hand & Hirn(gespinst) da zusammen gebaut hatten. Frau Biebrach konnte schreiben! Das große ‚A' mit Kreide und Schwung an die Tafel geschrieben, und es sah aus wie im Lehrbuch. Besser.
Die Texte im Booklet machen neugierig. Was singt der da? Nix Reinhard Mey. Eher das Gegenteil. Und gleich der Refrain im ersten Song: Ist das langweilig!
Jupp!
Und es wird noch besser. Falk hat sich eine Menge Themen vorgenommen: Dreckshühner, Klappe halten, Bäume entweihen, Tourette, die Perspektive, Birkenstocknazis & Biofaschisten, das Erben, Joggen, Behinderung & Anderssein, die liebe Familie - und vieles mehr.
Langweilig? Nein! Nix langweilig - ganz im Gegenteil, der hat es drauf, mit der Klampfe, Sinn und Idee gegen die aktuelle Gutmenschenkorrektheit anzusingen. Mit Texten, die mit jedem Hören neugieriger machen.
Über die 19 Lieder und die Laufzeit von 50:10 Minuten geht es (musikalisch eher lind, einfach und schlicht, aber) inhaltlich sehr witzig, erstaunlich frech mit Schnauze und Meinung zu. Hier nix Liedermacherguttext oder Streicheleinheiten für die gebildete, kluge Seele, die ihr Weltbild bestätigt haben will, sondern ordentlich böser Text gegen das kleine und große Bildungsbürgerspießertum.
Macht Laune!

liedermacherfalk.de
ahuga.ch
VM



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