Erdem Helvacioglu "Wounded Breath" (Aucourant Records 2009)

Erdem Helvacioglu ist ein Meister der elektronischen Musik. Inspiration mag er, auch, aus der so genannten Berliner Schule ziehen, von den Avantgarde Bands, der frühen progressiven Electronic Szene. Einfluss in seine eigene Musik zeigt diese Szene wenn überhaupt nur marginal. Erdem Helvacioglu absorbiert Einflüsse aus Neuer Musik, elektronischer Musik nicht populärer, sondern klassischer elektronischer Komposition.
"Wounded Breath" ist ein einzigartiges Werk, nicht aus dieser Welt. Der Soundtrack des Unterbewussten ist ein Hörfilm besonderer und besonders spannender Art. Der türkische Elektroniker beweist Genie mit ungewöhnlichen Sounds. Wasserfälle treffen auf Symphonie-Orchester, Staub wirbelt über hypersensible Mikrophone, Pingpong-Bälle ziehen in die Schlacht, Plattenspieler-Abtastnadeln machen Thriller-Atmosphäre, düstere Sounds und Insekten-Gezirpe ziehen einen wohligen Gänsehaut-Schauer über den Rücken - unendlich viele Ideen stecken in den 5 langen Tracks, deren kürzester neuneinhalb und längster 17 Minuten lang ist - der längste ist auch der derjenige mit den Pingpong-Bällen oder Glasmurmeln, die auf Glastellern grandiose Geräuschkaskaden entstehen lassen, was sich durch die ganze ultraspannende Komposition zieht.
Ich glaube nicht, dass diese Tracks in unveränderter Form live aufzuführen sind. Erdem Helvacioglu jedoch ist Live-Künstler, der mit Laptop auf der Bühne sitzt, internationale Festivals bespielt und internationale Preise für seine unvergleichlich eindrucksvolle Musik bekommt.
"Wounded Breath" hat das Format für weitere Preise. War auf dem Vorgängerwerk "Altered Realities" (2007) noch akustische Gitarre zu hören, kommen die fünf Tracks des neuen Albums ganz ohne herkömmliches Instrumentarium aus. Es bedarf keiner besonderen Vorliebe für elektronische Musik, diese atemberaubenden, raffinierten Klänge neugierig nachzuvollziehen. Die Kunstmusik ist nicht sperrig oder hochnäsig, sondern geradezu kindlich verspielt. Eine Reise in die Stille ist das Album zudem, ganz ohne alles, was süßlich oder kitschig wäre. Elektronische Musik kann - wie jede andere Musik - fürchterlich bieder und billig sein, um die Gunst des Publikums buhlen und damit schon verloren haben. So etwas findet hier nicht im Ansatz statt. Ich habe eher den Eindruck, dass ein konzentriert forschender Musiker Zugang zu Magie gefunden hat und genügend Humor, lebhafte, überraschungsreiche Musik daraus zu machen.
Definitiv eines der besten Alben, die ich in diesem Jahr bereits hören durfte.

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VM



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