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El Hijo De La Aurora "The Enigma Of Evil" (Minotauro Records 2015)


Eine experimentelle Doom Band - aha. Dazu noch aus Peru - ahaaa. Das klingt nach interessanter Musik mit Exoten-Bonus. Oh Gott, darf man als um politische Korrektheit bemühter Mensch, der indigen deutscher Provenienz ist und alle Regeln, Vorschriften, Gesetze, Verordnungen etc., mit denen er konfrontiert wird, nicht nur befolgen, sondern übererfüllen möchte, überhaupt noch Begriffe wie "Exoten-Bonus" benutzen? Wen kann/darf/muss - Unzutreffendes bitte streichen - man in diesem Kontext um Rat fragen? Gibt es in unserem demokratischen Rechts- und Sozial-Staat schwarze Listen mit verbotenen Wörtern und falls dem so sein sollte, woher kann man diese Listen bekommen, damit man kein verbales Unrecht begeht? Man möchte doch alles richtig machen und zeigen, dass man längst verstanden hat, dass alles immer besser wird. (So ganz nebenbei schleicht sich allerdings folgende ungehörige Frage ins Bewusstsein - "untertänigsten" Dank im voraus für eine eventuelle Beantwortung derselben: Wer bestimmt eigentlich aus welchen Gründen, was als politisch korrekt gilt?) Die Peruaner machen für mich den Doom Metal, den ich normalerweise recht langweilig finde, mit ihren "Sperenzchen" deutlich interessanter, denn sie bauen viele Tempo- und Stimmungswechsel in ihre Musik ein und zelebrieren in der zweiten Hälfte dieses Albums regelrechte Klangrituale von berückender, keineswegs aber bedrückender Wirkung. Dabei kommen Metall- und Kristall-Klangschalen ebenso zum Einsatz wie verschiedene Gongs, Flöten und Kehlkopfgesang. Überhaupt ist der südliche Teil des amerikanischen Kontinents in der Betrachtung der Welt, nicht nur was die Natur-Wissenschaften und die Medizin, sondern z.B. auch die Musik betrifft, weit fortschrittlicher als wir ach so aufgeklärten Menschen. (Es gibt übrigens eine sehr vitale Klangschalen-Szene in Mexiko, Peru, Brasilien und diversen ihrer Nachbarländer.) Dies hängt meines Erachtens aber nur zum Teil mit der Bewahrung der dortigen spirituellen Traditionen zusammen; der weiße (aber nicht unbedingt weise) Mann schaffte es nämlich nicht, die Traditionen der indigenen Völker Meso- und Südamerikas zu zerstören, obwohl er z.B. deren heilige Schriften als Teufelswerk brandmarkte, um sie hernach dem reinigen Feuer zu übereignen. (Überhaupt war das Verbrennen von schriftlichen Dokumenten seit jeher ein probates Mittel für die Vernichtung unerwünschten Wissens. Eine regelrechte Dokumenten-Verbrennungs-Kultur zieht sich durch viele Jahrtausende und ist auf nahezu allen Erdteilen anzutreffen.) Das kulturelle Erbe dieser Völker lebte aber, zumindest im Untergrund, immer weiter. Unter den Indios (Darf man das überhaupt noch so formulieren?) ist eine große Aufbruchstimmung festzustellen, die der neuen Zeit entgegenfiebert, gerade bei denjenigen Bevölkerungsgrupen, die nicht missioniert wurden bzw. sich ganz bewusst dafür entschieden, ihre Maya-, Inka- oder Azteken-Tradition wieder aufleben zu lassen. Expressis Verbis bedankt sich die Band bei Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche oder Helena Blavatsky, die sie unter anderen als Inspirationsquellen nennt. Sich mit den Schriften dieser visionären Denker auseinanderzusetzen ist höchst interessant, völlig egal, ob man sich als "Esoteriker" oder als "Positivist" betrachtet; gleiches gilt für die Texte der Kompositionen auf "The Enigma Of Evil". Als evident erscheinende Dinge bewusst in Frage zu stellen, erweist sich nicht selten für die eigene Fähigkeit zur Reflexion als äußerst hilfreich. (Halte ich etwas für wahr, weil mir eingetrichtert wurde, es sei wahr ODER halte ich etwas für wahr, weil ich selbst - darüber sinnierend - zum Schluss kam, es müsse wahr sein.) Eine wahre Ohrenweide sind diese Klänge jedenfalls für alle Musikfreunde, die aus den gewohnten Autobahnen des Hörens ausbrechen möchten und in dieser Hinsicht für einen starken Impuls dankbar sind. Bleibt noch zu erwähnen, dass es drei verschiedene Sänger gibt und die Text in spanischer Sprache dargeboten werden.

elhijodelaaurora.com
Frank Bender



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