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Dzyan "Dzyan" (Aronda 1972, Long Hair 2010)
"Mandala - SWF-Session 1972" (Long Hair 2010)
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Als Dzyan 1972 ihr unbetiteltes Debütalbum veröffentlichten, muss die Weltgeschichte abgelenkt gewesen sein. Nur so lässt sich erklären, warum die grandiose Band nur in gebildeten Krautrockzirkeln bekannt wurde und gleichermaßen inspirierte Musiker, die etwa unter dem Namen Embryo eigene Musikvorstellungen artikulierten, weitaus größere Erregungsamplituden erwirkten (weil die Welt DA nicht abgelenkt war!). Dzyan sind nicht schwieriger als Embryo, ihre Songs sind nicht weniger intensiv oder ausgeflippt, der gemächlich handperkussionierende Begleitrhythmus hat ebenfalls weltmusikalisch folkloristisches Flair und die Atmosphäre der 8 Songs auf beiden LP-Seiten reizt die Tiefen und Höhen des virtuosen Jazzrock abstrakt, kraftvoll und energisch aus, kurz: von den Aufnahmen geht ein großer Reiz aus. Die hinreißenden Gesangslinien schmeicheln sich in anspruchsvolle und verwöhnte Jazz-/Rock-Ohren, die Intonation ist elegant und ausgewogen, der Klang satt und klar - noch kürzer: die Platte fetzt rundweg.
Weswegen sie jetzt auch erstklassig aufgearbeitet und digital remastert zu hören ist, die gesamte Platte, auf CD und LP. Long Hair ist einen Lizenzvertrag mit Bellaphon eingegangen, der etwa Pell Mells "Marburg", Dzyans "Time Machine" und "Electric Silence", sowie Alben von Haze und Nine Days Wonder (u.a.) demnächst auf LP (wie CD) verspricht.
Doch nicht nur die grandiosen Bandklassiker werden neu aufgelegt. "Mandala" ist der Name einer weiteren LP- und CD-Produktion auf Long Hair, beide Versionen haben (wie bei Long Hair üblich) ein ausführliches Booklet mit Story in deutscher und englischer Sprache sowie etlichen Bandphotos. Enthalten sind 7 Songs, rund 51 Minuten lang, die am 27. Oktober 1972 live im SWF-Studio aufgenommen wurden. Komplex-progressive Jazzrocker, kernig, kraftvoll, dynamisch und lebhaft, manchmal deftig hart, dann verspielt, mit deutlichen Einflüssen von King Crimson, Soft Machine, Frank Zappa und Colosseum; canterburyanisch mit starker Krautführung, die in der Schwere des jazzversierten Rhythmus zu finden ist und im kratzig-heftigen Solospiel Gerd Bock Ehrmanns am Tenorsaxophon und Eddy Marrons an der elektrischen Gitarre. Reinhard Karwatky mördert mit seinem Bass exzellente Rhythmusspuren nicht ohne ausgefallene Extravaganzen, Lothar Scharf trommelt radikale Frakturen und Jochen Leuschner übt sich - auch parallel zu seinem kraftvollen (Rock-)Gesang in vitaler Handperkussion. Der Weltmusikfaktor ist hier eher gering ausgeprägt, dafür gibt es erheblich mehr Instrumentalkomplexe und Verspieltheitsvariabilität, instrumentale Finesse und intensives Bandinterplay - alles in erstklassig feinem Sound, der auf großen Boxen ohne Fehl und Tadel seine besondere Exquisität beweist. Dzyan waren da noch ziemlich am Anfang, doch das Besetzungskarussell war schon heftig am Rotieren. Das auf der CD als 7. Stück enthaltene "Celestial City", 4:23 Minuten lang und als Bonustrack markiert, ist auf der LP nicht enthalten, die somit auf 6 Songs kommt, je 3 pro LP-Seite, die erste zusammen 23:30 lang (mit "Mandala - Transmigration" [2:08] ist ebenfalls ein Bonustrack dabei (der ist auch auf der CD als Bonus deklariert, gerade entdeckt - - - ), LP-Seite 2 summiert die 3 Songs auf 21:21 Minuten.
Ich will beide Alben, Dzyans Debüt und die Neuentdeckung "Mandala" nicht mehr missen. Beide sind für Jazz-Kraut-Rock-Freaks der abgefahrenen alten Komplexschule unbedingte Tipps. Dafür geht auch Aufstehen (und Anlage einschalten).
Sodann mit Sound wieder hinlegen.
longhairmusic.de
VM
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