Dreadnaught "Live At Mojo" (Comet Records 2005)

Rock ist ja eigentlich eine coole Sache. Da soll es krachen und shaken, es soll unterhalten und zuviel negative Energie in viel positive Energie umwandeln. Dabei soll die Bude wackeln, die Wände sollen beben und der Schrittmacher jauchzen.
Auf der anderen Straßenseite wohnen die Typen mit dem Anspruch. Dicke Brillen auf der Nase, hoher Stirnansatz, schwitzige Hände und breite Hintern - aber nix als Kunst im Kopf. Wie soll man Arnold und Woody zusammenbringen?
Am besten ruft man bei Dreadnaught an. Die drei eineiigen Zwillinge (kleiner Scherz am Rande! Ha! ähm, Pardon…), ich meine das Trio lässt die Bude krachen, schüttelt und bebt sein Publikum gut durch, hat ein nettes Arsenal an tollem Humor und entwirft bisweilen äußerst Kunstdurchdrungenes Material, das ordentlich komplex ist. Da freuen sich die Freaks auf beiden Straßenseiten und was eben noch der verschriene Abschaum von der anderen Idiotenseite war, ist nun plötzlich ganz angenehm und - das waren ja alles nur Vorurteile!
"Live At Mojo" ist keine Liveplatte. Bob Lord (b, voc), Justin S. Walton (g, voc) und Tim Haney (dr) hatten nur mal Lust, live im Studio abzurocken. Nicht wie sonst üblich, mit Betonung auf das komplexe Material, wenn hier die progressiven Attacken auch nicht zu kurz kommen. Dreadnaught haben sich vorgenommen, Songs ihrer früheren Alben, einige neue Stücke und ein paar Coversongs ganz neu klingen zu lassen.
Die Energie ist rau, die Jungs tasten sich nicht voran, sondern fallen mit der Tür ins Haus und rocken von der ersten bis zur letzten Sekunde. Kleine agogische Zentren sind bei ihnen die humoristischen Eckpunkte. Und selbst in den heimlich eingebrachten kleinen und klitzekleinen melancholischen Momenten sitzt noch so ein Nasenstüber voll Witz und Frechheit. Auch sind balladeske Motive auszumachen, die wie ein Trojanisches Pferd mitten im Song sitzen. Denke ich gerade noch, dass es jetzt episch breit und lyrisch entspannt zur Sache gehen wird, rasselt plötzlich ein Ameisengewusel an Tönen aus dem Stück und holt einmal kräftiger zum fetten, netten Prog'n'Roll aus.
Das Trio hat es unbedingt drauf, gute Unterhaltung zu liefern. Irgendwelche Rock-Unterstile sind ihm dabei völlig egal. Da geht es von Jazz über Symphonic und Country bis zu Americana, Folk und Metal. Auch die handwerkliche Art der Musiker ist nicht unbedingt mit dem zu vergleichen, was sonstige Bands so liefern. Dreadnaught sind typische Amerikaner, ein bisschen Southern Comfort hatten die schon in der Muttermilch und die ländlichen Radiosender haben die Jungs geprägt. Wie gut! Sonst hätten wir wohl nie zu hören bekommen, wie Country Prog klingt.
Zum außergewöhnlichen eigenen Programm spielen Dreadnaught einige Songs auf sehr eigene Weise nach. Von The Who, Grateful Dead und vor allem Frank Zappa, der hier eine ganz tolle Verneigung erfährt. Also, null Bock auf Standardprogramm? Die letzte tolle Platte steht schon lange in der Sammlung? Probiert unbedingt dieses Trio aus. Dreadnaught sind die absolute Überraschung. Das gilt übrigens auch für die alten Alben der Band, die allesamt sehr zu empfehlen sind.

dreadnaughtrock.com
VM



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