Divine Ascension „Liberator“ (ViciSolum Productions 2014)


„Liberator“ ist eine der stärksten Scheiben im Bereich des progressiven Power Metal mit neoklassischen Bezügen; die Band aus Melbourne klingt auf ihrem zweiten Album wie eine Metal-Variante von Heart - im Barracuda-Dreieck springend - oder wie Lisa Bouchelle (ex-Mastermind) am Gesangsmikro von Symphony X. Das Songwriting ist aufgrund seiner Multidimensionalität fast so etwas wie die Quadratur des Kreisels und besitzt in hohem Maße internationales Flair. Sämtliche Fans von Bands wie Nightwish oder After Forever, aber ebenso von Kamelot und Konsorten werden bestens bedient. Divne Ascension sind quasi die Essenz von Evanescence, quadriert mit dem Yngwie Malm-Stein-Faktor. Der Gesang von Jennifer Borg sorgt bei mir für eine Dauergänsehaut - man kann ihre Stimme mit einer Powerversion von Joanne Hogg vergleichen. So etwas habe ich noch nicht gehört, außer natürlich auf dem ersten Album von Divine Ascension. Ihr Goldkehlchen ist äußerst wandlungsfähig und gleichermaßen kraftvoll-fordernd wie emotional-fragil. Auch die fünf Männer an ihrer Seite sollen gebührend gewürdigt werden, zimmern sie doch ein vererkertes, allerdings niemals verqueres Klanggebäude von großer Funktionalität, in dem es sich behaglich einrichten lässt. Karl Szulik und Robb Inglis (Gitarren), Luke Wenczel (Schlagzeug), David Van Pelt (Keyboards) und Jason Meracis (Bass) sind Musiker, die ihr Handwerk zur Kunst erhoben haben; mit hintergründig-technischer Finesse zaubern sie einen Hut nach dem anderen aus dem staunend geöffneten Mund des Kanninchens, das doch ansonsten vor allen erdenklichen Event-Dualitäten immer auf der Hut gewesen war. Das Textkonzept von „Liberator“ passt gut zum heutigen Tag der deutschen Scheinheit, der als 3. Oktober 2014 von unabhängigen Journalisten wie Eva Herman zum Tag der Wahrheit erkoren wurde. Die Befreiung von einem Gebäude aus Lügen, das uns wie eine strassbesetzte Halskrause mit Stahlspitzen auf der Innenseite umgibt, die sich immer enger zuzieht, wenn man anlässlich des täglichen Schau(der)spiels einfach nur zusieht. Die Konditonierung (sine qua non) der Massen auf den Brot- und Spiele-Modus gerät zunehmend ins Stocken. Die Befreiung aus dem Matrix-Kokon schreitet voran; der Anonymous erhält ein Gesicht, das sich aus vielen kleinen Anony-Mouses zusammensetzt, die an den Drähten der Damoklesschwerter über den Köpfen der Leute nagen, die überall auf der Welt immer wieder aufs Neue nach Ordnung streben; daraus resultiert Mündigkeit im wahrsten Sinne des Wortes. Mit den Schwertern fällt nämlich gleichzeitig die Kette des Gehorsams und alle Mäuse sind frei, was sie schon immer waren, auch wenn ihnen dies nicht bewusst gewesen war. Der Einzelne wird äußerst mächtig, wenn er sich mit vielen anderen Einzelnen zu einem Netzwerk zusammenschließt, mit dem sich die Be-Fehler problemlos fangen lassen. Davor haben letztere denn auch eine Riesenangst und plustern sich gewaltig auf, doch selbst der Wichtigste ist in Wirklichkeit nur ein Wicht, wie man nach dem Verzehr der roten Pille erkennen kann. Auch der größte Körper setzt sich bekanntlich aus vielen einzelnen Zellen zusammen, die als Kollektiv agieren; Photonengezwitscher und Schwarmintelligenz ist ein Faktum, das auch vor dem Homo sapiens sapiens nicht Halt macht: „Werde Dir der unzähligen Möglichkeiten Deines Bewusstseins bewusst und Du wirst zu Deinem eigenen Befreier.“ In uns allen brennt ein göttliches Feuer, das den steten Tropfen, der den Stein des Anstoßes höhlt, mit dem kosmischen Ozean verbindet. Diese Formulierung bildet die verbale Brücke zum Artwork von Jon Hocking, welches beispielhaft tiefgründig in seiner (S)UR-Realität ist, weil es veranschaulicht, dass Feuer und Wasser keine Gegensätze sind, da Wasser unter bestimmten Umständen brennt. Einerseits durch die Aktivitäten der Fracking Crew und andererseits aufgrund alchemistischen Wissens. Weiterhin erwähnenswert ist der Weltklasse-Sound von Jens Bogren, der die Facetten der Australier in den brillantesten Farb-Tönen erstrahlen lässt. Shine on you crazy diamond, you are not another brick in the wall!!!

divine-ascension.com
facebook.com/divineascension

Frank Bender




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