Days Between Stations "Days Between Stations" (Bright Orange Records 2007)

Das in Los Angeles beheimatete Duo Days Between Stations sammelte für sein Debütalbum neun Gastmusiker um sich, die vielfältigen Klänge und Strukturen zu erschaffen, die das vollständige Werk ausmachen. Sepand Samzadeh (g, b, synth) und Oscar Fuentes Bills (p, synth, acc-g, b) spielen nach eigenen Angaben Symphonic Rock, genau gesagt Post-Prog, oder Art-Rock. Das stimmt in weiten Teilen auch mit dem überein, was Neoprog-Fans erwarten. Geht teilweise aber entschieden darüber hinaus - und beginnt gerade für konservative, engstirnige Fans gewöhnungsbedürftig.
Die ersten 6 Minuten des instrumentalen Openers "Requiem For The Living" sind eine Melange aus elektronischen Sounds und religiösem, vorderasiatischem Gesang. Als rufe der Muezzin zum Gebet, stehen diese lautmalerischen Gesänge in ihren Gesangslinien weit über den sanften Harmonien. Wie gesagt: 6 Minuten. Die sich anschließenden 7 Minuten klingen wie ein Mix aus späten Pink Floyd, ambienter Minimalmusik und symphonischem Progressive Rock.
Zwar tritt dieser lautmalerische Gesang nicht wieder ins Geschehen ein und geht das Duo samt seinen vielen Gästen, die unter anderem exzellent Schlagzeug spielen, Sounds, Stimmen, Bass, Saxophon, Trompete und Posaune sowie zusätzliche Gitarrenlinien einfügen, im Anschluss viel "Fan-orientierter" vor, stößt niemanden mehr vor den Kopf mit einem Genre-untypischen Part, der auch noch an den Anfang der CD gelegt worden ist, aber es bleibt spannend.
Mutig, diese Crew. Allerdings betreiben Days Between Stations auch einigen Ideenklau, der gerade im zweiten Stück "Either/Or" eine erstaunliche Unverfrorenheit präsentiert. Jeder Mensch, der einmal den Namen Pink Floyd gehört hat, weiß um "Dark Side…". Und um diesen ganz typischen ausgefallenen, himmlisch lautmalerischen Frauengesang, der prägend für das Album ist. In "Either/Or" kopiert das Duo diesen Gesang nicht, aber diesen Stil. Und liegt melodisch und dynamisch ganz dicht neben dem Original.
Damit wären wir aber noch nicht am Ende der Überraschungen. "Radio Song", gewiss nur für einen experimentell gestimmten DJ ein solcher, wartet mit Bläserstrukturen auf, die vitalen, hungrigen Jazz zelebrieren, harmonischen Jazz. Auf Heavy Metal Pop Basis. Auf dem steten Rhythmus, den erst die harte Gitarre, dann ein Vocoder-gesteuerter Synthesizer übernimmt, entwickeln sich diese knarzigen Töne erst peu á peu und geben dieser wechselhaften Note ordentlich Charakter, vitalen, überkandidelt freudig erregten Charakter. In aller Lässigkeit, versteht sich. Toller Song, und mit knapp 5 Minuten auch nicht zu lang.
Nach dem zweiten "Intermission" folgt das Hauptwerk der Band. 22 Minuten "Laudanum". Hier vereinen sich viele Aspekte. Ambiente Sounds treffen auf späte Pink Floyd, Softrock, Neoprog und New Artrock, Electronic gipfelt in Strukturen, die einst der Klangtüftler Alan Parson in seinem Projekt zu pompöser Geltung brachte. Minimalistische Harmonieflüsse greifen in epische Saxophonsoli ("Dark Side…") ein und streben in Space-Klangweiten, die angenehm sind, von einem runden, aufwendigen Rhythmusgeschehen samt exzellenter melodischer Bassarbeit begleitet, das man meinen könnte, dieser Song dürfe ruhig doppelt so lang sein.
Die Kompositionen des Duos sind klang- und harmoniekomplex, niemals jedoch rhythmisch oder melodisch frickelig oder technisch überaus aufwendig. Die fließende Struktur lullt ein und entführt in ferne Weiten, wobei vor allem das erstaunlich versierte und begnadete Bassspiel von besonderer Qualität und energischen Wichtigkeit ist, wenn der Bass im Mix auch "hinter" den Klangraum der Tasten sortiert wurde.
Der Song beginnt episch, bricht nach Minuten ein und weiteren wieder auf, verwildert seine Struktur, entwirft tatsächlich eine experimentelle Note, die jedoch im harmonischen Rahmen bleibt und führt mit jazz-symphonischer Rockstruktur und grandiosen Bläsersätzen über weite Minuten in ein ultralanges Endspiel, bei dem man hier und dort die Angst bekommt, alles breche urplötzlich und kurz vor dem Ziel zusammen, so zart und zerbrechlich sind einige Einbrüche in die Melancholie, in die Stille. Alle Achtung, das ist beeindruckend!
Zwar hat "Laudanum" zwischendrin auch mal die eine oder andere Länge, aber das ist in Anbetracht der Gesamtleistung nicht weiter tragisch, sag' ich jetzt mal.
Wer sich über die ersten 6 Minuten der CD kämpft, den Rhythmus der Musik erspürt und die warmen, weichen, süßen und feinen Harmonien lieben lernt, erfährt ein kluges Werk, das Dinge miteinander verbindet, die sich im sonstigen Neoprog-Bereich eher ganz selten verbunden zeigen. Etwa diese exzellente Schlagzeugarbeit, der grandiose Bass, die hinreißenden Bläser, der dezente Jazzanteil. Dann sind die ambienten Seufzer, elektronischen Lüfte und esoterischen Träumereien samt Pink-Floyd-Klau auch hinnehmbar.
Tipp!

daysbetweenstations.com
VM



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